Protocol of the Session on December 15, 2009

Kolleginnen und Kollegen, Ihr Bemühen, Energieland Nummer eins zu werden, scheitert jetzt Stück für Stück. Warum? - Weil Sie in Berlin mit Ihren Kollegen und Ihrem Versprechen, Sie würden die Laufzeiten der alten Meiler beliebig verlängern, zahlreiche Neuinvestitionen überflüssig gemacht haben.

(Beifall bei der SPD)

Für alle Anbieter von regenerativen Energien bedeutet Ihre Entscheidung aber auch, dass sie keine Planungsgrundlage haben. Das ist kein Kon

zept. Kolleginnen und Kollegen, Sie haben keine Ahnung und damit auch keine Zukunft.

(Beifall bei der SPD)

Gleiches gilt bei Ihnen auch für den Hochwasserschutz. Was als Klimafolge für die Deichsicherheit gilt, sollte auch im Binnenland gelten. Unsere Kommunen sind in dieser Hinsicht finanziell massiv überfordert. Hier sollten Sie einen großen Schritt nach vorne tun, indem Sie ein integriertes Programm auf den Weg bringen und es vor allem finanziell dauerhaft unterstützen.

Kolleginnen und Kollegen, zu unserer Forderung, die Verbundforschung im Bereich der ionisierenden Strahlung in Niedersachsen zu etablieren, möchte ich Ihnen Folgendes sagen: In der Asse sind Mitarbeiter schwer erkrankt, ohne dass Sie oder sonst jemand ihnen bei der Bewältigung der Folgen ihrer Erkrankung oder gar bei der Anerkennung als Berufserkrankte geholfen hätten. Das ist zutiefst beschämend.

(Zustimmung bei der SPD)

Im Umfeld von Atomkraftwerken erkranken kleine Kinder an Leukämie, gerade auch in Niedersachsen. Die Ursache ist bis heute nicht geklärt. Was aber tut Ihr zuständiger Umweltminister? - Er trumpft im Asse-Untersuchungsausschuss erst einmal richtig auf und stellt dar, wie er die Asse eigentlich gerettet hätte. Er wusste zwar von nichts, aber gekümmert hat er sich immerhin, so sagt er. Das sagt er, obwohl er der oberste Atomaufseher in diesem Land ist. Das hat ihn allerdings nie wirklich bekümmert. Dass es seine Aufgabe gewesen wäre, die Missstände in der Asse im Rahmen seiner Tätigkeit zu entdecken, aufzudecken und aufzuarbeiten, sagt er leider nie.

Kolleginnen und Kollegen, es geht um die Gefährdung von Menschen. Daher brauchen wir interdisziplinäre Forschung, die sich mit den Folgen dieser unheiligen Technik befasst. Auch die von Ihnen als schwach bezeichnete Strahlung kann, wenn man ihr auf Dauer ausgesetzt ist, verheerende Folgen haben. Hierüber gibt es kaum Erkenntnisse in Deutschland. Gerade in Niedersachsen, wo Tausende von Tonnen schwach, mittel- und hoch radioaktiver Müll auf den Höfen der Atomkraftwerke in Gorleben oder eben auch in der Asse lagern, ist es wichtig, dass wir die Auswirkungen der von dort ausgehenden Emissionen kennen. Wir fordern Sie daher mit Nachdruck auf, die Strahlenforschung in Niedersachsen mit der notwendigen finanziellen Unterstützung interdisziplinär aufzubauen.

Verehrte Damen und Herren von CDU und FDP, der von Ihnen vorgelegte Umwelthaushalt stellt keine Zukunftsperspektive dar. Von daher werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich erteile dem Kollegen Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Umweltminister, diese Tage und Wochen stehen im Zeichen der Konferenz von Kopenhagen, einem Ereignis, wie es wohl nie zuvor stattgefunden hat. 192 Staaten dieser Erde unterhalten sich mehr als zwei Wochen lang über die Frage, wie wir den Klimaschutz vorantreiben und ein globales Regime zum Klimaschutz finden können.

Eines ist klar: Wir brauchen globale Verabredungen, aber wir brauchen vor allen Dingen Selbstverpflichtungen bis hinunter in jedes einzelne Gemeinwesen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das gilt an vorderster Stelle auch für eine Gebietskörperschaft wie das Land Niedersachsen. Es reicht nicht, Herr Minister Sander, wenn Sie einen Beschluss der Umweltministerkonferenz unterstützen, der besagt, die Klimaziele der Bundesregierung seien gut, aber nicht zugleich auch sagen: Ja, wir nehmen diese Aufgabe als ganz zentrale Herausforderung an und werden alles tun, um diese Ziele auch in unserem ureigensten Verantwortungsbereich hier in Niedersachsen unmittelbar umzusetzen.

