Protocol of the Session on December 17, 2009

Das müssen wir sicherstellen.

Ich wünsche Ihnen allen besinnliche Feiertage. Denken Sie nicht nur an die Enquetekommission! Weihnachten hat eigentlich einen ganz anderen Ursprung. Ich wünsche Ihnen, dass Sie auch darüber einmal nachdenken und erst nach Neujahr wieder über die Enquetekommission.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Zu einer Kurzintervention auf die Rede des Kollegen Biallas erteile ich Herrn Kollegen Jüttner von der SPD-Fraktion für anderthalb Minuten das Wort. Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Herr Biallas, wenn Sie von einer Parallelveranstaltung sprechen, für die der Landtag sich hergeben solle, klingt darin ein Unterton, der des Parlamentes unwürdig ist, wie ich finde. Wir sind die Volksvertretung und tragen die Verantwortung dafür. Das hat Vorrang.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der LINKEN)

Zweitens. Sie halten das Prinzip der Freiwilligkeit hoch. Das ist auch in Ordnung; das sollte man immer anwenden. Konsensorientierte Debatten sind nötig. Aber daneben gibt es auch das Prinzip der Verantwortung, nämlich der Verantwortung der Landespolitik für die Raumordnung in Niedersachsen. Was machen Sie, Herr Biallas - auf diese Frage hätte ich gern eine Antwort -, wenn eines der drei von Ihnen angeführten besonders problematischen Gebiete, nämlich z. B. Lüchow-Dannenberg, zu dem Ergebnis kommt, dass man dort freiwillig zu nichts bereit ist? Ja, meine Damen und Herren, das ist die aktuelle Situation. Was wird aus dem Gesamtpaket, wenn sich die brisantesten Bereiche aus der Veranstaltung verabschieden? Was bleibt dann für den Rest übrig?

Die Verwerfungen in Niedersachsen würden sich darüber dramatisch erhöhen. Das kann nicht zugelassen werden. Sich allein hinter Freiwilligkeit zu verstecken, wird der landespolitischen Verantwor

tung dieser Landesregierung nicht gerecht. Deshalb braucht es hier die Enquetekommission.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Herr Biallas möchte antworten. Auch Sie haben exakt anderthalb Minuten.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte heute weihnachtlich friedlich sein und gebe mir auch alle Mühe, das zu bleiben, damit wir in der gewohnt sachlichen Art zu Ende kommen. Herr Kollege Jüttner, deswegen habe ich diesen Punkt weggelassen.

Ich habe gesagt, die Alternative zur Freiwilligkeit ist Zwang.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Gesetze sind dauernd Zwang! Was hier pas- siert, ist nicht Zwang, sondern Ver- antwortung!)

Dann müssten Sie den Mut und den Mumm haben, sich als Landtag bzw. als Gesetzgeber die Niedersachsenkarte vorzunehmen und zu sagen: Wenn das nicht funktioniert und sie das nicht freiwillig wollen, dann machen wir per Gesetz eine Zusammenführung mit Uelzen oder Lüneburg - wahrscheinlich nicht mit dem Harz, das wird nicht gehen.

Sie haben ja einen Vorschlag gemacht: Sie wollen Großregionen haben.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Wir haben keinen Vorschlag gemacht! Wir haben eine Enquetekommission vorgeschla- gen!)

Aber da sage ich Ihnen: Wir haben das hier gesetzlich eingeführt. Uns wurde gesagt: Die Regionen sind bürgernäher, sparsamer und bieten riesige Vorteile. - Gucken Sie sich die Situation der Region Hannover an.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich sage Ihnen: Die Region Hannover ist ein totaler Rohrkrepierer. So etwas machen wir nicht landesweit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Nächster Redner ist Herr Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Wenn Herr Biallas sagt, Sie sind immer so kommunalfreundlich und operieren, was die Kommunen angeht, nie mit Zwang, dann fange ich immer gerne mit der kleinen Geschichte aus meiner Stadt Oldenburg an. Herr Biallas, Sie haben in das Polizeigesetz - ein Landesgesetz - hineingeschrieben: Jetzt staffieren wir unsere Kommunen mit Videokameras aus. - Dazu hat der Rat Stadt Oldenburg mit großer Mehrheit gesagt: Nein, diese Videokameras des Landes brauchen wir gar nicht. Wir haben in Oldenburg keine Kriminalitätsschwerpunkte, die das rechtfertigen würden. - Wissen Sie, was der kommunalfreundliche Innenminister darauf erwidert hat? Er hat gesagt: Was die Kommune in Oldenburg sagt, das interessiert mich gar nicht. Ihr kriegt diese Kamera, ob ihr sie wollt, ob ihr sie braucht oder nicht. Die verordne ich euch von oben mit Zwang. - So viel dazu.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Die bekommen sie ja ge- schenkt!)

