Der Niedersächsische Landkreistag äußerte trotz Unterschrift weiterhin Vorbehalte. Die Vereinbarung sei keinesfalls geeignet, gravierende strukturelle Finanzprobleme der Kommunen zu lösen. Es gehe allenfalls um punktuelle Hilfestellungen für einzelne Gebietskörperschaften. Der NLT verstehe diese Vereinbarung als den Beginn eines umfassenden Prozesses zur Fortführung der Verwaltungsreform.
Aus dem Städtetag heißt es, Fusionen dürften kein Zufallsprodukt sein. Die Regierung müsse begreifen, dass sie in die richtige Richtung gehen müsse, um die Kommunalverbände im Boot zu behalten. Sie dürfe sich nicht vor Entscheidungen drücken. So müssen das Land auch einmal Größenvorstellungen für Fusionen nennen.
Meine Damen und Herren, Sie sehen allein an diesen Reaktionen, dass die Probleme und Herausforderungen der nächsten Jahren mit diesem Zukunftsvertrag nicht gelöst werden, sondern es wirklich eines ernsthaften und grundlegenden Prozesses bedarf. Den Weg, den Sie gehen wollen, nämlich über die Entschuldungshilfe zu Fusionen und zu Umwandlungen von Samtgemeinden in Einheitsgemeinden zu kommen, obwohl sie ja auch die Fusion von Samtgemeinden wieder prämiieren, also Gebietsveränderungen herbeiführen, und das alles der Freiwilligkeit zu überlassen, halten wir für verantwortungslos und nicht zielführend.
Gleichzeitig diskutieren Sie mit den kommunalen Spitzenverbänden über weitere Aufgabenverlagerungen, und das, ohne dabei die Leistungsfähigkeit unserer Kommunen wirklich im Blick zu haben. Sie, meine Damen und Herren, zäumen das Pferd von hinten auf. Ich finde es aber fast genauso schlimm, dass Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, sich als Parlamentarier aus dieser Diskussion völlig verabschiedet haben.
Sie überlassen das Feld bei einem wirklich so wichtigen Thema für das Land Niedersachsen, nämlich der Neustrukturierung des Landes, dem Zufall, den kommunalen Spitzenverbänden und der Landesregierung allein. Sie tauchen völlig ab.
Eigentlich sind wir uns alle einig, dass Handlungsbedarf besteht. Wir streiten uns nur noch um den Weg. Unser Vorschlag zur Einsetzung einer Enquetekommission ist nach den ersten Diskussionen über diesen Zukunftsvertrag wichtiger und richtiger denn je. Wir haben in unserem Antrag die Handlungs- und Aufgabenfelder beschrieben und einen weitreichenden Fragenkatalog formuliert, der natürlich jederzeit ergänzt werden könnte.
Wir, meine Damen und Herren, wollen eine offene, breit angelegte Diskussion über die zukünftigen Strukturen in unserem Land, und wir wollen eine ehrliche Aufgabenkritik, sich daraus ergebend eine aufgabengerechte Finanzausstattung und vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung eine Diskussion über die Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge in unserem Land.
Meine Damen und Herren, ich betone nochmals ausdrücklich, dass es meiner Fraktion nicht um eine von oben diktierte Gebietsreform, sondern um einen ergebnisoffenen Prozess geht, den wir aus Verantwortung für unser Land und für unsere Kommunen führen müssen. Noch können Sie, meine Damen und Herren, sich vielleicht unter dem Deckmäntelchen der Freiwilligkeit verstecken. Aber was machen Sie eigentlich, wenn diese Ihre Angebotsphase nicht zu dem erhofften Erfolg führt, und warum haben Sie dieses Angebot eigentlich bis zum 31. Oktober 2011 befristet?