Wir werden diese engagierten Klimaziele nicht erreichen, wenn wir, wie Sie hier heute Morgen erklärt haben, erst 2012 zu einer Klimastrategie kommen. Dann sind schon drei Jahre der Zeit vergangen, die uns bis 2020 noch bleibt.

Meine Damen und Herren, diese Selbstverpflichtung und eine wirklich engagierte Herangehensweise an dieses Thema sind die Kernpunkte. Wir erleben immer wieder, dass auf den globalen Konferenzen nur das beschlossen wird, was vorher an der Basis durch die Menschen vor Ort im alltäglichen Leben machbar gemacht wurde, was Menschen durch ihr unmittelbares Handeln erreicht haben: durch Investitionen in Solarenergie, in Blockheizkraftwerke, in Windkraft, in Bioenergie

dörfer und viele andere Maßnahmen, die Sie kennen.

Im Haushalt finden wir leider keine Zeichen für ein engagiertes Vorgehen. Bei den etwas größeren Summen handelt es sich nur um Durchleitungsposten, etwa aus dem EFRE-Bereich oder aus dem Konjunkturpaket II. Dort, wo eigenes Landesgeld angefasst wird, geht es nur um sehr geringe Summen, und Ihre Sparhaushaltsstelle wird jetzt auch noch ein wenig umverteilt auf mehrere andere Haushaltsstellen.

Mir fehlt das, was ich von einem Umweltminister in dieser Zeit erwarte, Herr Sander, dass nämlich richtig kraftvoll ein Plan angepackt und hier im Parlament auch um die richtigen Maßnahmen, um das, was jetzt getan werden muss, gestritten und gerungen wird.

Sie sagen, Ihre Kommission arbeitet. Leider arbeitet sie im Verborgenen und nicht in öffentlichen Sitzungen mit öffentlichen Diskussionen. Eine solche Debatte gehört aber hier ins Parlament.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Stattdessen bringen Sie auch noch kontraproduktive Maßnahmen auf den Weg. Sie sagten hier heute Morgen, dass Sie selber keine Kohlekraftwerke bauen. Das hatten wir auch nicht unterstellt, Herr Minister Sander. Aber Sie unterstützen und fördern als Land aus verschiedenen Töpfen den Bau von Kohlekraftwerken. Sie bringen damit Projekte auf den Weg, die aus meiner Sicht kontraproduktiv sind.

(David McAllister [CDU]: In Borkum?)

Sie als Landesregierung fördern den Neubau von Autobahnen oder den massenhaften Ausbau industrieller Tierhaltung - alles Dinge, die wir vor dem Hintergrund dessen, was uns erwartet, überdenken müssen. Wir werden unsere Art zu leben und zu wirtschaften ganz energisch auf den Prüfstand stellen müssen. An ganz vielen Stellen werden Veränderungen notwendig sein. Das muss nicht zum Schlechten sein, in vielen Bereichen wird auch ein Gewinn an Lebensqualität die Folge sein. Fakt ist aber: Die Welt hat ein globales Bewusstsein dafür entwickelt, dass wir nicht so weitermachen können wie bisher.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie sagen nun, Herr Sander: Alles, was wir hier tun, ist egal; wir haben ja das Emissionshandelssystem, ein marktwirtschaftliches Instrumentarium.

- Wenn es dabei um marktwirtschaftliche Ansätze geht, müsste die FDP doch eigentlich mitziehen. Aber leider wieder Fehlanzeige.

(David McAllister [CDU] hält ein Foto- handy hoch.)

- Herr McAllister dreht gerade ein Video, oder wie soll ich das verstehen?

(David McAllister [CDU]: Ich habe ge- rade ein Foto geschossen! - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Er twittert! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das stellt er ins Netz; da kannst du sicher sein!)

Fehlanzeige bei der FDP leider auch dann, wenn es um marktwirtschaftliche Instrumente geht.

Meine Damen und Herren, die FDP will energieintensive Branchen langfristig vollständig freistellen. Sie wollen gerade diejenigen, die getroffen werden sollen, die sich stärker für den Klimaschutz engagieren sollen, aus dem ETS-System herausnehmen. Hocheffiziente industrielle Energieerzeugungsanlagen wollen Sie langfristig ebenfalls vollständig kostenfrei stellen. Ich weiß gar nicht, wer Ihrer Meinung nach überhaupt noch im Emissionshandelssystem verbleiben soll. Das System wird löcherig wie ein Schweizer Käse, und es wird am Ende nicht funktionieren. Das ist bedrohlich, meine Damen und Herren.