Es ist ein Mythos, dass Sie durch Landesgesetze nie Zwang anwenden. Das muss ich Ihnen einmal sagen!

(Ulf Thiele [CDU]: Nein, das ist ein schlechtes Beispiel, Herr Briese! - Un- ruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich teile Ihren Optimismus nicht wirklich, was die kommunale Finanzsituation in Bezug auf das Jahr 2010 angeht. In der Debatte zum vorherigen Tagesordnungspunkt haben Sie ja versucht, das ein bisschen anzudeuten: Na ja, so schlecht stehen wir ja nicht da. Vielleicht werden wir eine wirtschaftliche Erholung haben. - Sie wissen ganz genau: Die meisten Institute und Sachverständigen sagen, dass die Arbeitsmarktlage - das müssen Sie sich schon einmal anhören, es geht jetzt um etwas kompliziertere wirtschaftspolitische Fragen - dem entsprechenden Wirtschaftstrend meistens erst verzögert nachfolgt. Wir werden also ein Anwachsen der Arbeitslosigkeit haben, wenn sich die nicht alle täuschen. Das wird auch entsprechende Mehrkosten in den Kommunen verursachen. Die große Kostenlawine wird also erst im Jahr 2010 kommen. Wir werden nicht die große kommunale

finanzielle Entlastung haben, sondern die Situation wird im nächsten Jahr erst einmal deutlich schwieriger werden. Wir werden diese Debatte des Heulens und Zähneklapperns wahrscheinlich nicht nur im Bund mit der höchsten Neuverschuldung, die wir je gehabt haben - interessanterweise sind es immer CDU-Finanzminister, die die höchsten Neuverschuldungen zu verantworten haben -, sondern auch in den Kommunen haben.

Deswegen sollten wir alle in diesem Landtag uns in der vielleicht schwierigsten Frage, die wir landespolitisch in den nächsten Jahren zu entscheiden haben, noch ein bisschen bewegen und noch einmal in uns gehen: Was könnten denn langfristige Lösungen sein, wie können wir die kommunale Selbstverwaltung langfristig nachhaltig und zukunftssicher machen?

Herr Schünemann, der Zukunftsvertrag wird sich erst beweisen müssen.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: So ist es!)

Ich glaube nicht, dass er eine durchschlagende Lösung bringen wird. Vielleicht ist er nicht in Bausch und Bogen zu verurteilen - das will ich gar nicht machen -, aber wir sind erst ganz am Anfang. Bei diesem Vertrag stellen sich tatsächlich erst einmal noch sehr viele Fragen. So richtig deutlich wird ja nicht, wohin man will. Sie wissen z. B. noch gar nicht, was Sie kommunalisieren sollen. Vor allen Dingen wissen wir gar nicht, wie viele sich überhaupt zu entsprechenden Fusionsdebatten bereit erklären werden. Sie arbeiten jetzt mit einem Anreizmodell. Aber wie viele Kommunen auf diesen Anreiz eingehen werden, wissen Sie natürlich nicht. Herr Jüttner hat die entscheidende Frage gestellt: Was machen Sie mit Problemregionen, die schon heute total abgehängt sind und die sich nicht bereit erklären? - Genau diesen Sachstand hat Herr Jüttner ja dargestellt. Uelzen und LüchowDannenberg z. B. haben gesagt: Wir nehmen nicht einmal das Gutachten des Landes in Anspruch. - Die haben schon abgelehnt, sich das Gutachten des Landes bezahlen zu lassen und zu gucken, ob überhaupt eine Fusionsrendite möglich ist. In Niedersachsen haben wir mittlerweise mehrere Regionen, in denen Kommunen gesagt haben, sie wollen keine Fusionen. Dort sind die entsprechenden Vorhaben also schon komplett gescheitert. Deswegen ist es, glaube ich, sinnvoll, die Resettaste zu drücken und noch einmal auf null zu gehen und im Landtag zu sagen, wo wir momentan stehen und was insgesamt nötig ist.

