Protocol of the Session on August 28, 2009

Die beiden Anträge gehen in die richtige Richtung. Deshalb stimmen wir den Anträgen zu.

Aber was war eigentlich ausschlaggebend für das schreckliche Ereignis des Amoklaufs von Winnenden? - Jetzt geht es darum, solche schrecklichen Geschehnisse zu vermeiden. Aber wie? Die Regierungsfraktionen wollen im Kern vor allem mehr staatliche Kontrolle und Verhaltensmaßregeln „Wie handele ich im Ernstfall?“ und vielleicht noch „Welche Sicherungsmaßnahmen müssen in Schulen vorgehalten werden?“. Sie machen es also wie immer: Erst wenn der Fisch vom Kopf her stinkt, wird gehandelt.

Aber das, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, reicht nicht aus. Warum sehen Sie das Problem nicht in der Entstehung, und warum beginnen Sie dann nicht, Fehler auszumerzen und präventive Maßnahmen einzuleiten? Ich nen

ne Ihnen für Ihren Notizzettel einige Stichpunkte: Leistungsstress durch Turbo-Abi, Bildungsmöglichkeiten und -zugänge sind abhängig vom Geldbeutel der Eltern

(Oh! bei der CDU - Jörg Bode [FDP]: Was hat das denn mit dem Waffen- verkauf zu tun?)

- ja, das sagen wir immer wieder; das wird Sie bis zum Ende dieser Legislaturperiode begleiten -,

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Und darüber hinaus! - Zurufe von der CDU und von der FDP)

Streichung von Pädagogen- und Psychologenstellen - hören Sie zu, notieren Sie mit; das ist besser - an den Schulen, mangelnde Freizeitmöglichkeiten. Unsere Analyse geht noch weiter; denn nicht wenige Untersuchungen belegen: Das dreigliedrige Schulsystem grenzt aus, es entwurzelt und schafft Verlierer.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch ein Satz zum Schluss: Wenn es möglich sein wird, dass das Zulassen und Zeigen von Schwächen in unserer Leistungsgesellschaft nicht nur akzeptiert, sondern als Wert gefördert werden, und wenn es den Willen gibt, niemanden zurückzulassen, und Solidarität an die Stelle des Rechtes des Stärkeren rückt, dann sind wir auf dem richtigen Weg.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Nun spricht für die FDP-Fraktion Frau Kollegin von Below-Neufeldt. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Punkt 34 der heutigen Tagesordnung, dem Antrag der Fraktion der Grünen für eine Reform des Waffenrechts, verweise ich auf die Ergebnisse der Ausschussberatung und die dort vorgetragenen und ausgetauschten Argumente.

(Zuruf von den GRÜNEN - Gegenruf von Ingrid Klopp [CDU]: Es gibt doch Niederschriften!)

Unsere Position ist danach klar: Zur Verschärfung des Waffenrechts wurden bereits umfassende Regelungen getroffen. Das Waffenrecht muss nicht weiter verschärft werden, sondern es muss jetzt beachtet werden.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Vieles zum Antrag der Fraktion der SPD zur Vernichtung von Waffen der Polizei und zum Verkauf im legalen Handel ist schon gesagt worden. Mich erstaunt, wie der Antrag heute zum Teil von den Linken ergänzt und umgedeutet wurde.

Was ich für richtig halte, möchte ich besonders herausstellen und ergänzen. Erstens. Die Vernichtung von Waffen ist eine Vernichtung von Werten. Zu denken, dass es weniger Waffen gäbe, weil Waffen vernichtet würden, halte ich für falsch.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wie sehen Sie das denn bei Drogen? Da werden auch Werte vernichtet! Und Zigaretten! Piraterieware!)

Die Nachfrage der Berechtigten, die Waffen haben dürfen, regelt die Anzahl der legalen Waffen.

Zweitens - das ist mir sehr wichtig; das will ich betonen -: Der legale Handel mit und der legale Besitz von Waffen lösen keine Amokläufe aus.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Dann können ja alle welche haben! - Rein- hold Coenen [CDU]: Lassen Sie sich nicht irritieren!)

- Ich sprach von den legalen Waffen.

Drittens. Ganz besonders liegt mir daran, noch einmal darauf hinzuweisen, dass das Waffenrecht bereits in den vergangenen Jahren erheblich verschärft wurde. Das hat den schrecklichen Amoklauf von Winnenden leider nicht verhindern können.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Ja eben! - Ur- sula Helmhold [GRÜNE]: Dann reicht das wohl nicht!)

Aber nicht der Handel mit Waffen oder der Kauf der Waffe, die bei dem Amoklauf benutzt wurde, waren maßgeblich für dieses schreckliche Ereignis. Die Tat war unfassbar, aber entscheidend war eines: Die Tatwaffe war nicht den Vorschriften entsprechend verwahrt worden, und auch die Munition war zugänglich.

(Dörthe Weddige-Degenhard [SPD]: Richtig, aber es waren legale Waffen!)

Das verschärfte Waffenrecht ist also nicht beachtet worden.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Den Toten ist das aber egal!)

Der Fokus des Antrags der SPD-Fraktion liegt nicht auf dem Waffenbesitz, sondern auf der Forderung, ausgemusterte Dienstwaffen nicht zurück in den legalen - ich betone: in den legalen - Handel zu geben.

(Johanne Modder [SPD]: Auf der ei- nen Seite einsammeln und auf der anderen Seite palettenweise verkau- fen!)

Das ist eine falsche Sicht auf die Verkettung der Ereignisse und die Faktoren, die zu dem Amoklauf in Winnenden geführt haben. Erfurt, Winnenden - das waren furchtbare Taten mit vielen Toten und Langzeitfolgen für viele weitere Menschen. Aber der Handel mit gebrauchten Dienstwaffen der Polizei in Niedersachsen hat mit einer möglichen Verhinderung von Amokläufen nichts zu tun. Die legale Nutzung muss den tatsächlich Berechtigten vorbehalten bleiben.

