Ich komme zum Schluss. Die Landesregierung muss im Bundesrat den Regierungsentwurf ablehnen. Sie soll sich im Bundesrat gleichzeitig für eine Korrektur der Berechnungsformel einsetzen. Sie kann bei alledem zwischenzeitlich auf Unterstützung anderer Landesregierungen zählen, wie die Beratung im federführenden Sozialausschuss des Bundesrates Ende Oktober zu einem entsprechenden Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen zeigt.
Wegen der Dringlichkeit und wegen der Beratungen, die in den nächsten Wochen im Bundestag beginnen, beantragen wir sofortige Abstimmung über unseren vorliegenden Antrag.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin einigermaßen erstaunt darüber, dass der Kommunalminister dieser Landesregierung an dieser für die Kommunen nicht unerheblichen Debatte überhaupt nicht teilnehmen möchte.
Das, was Frau Weisser-Roelle hier soeben vorgetragen hat, ist ja richtig; denn eigentlich war mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe auch das Ziel verbunden, die Kommunen um 2,5 Milliarden Euro zu entlasten. Der damalige Deal war: Der Bund beteiligt sich an den Leistungen der Kommunen für Unterkunft und Heizung im SGB II, die Länder geben die zusammenlegungsbedingten Einsparungen dann an die Kommunen weiter. Das sollten 2,5 Milliarden Euro sein. Davon nehmen die Kommunen 1,5 Milliarden Euro und bauen die Tagesbetreuungseinrichtungen für unter Dreijährige aus. So weit die damalige Verabredung.
Dann hatten sich Bund und Länder auf eine bestimmte Quote geeinigt. 2006 einigte man sich auf 31,2 % mit der großen Ausnahme - auch das ist aus meiner Sicht schon ein schmutziges Geschäft -, nämlich dass Rheinland-Pfalz eine Quote von 41,2 % und Baden-Württemberg eine Quote von 35,2 % und beide damit mehr als der Bundesdurchschnitt bekamen. Diesen seltsamen, schäbigen Kompromiss hat schon damals im Grunde genommen niemand begriffen.
Das, was jetzt passiert, ist natürlich wirklich schwierig und kostet die Kommunen richtig viel Geld; denn diese Kostenverteilung ist weder fair noch an den tatsächlichen Belastungen orientiert. Durch die Anpassungsformel, über die Frau Weisser-Roelle gesprochen hat, sinkt die Bundesbeteiligung laufend ab; denn es geht nur um die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften. Die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften aber ist keine wirklich passende Größe; denn es kommt auch darauf an, wie viele Menschen in diesen Bedarfsgemeinschaften leben. Deshalb soll sich die Berechnung zwar an den Personen orientieren, aber auch die Heizkostenentwicklung einbeziehen und berücksichtigen, wie viele Aufstocker es gibt; denn die Aufstocker
sind eine wichtige Größe. Die steigende Zahl der Haushalte, die aufstocken, belastet die Bundesbeteiligung erheblich.
Es gab ein weiteres großes Verhandlungspaket zwischen Bund und Ländern. Darin ging es darum, einen Deal auszuhandeln, der darin bestand, dass der Bund seine Zahlungen für die Grundsicherung im Alter aufstockt und er im Gegenzug die bestehende Berechnungsformel beibehalten kann. Eigentlich sollte es hierfür eine Revision gegeben haben. Es hat also noch einen zweiten sozusagen schmutzigen Deal gegeben, der sich mit den Worten zusammenfassen lässt: Ihr dürft diese falsche Formel weiter beibehalten. Dafür machen wir etwas im Bereich der Grundsicherung. - Ich meine, dass sich die Länder bei diesem Deal zulasten der Kommunen im Grunde genommen haben über den Tisch ziehen lassen. Die Kommunen werden - das ist auch schon vorgetragen worden - im nächsten Jahr bis zu 2 Milliarden Euro weniger haben. Die Finanzlage der Kommunen ist ohnehin schon dramatisch.
Deswegen muss dieser Gesetzentwurf jetzt abgelehnt werden. Das muss sofort gestoppt und neu verhandelt werden. Wir unterstützen daher den Antrag der Linken.
Allerdings muss man noch ein bisschen weitergehen: Die Sonderquoten für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz müssen aufgehoben werden. Dieses Geld muss in den Gesamttopf gehen; dann wird es nämlich für alle mehr. Eine wirkliche Entlastung der Kommunen bekommen wir vor allen Dingen durch die Einführung von Mindestlöhnen und durch die Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge für kleine und mittlere Einkommen.
Letzter Satz: Dann wären tatsächlich weniger Menschen auf ergänzende Hartz-IV-Leistungen angewiesen, und die Zahl der Bedarfsempfänger würde sinken. Das wäre auch gut für die Kommunen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht schon wieder kurz, diesmal sogar noch kürzer, weil ohne Bibelzitat.