Bei den Förderprogrammen gibt es Peanuts aus dem Landeshaushalt, das Erneuerbare-EnergienGesetz stellen Sie infrage, beim Emissionshandelssystem propagieren Sie Maßnahmen, die die Wirkung neutralisieren. Auch in der Ordnungspolitik - man könnte beispielsweise Effizienzgrenzen oder Laufzeitbeschränkungen für nicht ausreichend effiziente Anlagen vorschreiben - ist Fehlanzeige, und Sie verweigern die zeitnahe Vorlage eines eigenen Konzepts hier im Landtag.

Stattdessen propagieren Sie Atomkraft mit dauerhaften Subventionen auf hohem Niveau, hingegen keine Degression bei den Subventionen wie bei den erneuerbaren Energien. Gleichzeitig räumen Sie den Konzernen Sicherheitsrabatte ein, verweigern die Übernahme und eine verbindliche Einführung der neuen Sicherheitsrichtlinien und setzen stattdessen auf eine Anwendung auf Probe. Wer hätte das gedacht, meine Damen und Herren? Das ist doch tatsächlich ein Witz. Man kann im Atomkraftwerk doch keine Sicherheitsrichtlinien auf Probe anwenden! Schließlich wollen Sie noch die Laufzeiten verlängern und sich diese Verlängerung auch noch abkaufen lassen.

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir wollen Sicherheit statt Knete. An dieser Stelle Geschäfte zu machen, ist meines Erachtens absolut unverantwortlich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ausgerechnet die ältesten und unsichersten Atomkraftwerke würden dann länger laufen. Die Verunsicherung, die Sie damit in den Markt tragen, Herr Sander, ist eine wahre Wachstumsbremse für Investitionen in erneuerbare Energien und in Effizienztechnologie.

Meine Damen und Herren, Umwelt und Naturschutz waren lange Mauerblümchen, aber das hat sich geändert. Heute zählen Umwelt und Naturschutz zu den knallharten wirtschaftspolitischen Themen und stellen eine zentrale Zukunftsfrage dar, die mit unseren Lebensgrundlagen und mit der Frage, wie unsere Kinder künftig leben können, zu tun hat.

Ökologie und Ökonomie haben denselben Ursprung, denselben Wortstamm: Oikos, das gemeinsame Haus, so heißt das in der Bibel. Das hat der Umweltminister bis heute nicht im Blick, leider mit fatalen Folgen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Klimawandel und die Verschiebung der Klimazonen drohen den schon dramatischen Artenschwund noch zu beschleunigen. Keiner soll glauben, die einzelne Art, die man nicht immer so im Blick hat, spiele am Ende keine Rolle. Die Vielfalt der Natur ist am Ende unser aller Lebensversicherung, der Garant für unsere Lebensgrundlagen. Albert Einstein hat einmal gesagt: „Wenn die Biene stirbt, dann hat der Mensch noch drei bis vier Jahre zu leben.“ Dieser Satz hebt die Bedeutung auch einer einzelnen Art in besonderer Weise hervor und macht deutlich, dass es eben nicht egal ist, ob wir uns um die Artenvielfalt kümmern oder nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei Ihnen, Herr Umweltminister Sander, sind der Klimaschutz und die Energiepolitik und auch der Naturschutz nicht gut aufgehoben. Ihr Haushalt ist ein Dokument für mangelndes und falsches Engagement. Deshalb werden wir diesen Teilhaushalt genauso wie den Gesamthaushalt ablehnen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile dem Kollegen Bäumer von der CDUFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im letzten Jahr habe ich am Ende meiner Haushaltsrede gesagt: Die Natur braucht uns nicht, aber wir brauchen die Natur. - Ich will die Sammlung der Zitate um ein weiteres ergänzen: Alles Natürliche ist einfach, billig und leise. - Sie kennen das schon, meine sehr geehrten Damen und Herren. Aber das, was Herr Wenzel hier vorhin vorgetragen hat, war weder leise noch natürlich; es war unnatürlich. Herr Wenzel, ich hätte erwartet, dass Sie auf die Haushaltsanträge Ihrer Fraktion eingehen. Das sind aber wahrscheinlich so viele, dass Sie das gar nicht mehr konnten.

(Clemens Große Macke [CDU]: Und die waren nicht gut!)