Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im April habe ich Ihnen hier erklärt: Bei uns geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Wir werden im Mai einen entsprechenden Gesetzentwurf einbringen.
Wir schreiben jetzt den 7. Mai. Die Regierungsfraktionen haben heute, wie angekündigt, auch ein geschlossenes Konzept eingebracht.
Wir haben nicht einfach, wie es die Oppositionsfraktionen hier vorschlagen, zwei Sätze aus dem Schulgesetz gestrichen, sondern einen Entwurf vorgelegt, der die Auswirkungen der gesetzlichen Änderungen umfassend und ausgewogen bewertet und berücksichtigt, wie sich das Ganze für das gesamte Schulsystem in Niedersachsen entwickeln könnte.
Nach meiner Meinung sind wir das allen an diesem System Beteiligten schuldig - den Schülerinnen und Schülern, den Eltern, den Lehrern und den Schulträgern vor Ort.
Das gegliederte Schulwesen als Regelform des allgemeinbildenden Schulwesens ist die richtige Antwort auf das unterschiedliche Leistungsvermögen von Schülerinnen und Schülern sowie auf den künftigen gesellschaftlichen Bedarf nach qualitativ hochwertigen Schulabschlüssen.
Mit uns bleibt Niedersachsen das Land des gegliederten Schulwesens. Wir wollen, dass alle Schulen besser werden - von der Grundschule bis zur weiterführenden Schule. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren viel zur Stärkung der Schulen getan, insbesondere auch zur Profilierung der Hauptschulen. Wir haben im Einvernehmen mit den Schulträgern neue Schulstandorte in der Fläche geschaffen. Alle neuen Schulstandorte werden von Schülerinnen und Schülern stark nachgefragt.
Wir haben die Verlässliche Grundschule weiter ausgebaut. Wir haben die Zahl der Ganztagsschulen in diesem Jahr auf mehr als 670 erhöht und damit das Angebot seit unserem Regierungsantritt vervielfacht.
Wir haben die Hauptschulen nachhaltig gestärkt. Wir haben die Klassenobergrenzen von 28 auf 26 gesenkt.
Wir haben die Hauptschulen mit Schulsozialarbeiterstellen versorgt. Wir haben die Berufsorientierung der Hauptschulen intensiviert. Wir haben die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schulformen
deutlich verbessert. Das alles haben wir schulgesetzlich verankert. Diesen Prozess werden wir fortsetzen.
Zweitens. Deshalb können wir Gesamtschulen ergänzend - nicht ersetzend - zum gegliederten Schulsystem zulassen. Daher können sie auch errichtet werden.
Dabei berücksichtigen wir den Elternwillen, und zwar umfassend. Meine Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, wenn Sie heute hier ein Plädoyer für den uneingeschränkten Elternwillen halten, so klingt das für mich wenig glaubhaft.
Denn Sie betrachten den Elternwillen nur eingeschränkt. Sie sehen den Elternwillen einseitig mit Blick auf die Gesamtschulen. Damit reklamieren Sie nur den Teil des Elternwillens, der Ihnen in Ihr politisches System passt.
Die Landesregierung und die Regierungsfraktionen betrachten den Willen der Eltern umfassend. Der vorliegende Gesetzentwurf berücksichtigt deshalb sowohl den Willen der Eltern, die ihr Kind auf eine Gesamtschule schicken möchten, als auch den Willen der Eltern - und das ist in unserem Lande der weitaus größere Teil -,
die ihr Kind auf eine Schule des gegliederten Schulwesens schicken wollen. Dies soll und wird weiterhin möglich sein.
Wir betrachten bei der Errichtung von Gesamtschulen das Konnexitätsprinzip und setzen vor allem auf die Entscheidungskompetenz des Schulträgers. Der Schulträger muss willens und in der Lage sein, eine Gesamtschule zu errichten und diese auch tragen zu können. Sie sind offenbar bereit, auch gegen den Willen und das Leistungsvermögen des Schulträgers eine Gemeinschaftschule durchzusetzen. Wir wollen das nicht - nicht nur, weil es ökonomisch unredlich ist, sondern auch, weil es dann letztlich tatsächlich gegen eine Gesamtschule geht.
Meine Damen und Herren, was ist das für eine Situation, wenn der kommunale Träger aufgrund der Bedürfnisfeststellung gegen seinen Willen gezwungen wird, eine Gesamtschule einzurichten? Eine vertrauensvolle und effektive Zusammen
Ich fasse zusammen: Der Elternwille und der Wille des Schulträgers sind für die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen die maßgebenden Entscheidungskriterien für die Errichtung einer neuen Gesamtschule. Gesamtschulen können ergänzend und nicht ersetzend in diesem Land eingerichtet werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der heute Abend noch zu beratende Gesetzentwurf zur Novellierung des Niedersächsischen Schulgesetzes, darin versteckt die Lockerung des Gesamtschulgründungsverbotes, zeigt deutlich: Die Regierungskoalition will keine Gesamtschulen! - Dieser Gesetzentwurf wird Gesamtschulen nicht neu ermöglichen, sondern an vielen Orten verhindern, und ist ein Schlag ins Gesicht der vielen Gesamtschulinitiativen in Niedersachsen.
Ich habe mich schon in der letzten Plenarsitzung gefragt, warum Sie sich so vehement gegen die Gründung von Gesamtschulen wehren. Wir haben von Anfang an deutlich gemacht: Wir wollen die Integrierte Gesamtschule nicht als ergänzende Schulform, sondern als Regelschule perspektivisch für alle Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen. Wir wollen eine flächendeckende Versorgung. Das steht auch in unserem Wahlprogramm. Daraus haben wir nie ein Hehl gemacht.
Sie, die Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, wollen das gegliederte Schulsystem zementieren. Wir sprechen bewusst von einem selektiven Schulsystem, weil es Kinder entsprechend ihrer sozialen Herkunft ausgrenzt oder nicht.
Seit ich wieder in der Diskussion um die Gesamtschule bin, fühle ich mich fast an die 80er-Jahre erinnert, als ich am Ende meines Referendariats war. Auch damals wurde um die Gesamtschule heftig gestritten. Die Befürworter sahen in Gesamtschulen die bessere Schule, die Schule, in der alle Kinder entsprechend ihren Begabungen und Neigungen gleichberechtigt lernen können.
Sie wollten und wollen ein Bildungssystem, in dem es nicht nur Schulabschlüsse erster, zweiter und dritter Klasse gibt. Bei den Gegnern suchte ich schon damals pädagogische Argumente. Letztendlich ging es den Gegnern schon damals darum, ihr elitäres Ausgrenzungs- und Abgrenzungsbedürfnis auch über das Bildungssystem zu zementieren.
Niemand konnte auch damals wirklich die Qualität der Gesamtschule infrage stellen. Jetzt stehen Sie allerdings vor der Situation, dass Ihr gegliedertes Schulsystem zu zerbrechen droht: Die Hauptschule stirbt. Die Entwicklung der Schülerinnen- und Schülerzahlen fordert oft geradezu die Zusammenlegung von verschiedenen ansässigen Schulformen, gegebenenfalls unter Einbeziehung von Gymnasien. Denn das Ziel aller sollte doch sein, allen Kindern eine gezielte Bildung von der ersten Klasse bis zum Abitur zu ermöglichen - ohne Ausgrenzung und Benachteiligung.