Wir haben in der Überschrift des Antrags ein Gesetz mit einem wunderbaren Titel, wie es ihn nur in der etwas gereifteren Phase einer Republik geben kann, nämlich ein „Sechstes Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch“.
Alleine der Titel dieses Änderungsgesetzes verweist uns darauf, dass da ein Verfahren im Gange ist, das offenbar schon einige Male durchgeführt wurde. Man könnte auch feststellen: Es ist so etwas wie Business as usual. Seinerzeit haben sich nämlich in nächtelangen Sitzungen zwischen Bundesrat und Bundestag die Einigungsgremien darauf verständigt, einen Mechanismus einzuführen, der hier schon umrissen wurde: die Kommunen - hehres Ziel - um 2,5 Milliarden Euro zu entlasten.
Das ist ein wichtiges Ziel, das von der FDP vollkommen unterstützt wird. Ob das Mittel, das dort gefunden wurde, das richtige ist, darüber darf man allerdings nachdenken. Die Mängel sind hier von verschiedenen Rednerinnen und Rednern schon einigermaßen angedeutet worden.
So allerdings, wie die Linken es wollen, geht es natürlich wieder einmal nicht. Wenn man sich den Satz auf der Zunge zergehen lässt, „Die Berechnungsformel soll sich ab sofort an den tatsächlichen Unterkunftskosten orientieren.“, dann sehe ich schon wieder Behörden aufgebaut, die die tatsächlichen Unterkunftskosten zusammenrechnen. Das ist ein sehr bürokratisches und aufwendiges Verfahren. In dieser Form wird es nicht gehen.
Wir besprechen hier ein streitbefangenes Verfahren, das zu einer Entlastung der Kommunen führt. Da werden auch Änderungen in den Blick genommen werden müssen. Insofern freue ich mich auf die Diskussion dieses Antrags in den Ausschüssen. Zur sofortigen Abstimmung ist er nicht reif.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Riese, nach dem gestrigen Beitrag von Herrn Oetjen zeigt auch dieser Beitrag wieder Ihre völlige Kälte gegenüber den Problemen der Kommunen. Darauf spitzte sich gerade Ihr letzter Satz zu.
Frau Helmhold hat das ja noch einmal ausgeführt. Wenn dieses Gesetz so durchgeht, entziehen Sie den niedersächsischen Kommunen wieder zweistellige Millionensummen, und Sie stehen daneben und sagen, das sei noch nicht ausgereift, das sollten wir nicht heute beschließen, Sie freuen sich auf die Beratungen in den Ausschüssen. - Das ist so sehr jenseits der kommunalen Wirklichkeit, was Sie hier abgeliefert haben, dass es einen wirklich schaudern lässt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Sohn, ich nehme an, in diesem Augenblick schaudert es Herrn Dr. Articus, weil die Interessen, die er als guter Vertreter der Kommunen in Deutschland formuliert, hier nun ausgerechnet von den Linken vertreten werden. Es ist natürlich die Aufgabe auch eines kommunalen Spitzenvertreters, seine Perspektive in glühenden Farben zu schildern. Gleichwohl sehe ich mich hier gegenwärtig noch nicht in der Lage, all das zu bestätigen, was Herr Dr. Articus in seine Pressemitteilung hineinschreibt. Die Berechnungsmodelle möchte ich erst einmal sorgfältig diskutiert haben.
Die Dinge müssen zur richtigen Zeit und in der richtigen Geschwindigkeit getan werden. Eine sofortige Abstimmung über diesen Antrag wäre da nicht das richtige Mittel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben heute eine Situation mit Seltenheitswert: Der Landtag berät in erster Lesung einen Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Neuverhandlung der Verteilung von Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose, in dessen Inhalt und Aussage auch wir als CDU-Fraktion uns wiederfinden können;
denn dieser Antrag entspricht nicht nur Positionen, für die sich das Land Niedersachsen in der Vergangenheit ohnehin stark gemacht hat, sondern er deckt sich inhaltlich auch mit den Forderungen der kommunalen Spitzenverbände.
Schon seit der Einführung von SGB II und SGB XII setzt sich das Land Niedersachsen für eine Entlastung der Kommunen ein, eine tatsächliche und greifbare Entlastung, die nicht nur auf dem Papier steht, sondern die tatsächlich in die Kassen der Kommunen fließt.
Gerade wir im Flächenland Niedersachsen mit unserem engen Draht zu unseren Kolleginnen und Kollegen in den Kommunen wissen, dass diese eine solche Entlastung dringend brauchen.
In diesem Sinne hat sich das Land Niedersachsen in Berlin stets geäußert. In diesem Sinne hat sich auch unser Ministerpräsident von Anfang an konsequent in die Verhandlungen eingebracht und erst kürzlich die niedersächsische Position gegenüber der Bundeskanzlerin dargelegt.
Herr Kollege, warten Sie bitte einen Moment! - Meine Damen und Herren, leider wird es zum Ende der Plenarsitzung immer lauter. - Danke schön.