Protocol of the Session on May 7, 2008

Meine Damen und Herren, Sie haben Ihre Reden gestern geschrieben. Sie waren nicht in der Lage, sie eben noch umzuschreiben, Herr Poppe. Das ist, glaube ich, ganz deutlich geworden. Sie hätten sie umschreiben sollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Hinblick auf die Arbeitszeitkonten hätte ich mir auf Ihrer Seite ein bisschen mehr Kleinmut gewünscht. Auch das sage ich in aller Deutlichkeit. Die Erblast, vor der wir hier stehen, haben wir von Ihnen übernommen. Die Arbeitszeitkonten sind 1998 durch Frau Jürgens-Pieper, durch die SPDLandesregierung, eingerichtet worden. Wir lassen Sie jetzt nicht aus der Verantwortung heraus. Sie machen sich hier einen schlanken Fuß.

(Heiner Bartling [SPD] lacht)

- Sie lachen, Herr Bartling. Sie waren damals mit im Kabinett. Sie haben mitgestimmt, Herr Bartling. Sie haben die Arbeitszeitkonten eingeführt - um es einmal ganz klar zu sagen -, weil Sie sich bezüglich der Unterrichtsversorgung in einer Notsituation befunden haben. Das war die Realität. Wir haben hier 1997 und 1998 gesessen und haben uns das Chaos bei der Unterrichtsentwicklung angeguckt. Es war ein Chaos. Sie hatten in Ihrer Not keine andere Möglichkeit, als die Pflichtarbeitszeit für die Lehrkräfte zu erhöhen. Das ist die Wahrheit. Das ist 1998 geschehen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das war eine Nötigung gegenüber den Lehrern. Es gab bessere Möglichkeiten. Sie hätten damals Lehrer einstellen können, weil Lehrkräfte auf dem Markt zu haben waren. Heute aber sind sie nicht mehr auf dem Markt zu haben. Das genau ist der Unterschied zwischen der damaligen und der heutigen Situation.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage es noch einmal, Herr Poppe: Vor diesem Hintergrund war Ihre Rede nicht nur unredlich, sondern anmaßend,

(Beifall bei der CDU)

weil Sie kein einziges Wort zu Ihrer Verantwortung gesagt haben, weil Sie hier keinen einzigen Lösungsvorschlag unterbreitet haben. Die Lehrereinstellungspolitik bis zum Jahr 2003 wirkt heute noch nach. Das wissen Sie doch. Damals sind die Leute aus Niedersachsen abgewandert, weil es hier für sie keine Perspektiven gab. Es sind auch Lehrkräfte für Mangelfächer abgewandert. Die bräuchten wir heute. Sie sind heute aber in Hessen oder in Nordrhein-Westfalen, weil Sie damals keine Perspektiven geschaffen haben. Auch das ist die Wahrheit. Bekennen Sie sich doch zu dieser Verantwortung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, damit auch das klar ist: Wir reden hier auch über unsere Verantwortung.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Jetzt kommt es!)

Die Ministerin hat das sehr deutlich gesagt. Es ist überhaupt keine Frage. Das gehört einfach dazu. Wenn eine Regierung die Vorgängerregierung ablöst, dann ist sie in den Verträgen natürlich verhaftet. Was die Ministerin hier vorgestellt hat, ist meiner Meinung nach genau der richtige Weg. Viel

besser kann man es gar nicht machen. Aber keine Würdigung Ihrerseits.

Meine Damen und Herren, jetzt der Casus knacksus: Die Situation hat sich gegenüber 1998 ganz deutlich verändert. Die Lehrer sind in der erforderlichen Größenordnung einfach nicht mehr auf dem Markt. Darüber reden wir doch immer gemeinsam. Sie müssen das auch einmal anerkennen. Sie sind nicht da. Deshalb musste diese besondere Regelung gefunden werden. Auch heute kann immer noch nicht abgeschätzt werden, ob alle Stunden mit neuen Lehrkräften abgedeckt werden können. Unterrichtsausfall wäre aber das Schlechteste, was wir uns vorstellen können.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb brauchen wir dieses differenzierte Angebot an die Lehrerinnen und Lehrer.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Herr Försterling hat es gesagt: Hier ist ein ganz normales Erlassverfahren - Anhörung, Auswertung der Anhörung und Unterbreitung eines guten Vorschlags - durchgeführt worden. Genau das ist der richtige und auch verlässliche Weg.

Meine Damen und Herren, für die Rückerstattung der aufgearbeiteten Stunden stehen den Lehrern jetzt vier Optionen zur Verfügung. Ich stelle dazu fest - die Ministerin hat die einzelnen Optionen vorgestellt -, dieses Angebot ist wesentlich besser als das der Landesregierung von 1998.

(Beifall bei der CDU)

Die Lehrkräfte können jetzt unter mehreren Möglichkeiten wählen. Jede Lehrkraft kann entsprechend ihrer Berufs- und Lebensplanung flexibel reagieren. Ich stelle darüber hinaus fest - auch das ist wichtig; das ist von allen Rednern angesprochen worden -: Der Vertrauensschutz gegenüber unseren Lehrkräften bleibt gewahrt.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ist weg!)

Und, meine Damen und Herren: Die Unterrichtsversorgung ist gesichert. Etwas anderes kann man nicht verlangen. Die Landesregierung und die Ministerin bleiben in jeder Hinsicht verlässlich.

