Meine Damen und Herren, eine reine Fachschulausbildung wird angesichts der enorm gewachsenen Anforderungen in den Pflegeberufen auf Dauer ohnehin nicht reichen. Wir brauchen ein Upgrading für diese überwiegend von Frauen ausgeführten Berufe auf Hochschulniveau. Das ist überfällig, auch mit Blick auf den europäischen Kontext. Frau Mundlos hat darauf hingewiesen, dass dafür ein Konzept erforderlich ist. In vielen europäischen Ländern läuft die Ausbildung anders ab als bei uns. Die Pflegekräfte aus Deutschland haben bei der Anerkennung ihrer Abschlüsse im Ausland sehr oft Schwierigkeiten. Deswegen ist es wichtig, dass wir uns in dieser Frage bewegen.
Meine Damen und Herren, es geht bei diesem Thema um nichts Geringeres als um gute Pflege, guten Lohn und ein würdiges Leben für Pflegebedürftige. Alle drei Ziele sind in hohem Maße gefährdet, wenn nicht entscheidende Weichenstellungen in Bund und Land erfolgen. Leider ist davon aber - wie in diesem Antrag - relativ wenig zu sehen und zu hören.
Die Fraktionen sind entgegen der Empfehlung des Ältestenrates zu der Auffassung gekommen, dass sich der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit federführend und der Kultusausschuss mitberatend mit dem Antrag beschäftigen sollen. Wer das so beschließen möchte, den bitte
Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, kann ich Ihnen mitteilen, dass die Fraktionen übereingekommen sind, den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP unter dem Tagesordnungspunkt 36 „Luft- und Raumfahrt in Niedersachsen weiter stärken“ direkt an den Ausschuss zu überweisen. Dies werden wir nachher vornehmen. Damit eröffnet sich eine weitere Möglichkeit, die Sitzung heute früher zu beenden. Wir beraten dann über zwei Punkte weniger als ursprünglich geplant.
Besprechung: Schule muss man sich leisten können - Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/1075 - Antwort der Landesregierung - Drs. 16/1445
Wie die Beratung hierzu abzulaufen hat, hat Frau Vockert gestern ausführlich geschildert. Das muss ich nicht wiederholen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben die Anfrage „Schule muss man sich leisten können“ eingereicht, um die vielen kleinen Kosten im System Schule aufzudecken, die die Familien trotz der Vorgabe des Schulgesetzes, dass kein Schulgeld zu zahlen sei, belasten.
Das Ergebnis können wir alle in der Antwort der Landesregierung nachlesen. Dort finden wir zahlreiche Leerstellen mit dem Hinweis, dass der Regierung keine Angaben vorliegen. Nichtsdestotrotz gebührt der Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums, die die vorhandenen Daten zusammengetragen und aufbereitet haben,
die in Teilbereichen, z. B. zur Lernmittelfreiheit und zur Schülerbeförderung, eine gute Datenbasis liefern.
Doch welche Schlussfolgerungen können wir daraus ziehen, dass die Kosten etwa für Kopien, Unterrichtsmaterialien oder die Anschaffung von größeren Gegenständen unbekannt sind? Will man
diese Zahlen etwa nicht wissen? - Solange man den tatsächlichen Bedarf nicht beziffern kann, bleiben alle Schätzungen im Nebulösen. Man kann immer abwiegeln und herunterspielen oder im Allgemeinen bleiben. Wären nicht zumindest Stichproben möglich gewesen?
Wenn der Druck zu groß wird, macht man ein wenig Symbolpolitik, schreibt sich eine Idee auf die Fahnen und feiert sich selber - wie beim Schulbedarfspaket, das seit diesem Jahr den Hartz-IVFamilien zum Schuljahresbeginn 100 Euro beschert. Meine Damen und Herren, diese 100 Euro sind bitter nötig, aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es ist vor allem den sozialen Bewegungen zu verdanken, dass der Druck auf Bundesrat und Bundesregierung so groß wurde, dass es zu dieser ersten Verbesserung gekommen ist.
Frau Ministerin Heister-Neumann, Sie werden hier wahrscheinlich gleich verkünden, dass das Land noch nie so viel Geld für Bildung ausgegeben hat wie in diesen Zeiten.
Sie werden auf den Zeitpunkt der Regierungsübernahme verweisen, als im Kultusetat 3,75 Milliarden Euro eingestellt waren, während in diesem Jahr 4,38 Milliarden Euro eingestellt sind.
Vielleicht werden Sie auch noch den Pro-KopfBetrag nennen, den Niedersachsen ausgibt. Die Landesausgaben pro Schüler an allgemeinen und berufsbildenden Schulen betrugen im Jahr 2002 3 600 Euro und im Jahr 2008 den vorläufigen Zahlen zufolge 3 700 Euro.
Das ist ein Zuwachs von 100 Euro bzw. 2,7 %. Wenn man sich aber anschaut, dass die Inflation seit dem Jahr 2002 etwa 11 % beträgt und die Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst etwa 8 % betragen, so wandelt sich diese angebliche Verbesserung mit einem Mal in einen realen Rückgang der Pro-Kopf-Ausgaben. Eine wirkliche Bildungsoffensive kann ich hier nicht erkennen.