Natürlich hat die SPD keine Lösung. Auch die Grünen haben keine Lösung, wie die kommunale Landschaft, die Gebietskulisse in zehn oder zwanzig Jahren aussehen soll. Auch Sie haben sie nicht. Deswegen macht eine Enquetekommission bei der einen oder anderen Frage vielleicht schon Sinn.

(Zustimmung von Enno Hagenah [GRÜNE])

Zehn Großkreise - das kann es auch nicht sein. Das ist, glaube ich, klar. In der ersten Debatte, die wir hier geführt haben, war ich auch etwas skeptisch, weil man natürlich weiß, dass Enquetekommissionen vielleicht sehr viel Sinnvolles und Interessantes produzieren, dass wir aber am Ende entscheiden müssen. Wenn wir lange und intensiv tagen und ein schöner Bericht geschrieben wird, aber nichts davon umgesetzt wird, macht das natürlich keinen Sinn.

(Glocke der Präsidentin)

In Teilen haben wir gar kein Erkenntnisdefizit, sondern ein politisches Handlungsdefizit.

Wir müssen selbstkritisch feststellen: Richtig viel bewegt sich momentan bei dem Thema Gebietsreform nicht. Das ist natürlich auch dem Umstand geschuldet, dass Sie sich die entsprechenden Gerichtsentscheide des Staatsgerichtshof und des Bundesverfassungsgerichts in diesen Fragen angeschaut haben. Da muss man ehrlich feststellen, dass das Thema Gebietsreform ein verfassungsrechtlich sehr schwieriges Thema ist.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: So ist es! Sehr richtig!)

Sie haben es in Lüchow-Dannenberg ja selber einmal mit einer kleinen Reform versucht. Da hat der Staatsgerichtshof gesagt: Liebes Land, du kannst natürlich etwas machen, aber ich gebe dir sehr strenge Darlegungsvorschriften als Auftrag mit, wenn du etwas hochzonen willst.

(Glocke der Präsidentin)

Diese Aufgabe, die der Staatsgerichtshof Ihnen ins Stammbuch geschrieben hat, ist sehr schwierig.

Weil das alles verfassungsrechtlich usw. ziemlich vertrackt ist, macht es doch Sinn, einmal eine Sachverständigenkommission an den Tisch zu holen, um das gesamte Thema von allen Seiten zu beleuchten und dann vielleicht doch gemeinsam, konsensual eine Lösung zu erarbeiten.

Einen letzten Satz gestatte ich Ihnen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Das ist mein letzter Satz: Wenn wir ehrlich sind, dann gibt es gar nicht so starke parteipolitische Differenzen, sondern die Diskussion geht quer durch alle Reihen, Herr Biallas. Es gibt einen CDU-Oberbürgermeister in Braunschweig, der sagt: Ich möchte eine stärkere Region in meiner Gegend haben.

(Heiner Bartling [SPD]: Letzter Satz!)

- Der allerletzte Satz, Frau Präsidentin.

Nein, es tut mir leid. Ich hatte Ihnen so viele Chancen gegeben. Das Mikrofon habe ich schon abgestellt, Herr Briese. Sie hatten den Zwischenruf gar nicht gehört, als Sie Ihren letzten Satz mit einem Punkt angefangen haben, der schon gesetzt war. Ich habe dort Spiegelstriche gehört. Herzlichen Dank, Herr Briese.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Adler, Sie haben das Wort für die Fraktion DIE LINKE.