Meine Damen und Herren, gestern hat eine Pressekonferenz stattgefunden, an der ich teilgenommen habe. Einhellig positiv. Sie können es heute ja lesen. „Thema abgeräumt“, wurde dort gesagt. So ist es auch. Ich kann nur sagen - das ist eine Bitte an die Lehrerverbände -: Im Prinzip gibt es nichts

mehr, wogegen noch demonstriert werden könnte. Die Demonstration kann abgesagt werden.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Antrag der Aktuellen Stunde nicht mehr vor.

Wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 1 b:

Ministerin Heister-Neumann: „Der politische Wille ist wichtiger als der Elternwille“ - Landesregierung will keine Gesamtschulen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/131

Dazu erteile ich der Kollegin Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darauf musste Niedersachsen jetzt sieben Monate warten: einen mickrigen Gesetzentwurf, mit dem Sie die Neugründung von Gesamtschulen so schwer wie möglich und in manchen Regionen am liebsten ganz unmöglich machen wollen.

„Der politische Wille ist wichtiger als der Elternwille“ - so wurde die Kultusministerin in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 30. April 2008 zitiert. Diese Aussage bringt die Absicht des von CDU und FDP vorgelegten Gesetzentwurfes auf den Punkt. Um jeden Preis will die schwarzgelbe Koalition am gegliederten Schulsystem festhalten. Das ist ihr Dogma.

Ihrem antiquierten Schulssystem laufen aber seit Jahren die Eltern weg. Überall, wo es eine Gesamtschule als Alternative gibt, gehen die Anmeldezahlen an Hauptschulen und auch an Realschulen zurück. Dann muss die Konkurrenz durch die Gesamtschulen eben verboten werden - so einfach liest sich Ihr Gesetzentwurf.

Dort, wo Sie neue Gesamtschulen mit diesem Argument nicht verhindern können, machen Sie die Neugründungen so schwer wie möglich. Auf fünf Jahre im Voraus soll gesichert werden, dass ausreichende Anmeldezahlen vorhanden sind. Schon während der Kindergartenzeit, noch bevor die Kinder überhaupt eine Schule von innen gesehen haben, wollen Sie die Eltern befragen, ob

das Kind später einmal eine Gesamtschule besuchen soll. Das ist reine Schikane.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Selbst dann, wenn der Bedarf für fünf Jahre nachgewiesen ist, soll der Schulträger entscheiden können, ob er nun die Gründung einer Gesamtschule beantragen will oder lieber nicht.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Was sagen Sie eigentlich heute Nachmittag?)

- Herr Klare, Sie werden erleben, dass auch in den CDU-geführten Kommunen der Druck durch die Eltern immer größer werden wird. Auch dort werden Gesamtschulen beantragt werden.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie haben in Ihren Gesetzentwurf aber noch mehr Fallstricke eingebaut, mit denen Sie Gesamtschulen und Schulträgern das Leben richtig schwer machen wollen. Hier nenne ich die Anhebung bei den Gesamtschulen von vier Zügen auf fünf Züge. Auch greifen Sie ohne jede Begründung in die pädagogischen Konzepte von Gesamtschulen ein. In den letzten beiden Jahrzehnten sind gerade kleinere Gesamtschulen entstanden, weil es so genannte Mammutschulen nicht geben sollte. Dagegen sind Sie früher immer selbst zu Felde gezogen. Auf einmal sind Sie gegen kleine Schulen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Außerdem wollen Sie die Aufnahmebeschränkungen für Gesamtschulen bis 2011 komplett streichen. Grundsätzlich ist das natürlich gut; denn künftig sollen alle Kinder einen Platz an einer Gesamtschule bekommen. Im Klartext bedeutet dies aber, dass Sie die Schulträger damit zwingen wollen, alle Versäumnisse der vergangenen Zeit in nur drei Jahren nachzuholen.

In der Begründung sagen Sie auch ganz klar, warum: Sie wollen die Schulträger nämlich zwingen, die maximal mögliche Achtzügigkeit der Gesamtschulen auch auszunutzen und ihre Schulen aufzustocken. Dort, wo es bereits Gesamtschulen gibt, wird das selbstverständlich einen Gesamtschul-Neugründungsboom auslösen. Die Landkreise, die noch keine Gesamtschulen haben, werden es sich aber doppelt und dreifach überlegen, überhaupt erstmals Gesamtschulen einzurichten; denn sie kommen ganz schnell in den Zugzwang, innerhalb von drei Jahren eine Vollversorgung garantieren zu müssen. Das ist die perfide Absicht Ihres Gesetzentwurfs.

Und was ist mit den Schulträgern, die jetzt kurzfristig eine Vollversorgung mit Gesamtschulplätzen sicherstellen müssen, denen in der Zwischenzeit aber die Hauptschulen kaputt gehen? Das ist beispielsweise in Hannover der Fall, wie heute aktuell in der Tagespresse zu lesen ist. Dort wird man sich endgültig im Gestrüpp Ihrer schwarz-gelben Schulpoltik verfangen.

Meine Damen und Herren, es geht Ihnen nicht um eine rationale Schulpolitik. Ihnen geht es doch nur darum, hier nicht jedes Jahr die Zahl der an Gesamtschulen abgelehnten Schülerinnen und Schüler präsentiert zu bekommen, weil sich das in der Öffentlichkeit nicht so gut macht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Gesamtschulverhinderungsgesetz, das Sie uns heute hier vorlegen, wird genauso wenig zu halten sein wie das Schulgesetz, das Sie vor fünf Jahren durch den Landtag gepeitscht haben.