Ich kann eine solche Offensive auch nicht bei konkreten Projekten erkennen. Die Koalition ist leider
Der Sonderfonds „DabeiSein!“ der Landesstiftung Familien in Not in Höhe von 250 000 Euro ist auch der erwähnten Symbolpolitik zuzurechnen. Denn wenn man die 100 632 Schülerinnen und Schüler dagegenrechnet, die im letzten Jahr von der Zuzahlung zu Lernmitteln aus sozialen Gründen befreit wurden, so erkennt man, dass pro Nase noch nicht einmal 2,50 Euro herausspringen.
Kann mir jemand in diesem Hause erklären, wie mit diesem Zuschuss die Teilnahme an Freizeiten und Erholungsmaßnahmen, an Musik-, Kunst- und Sportangeboten oder Klassen- und Kitafahrten ermöglicht werden kann, wie es die Landesregierung behauptet?
Zumal bei dieser Berechnung andere Familien in Not, die kein Hartz IV bekommen, aber trotzdem kein Geld haben - es sind viele -, nicht eingerechnet sind.
Beim Mittagessen sieht es nicht anders aus. Meine Fraktion hat im letzten Jahr den Antrag gestellt, das Landesförderprogramm für das Schulmittagessen auszubauen, um die Kostenfreiheit, nicht nur die Kostenreduzierung, für die bedürftigen Familien zu sichern. Die Regierungsfraktionen haben den Antrag abgelehnt. CDU und FDP scheinen nicht an Verbesserungen für die armen Familien interessiert zu sein.
Oder werfen wir einen Blick auf Sachsen-Anhalt: Dort hat der Landtag erst vor Kurzem beschlossen, dass die Schülerbeförderung auch nach Klasse 10 nahezu kostenfrei ist. Es wird von den Schülerinnen und Schülern ein Eigenanteil von 100 Euro im Jahr verlangt. Bei uns hingegen gibt es dazu nur Ablehnung von der Regierungskoalition. Dabei kosten Schülermonatskarten im Durchschnitt an vielen Orten weit über 50 Euro und stellen somit einen erheblichen Kostenfaktor für die Familien dar. Doch die Koalition duckt sich weg. Das halte ich für unerhört.
Stattdessen vertritt man lieber Allgemeinplätze. Ich habe es am Anfang gesagt: Wenn keine genauen Zahlen vorliegen, kann man sich wunderbar auf generelle Aussagen zurückziehen und die Welt in den schönsten Farben malen. Genau das macht
die Landesregierung, wenn sie sagt, dass ein ganzes Bündel staatlicher Hilfen bestehe, womit gewährleistet sei - ich zitiere wörtlich -:
„dass dem Gebot der Bildungsgerechtigkeit sowie dem Gebot der Chancengleichheit Rechnung getragen wird und jede Schülerin und jeder Schüler unabhängig von ihrer oder seiner sozialen Herkunft oder gesellschaftlichen Stellung ihrer oder seiner Begabung entsprechend gefördert und gefordert wird.“
Anders gesagt: Die Landesregierung behauptet, dass es keine soziale Schere an der Schule gibt und allein die Begabung entscheidet. Meine Damen und Herren, eine solche Aussage zeugt nur davon, dass Sie die Augen vor der Wirklichkeit verschließen und keine Ahnung haben, wie es im Lande aussieht.
Dabei waren Sie schon einmal weiter, vielleicht ist das nur noch nicht bei sämtlichen Mitgliedern der Landesregierung angekommen. Deshalb darf ich aus der Drucksache 885 zitieren. Es handelt sich dabei um die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der SPD-Fraktion „Hochschulzugang und Bildungschancen in Niedersachsen“. Es heißt hierin wörtlich:
„Die Chancen auf einen Hochschulzugang für Kinder aus einkommensschwachen Familien haben sich in den letzten 30 Jahren deutlich verbessert, dennoch ist es in Deutschland nicht gelungen, Bildungschancen und soziale Herkunft zu entkoppeln.“
„Die Landesregierung wird die Schul- und Hochschulpolitik, aber besonders die frühkindliche Bildung und Erziehung verstärkt darauf ausrichten, die Bildungschancen von der sozialen Herkunft zu entkoppeln und den Leistungsabstand zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund zu verringern sowie die Durchlässigkeit des Bildungssystems weiter zu erhöhen.“
erfolgreich waren. Ich bezweifle es. Aber offenkundig redet Häuptling Wulff mit seiner Mannschaft heute so und morgen so. Glaubwürdigkeit sieht anders aus, meine Damen und Herren!
Ich persönlich stimme der These zu, dass es eine soziale Schere im Bildungssystem gibt und dass es an oberster Stelle der Ziele einer jeden Landesregierung stehen muss, diese Schere zu verkleinern oder bestenfalls zu schließen. Wenn wir uns anschauen, dass an Hauptschulen 28 % der Schülerinnen und Schüler aus sozialen Gründen von der Lernmittelfreiheit profitieren, an Gymnasien hingegen nur 4 %, dann zeigt das, wie weit die soziale Schere in unserem Bildungssystem geöffnet ist.