Ich bitte daher darum, den Antrag abzulehnen.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU - Dr. Gabriele Andretta [SPD]: So einfach ist das! So stellt sich das Lieschen Müller vor!)

Herzlichen Dank. - Nun hat sich Herr Minister Schünemann von der Landesregierung zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Amoklauf von Winnenden hat Anlass gegeben, innezuhalten - insbesondere auch der Brief der Eltern der Opfer, in dem sie sehr eindringlich auf Missstände hingewiesen haben.

Die Innenminister haben sich zusammengesetzt und darüber diskutiert, welche dieser Forderungen sinnvollerweise als gesetzliche Regelungen übernommen werden sollten. Die entsprechenden Regelungen sind mittlerweile auch im Bundesrat verabschiedet. Das Entscheidende ist, dass eine

Möglichkeit geschaffen wurde, die die Waffenbehörden - d. h. die Kommunen - in die Lage versetzt, verstärkt Kontrollen durchzuführen, um sicherzustellen, dass die Waffen ordnungsgemäß in Waffenschränken getrennt von der Munition aufbewahrt werden.

Zum einem in dem Brief der Eltern und zum anderen in dem Antrag der Fraktion der Grünen ist u. a. gefordert worden, dass Waffen nur noch zentral gelagert werden sollten, u. a. in Schützenheimen. Man kann nur darauf hinweisen, dass das keineswegs sicherer ist, sondern dass das vielmehr unsicherer ist.

Nach dem Amoklauf in Winnenden gab es auch ein schreckliches Ereignis in Eislingen. Dort hat ein 18-Jähriger seine ganze Familie erschossen. Die Waffe, die er verwendet hat, ist aus einem Schützenheim gestohlen worden. Ich glaube, dass es richtig ist, Waffen dezentral zu lagern. Ganz wichtig ist, dass dabei die entsprechenden Vorschriften eingehalten werden.

Ich habe nach dem Ereignis in Winnenden sofort dazu aufgerufen, Waffen - illegale oder legale - abzugeben, die dann von den Waffenbehörden oder der Polizei eingesammelt wurden. Ich bin sehr froh, dass sehr viele Waffenbesitzer davon Gebrauch gemacht haben. Das hat mir gezeigt - das zeigten auch die Berichte, die mir zugänglich gemacht worden sind -, dass sich zu viele nicht an die Vorschriften gehalten haben. Viele haben dann gesagt: Wir wollen uns keinen Waffenschrank mehr zulegen, deswegen geben wir die Waffen ab. - Das hat gewirkt. Das ist meiner Ansicht nach genau der richtige Weg, wie wir vorgehen müssen.

(Zustimmung von Björn Thümler [CDU])

Ich werde in Kürze die Zahlen dazu vorlegen können, wie viele Waffen abgegeben worden sind.

Wenn eine Kommune bzw. der Staat eine Waffe von einer Privatperson bekommt, halte ich es allerdings für sehr schwierig, diese Waffe dann weiterzuverkaufen. Ich rede gar nicht von Sicherheitsgründen. Aber ich glaube, das wäre schwierig. Deswegen haben wir eindeutig gesagt: Polizei und Land bieten den Waffenbehörden an, diese Waffen kostenlos einzuschmelzen und zu vernichten. Das ist dann auch so geschehen.

Meine Damen und Herren, in dem Antrag der SPDFraktion geht es aber um den Verkauf von ausgedienten Polizeiwaffen. Frau Modder, ich kann durchaus verstehen, dass Sie darauf hinweisen, man solle vielleicht nicht in die Vergangenheit

schauen. Denn es ist von meinem Vorgänger Herrn Bartling im Jahr 2001 eingeleitet worden, dass zur Finanzierung auch der Verkauf vorgesehen wird. Es gehört einfach dazu, dass man das dann hier auch sagt.

In der Folgezeit ist das umgesetzt worden. 13 000 Pistolen sind an die Firma Heckler & Koch verkauft bzw. zurückgegeben worden. Es war wichtig, dass auch die exportierten Waffen ausschließlich an Erwerbsberechtigte weiterverkauft wurden. Mit allen Lizenzen bis hin zum Endverbraucher muss dies dokumentiert werden, sodass das nach den richtigen Regeln dargestellt worden ist.

Die veräußerten Schusswaffen der niedersächsischen Polizei sind wie alle legalen Waffen nach den Vorgaben des Waffenrechts gekennzeichnet und registriert. Bei ausschließlicher Weitergabe an Berechtigte im Sinne des Waffengesetzes wird so eine lückenlose Nachverfolgung zum jeweiligen Besitzer in Deutschland sichergestellt.

Meine Damen und Herren, es ist schon darauf hingewiesen worden, dass andere Bundesländer das genauso umsetzen.

Mir ist hier vorgeworfen worden, ich hätte nicht in Gänze die Wahrheit zum Landeshaushaltsrecht gesagt. Dazu will ich natürlich auch Stellung nehmen. Der Verkauf der nicht mehr benötigten Pistolen erfolgte gemäß den allgemeinen Vorgaben der Landeshaushaltsordnung zum vollen Wert. Eine Veräußerung unter dem vollen Wert oder eine unentgeltliche Abgabe der Waffen, z. B. zum Zweck der Vernichtung, hätte nur erfolgen können, wenn dies durch den Haushaltsgesetzgeber als Ausnahme gemäß § 63 Abs. 4 Satz 3 der Landeshaushaltsordnung im Haushaltsplan zugelassen worden wäre. Das wäre in diesem Zusammenhang der einzige Weg gewesen.