(Zuruf von Reinhold Coenen [CDU] - Was kommt danach, Herr Coenen? Sagen Sie das einmal! - Warum, meinen Damen und Herren von CDU und FDP, ist es nicht möglich, in dieser Frage einmal parteiübergreifend zu arbeiten und zu Lösungen zu kommen? Meine Fraktion ist der festen Überzeugung, dass die Einrichtung einer Enquetekommission für diesen hoch komplexen Bereich genau das Richtige wäre, um ein zukunfts- fähiges Niedersachsen zu beschreiben. Ich bitte Sie daher nochmals wirklich eindringlich, unseren Antrag in Ihren Gremien zu beraten. Vielleicht ist das eine kleine Denkaufgabe über Weihnachten. Es ist wichtig für unser Land. Deshalb lade ich Sie wirklich herzlich dazu ein. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD)
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Modder. - Für die CDU-Fraktion haben Sie, Herr Kollege Biallas, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben es eben selbst zugegeben: Dieser Antrag ist in der Tat nicht neu.
Sie haben ihn im März 2009, also in diesem Jahr, schon einmal gestellt. Jetzt könnte man in der Tat meinen, der neue Antrag habe womöglich eine neue Zielrichtung oder neue Inhalte oder er nehme gar irgendetwas Konkretes aus der neuesten Entwicklung auf. Fehlanzeige!
- Richtig, der neue Antrag ist der alte mit neuem Datum und neuer Begründung. Aber der zweieinhalbseitige Beschlusstext, über den wir hier übrigens schon einmal abgestimmt haben, ist identisch.
Nun kann man als Opposition, wenn einem nichts Neues einfällt, jeden Antrag, der hier schon einmal abgelehnt worden ist, noch einmal stellen. Das können wir gar nicht verhindern.
Zu der Frage „Wie helfen wir den Kommunen?“ gebe ich zu: Sicherlich führen viele Wege nach Rom. Aber am Ende muss man sich für einen Weg entscheiden, und wir haben uns gemeinsam mit der Landesregierung nun entschieden, den richtigen und für die Kommunen und das Land wichti
Frau Kollegin Modder, Sie haben eben noch einmal vorgetragen, was auch in der Begründung Ihres Antrages steht:
Ich muss hier feststellen, dass Sie leider all die anderen Vereinbarungen, die getroffen worden sind, und auch die ausführliche Unterrichtung, die wir im Innenausschuss bekommen haben, offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen haben. So viel übrigens zur Beteiligung des Parlaments und der Parlamentarier: Im Innenausschuss ist durch den Referatsleiter ausführlich dargestellt worden, erstens was die Inhalte sind, zweitens welchen Weg man gehen will und drittens welches Ziel man hat. Das ist eigentlich ganz seriös dargestellt worden und von Ihnen übrigens auch gar nicht kritisiert worden.
Die Landesregierung und die kommunalen Spitzenverbände verabreden in dieser Vereinbarung den Ausbau eines Instrumentariums zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften. Im Mittelpunkt stehen dabei drei Punkte:
Erstens - das ist der Punkt, den allein Sie angesprochen haben - die Möglichkeit einer kommunalen Entschuldung für eine zukunftsfähige Ausrichtung zahlreicher strukturschwacher Gemeinden und Landkreise. Ein zentraler Baustein für eine zukunftsfähige Ausrichtung der kommunalen Strukturen in Niedersachsen und für zahlreiche strukturschwache Gemeinden und Landkreise sind freiwillige und dauerhaft zukunftsfähige kommunale Zusammenschlüsse.
Nun haben Sie eben kritisiert, dass wir auf Freiwilligkeit setzen. Das Gegenteil von Freiwilligkeit ist Zwang. Wir wollen keinen Zwang - um das ganz deutlich zu sagen.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Kurt Herzog [LINKE]: Daumen- schrauben! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Wir wollen Verantwortung des Lan- des!)
engt die Menschen ein. Wir stehen für eine freiheitliche Gesellschaft und nicht für eine Zwangsgesellschaft.
Auch das Ziel ist klar formuliert: Kleine, wirtschaftlich auf Dauer nicht überlebensfähige Gemeinden und Kreise sollen im Rahmen freiwilliger Zusammenschlüsse zu leistungs- und zukunftsfähigen Einheiten entwickelt werden oder weiterentwickelt werden.
Zudem sollen Kommunen unterstützt werden, die ihre dauernde Leistungsfähigkeit trotz extremer Kassenkreditverschuldung auch ohne Fusion wiederherstellen können. Von Ihnen war ja schon einmal gefragt worden: Was machen eigentlich diejenigen, die faktisch keine Möglichkeit haben, mit einem Nachbarn zu fusionieren? - Das kann es geben. Wenn es im Rahmen des Zukunftsvertrages vertragsfähige Vereinbarungen gibt, dann soll auch denen geholfen werden.
Zweitens. Das Prinzip der bürgernahen Durchführung öffentlicher Aufgaben ist ein wesentliches Feld. Zu diesem Zweck werden Landesregierung und kommunale Spitzenverbände bis Ende 2010 die Aufgabenstruktur und die Aufgabenverteilung intensiv und ergebnisoffen prüfen. Frau Kollegin Modder, wenn man sich darüber unterhält, wer welche Aufgaben bürgernah versehen kann, dann ist in der Tat auch die Frage zu stellen: Wer finanziert sie? Man muss auch die Frage stellen: Müssen eigentlich alle öffentlichen Aufgaben so weitergeführt werden, Herr Kollege Briese, wie es jetzt der Fall ist, oder kann man bei der Aufgabenerledigung auch zu schlankeren Strukturen und damit zu Einsparungen kommen? - Das alles sind Fragen, die hier aufzuwerfen und zu beantworten sind.
Drittens. Es soll eine ressortübergreifende Strukturpolitik mit den Kommunen geben. Das ist ein weiterer Schwerpunkt des Zukunftsvertrages: die Begleitung der Kommunen in den strukturschwachen, demografisch herausgeforderten Räumen durch eine nachhaltige, ressortübergreifende, integrative Regional- und Strukturpolitik. Was heißt das? - Es gibt - da sind wir uns wahrscheinlich einig - bestimmte Gegenden in Niedersachsen, in denen das Problem besonders markant ist:
Cuxhaven, Lüchow-Dannenberg oder der Harz. Das heißt nicht, dass es allen anderen Gold geht. Aber die Lage hat sich in bestimmten Regionen zugespitzt und verschärft. Dann muss man eben gucken: Woran liegt es, dass es bestimmte Regionen gibt, in denen das Problem sehr viel schärfer auftritt als in anderen Regionen?
„Die bürgernahe Durchführung öffentlicher Aufgaben durch die Kommunen ist der Regelfall staatlichen Handelns. Zu diesem Zweck werden Landesregierung und kommunale Spitzenverbände gemeinsam bis Ende 2010 eine weitere Kommunalisierung von Aufgaben unter Beachtung von Art. 57 Abs. 4 der Niedersächsischen Verfassung intensiv prüfen.“
Es liegen ja Vorschläge auf dem Tisch. Über die gemeinsame Erklärung der kommunalen Spitzenverbände wird zu reden sein. In diesem Papier wird eine Reihe von Vorschlägen gemacht, die z. B. die Entwicklung ländlicher Räume, den öffentlichen Personennahverkehr, den Jugendhilfe- und Schulbereich sowie die Bereiche Sozialwesen und Umweltrecht betreffen.
Es ist also ein großer, bunter Strauß von Vorschlägen, die zunächst einmal gemeinsam von Landesregierung und kommunalen Spitzenverbänden im Rahmen des Zukunftsvertrages erörtert und möglichst zielgerichtet bearbeitet werden sollen.
Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wir haben nichts gegen das Instrument einer Enquetekommission. Aber wenn gerade heute der Zukunftsvertrag unterzeichnet wird, in dem klare Regeln und Übereinkünfte getroffen werden, ist eine Parallelveranstaltung im Landtag nicht produktiv.
Ein Letztes will ich sagen: Frau Kollegin Modder, Sie können sich darauf verlassen, dass wir uns über die Schritte, die im Rahmen der Erörterung des Zukunftsvertrages getan worden sind, im Innenausschuss unterrichten lassen. Natürlich wird der Innenausschuss das Ergebnis, das dort erzielt worden ist - wenn denn eines erzielt worden ist -, auch beurteilen können.