Protocol of the Session on August 26, 2009

Für die Fraktion der Grünen spricht Frau Dr. Heinen-Kljajić. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die im vorliegenden Gesetzentwurf aufgeworfene Frage, in wessen Auftrag Hochschulen forschen dürfen, ist durchaus ernst zu nehmen. Aber ich glaube, eine Fokussierung auf den militärischen Bereich geht an der Hochschulrealität von heute schlicht vorbei.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Ich will eingestehen: Die ständig wachsende Verquickung von Hochschulen und Geldgebern, die

mit ihrem Hochschulengagement bisweilen auch eigene, hochschulfremde Interessen verfolgen, wirft bei aller Freude über das bildungspolitische Engagement der Wirtschaft durchaus auch Fragen auf. Das Drittmittelaufkommen an unseren Hochschulen ist in den letzten Jahren rasant angestiegen. Allein zwischen 1970 und 1990 hat es sich verfünffacht und macht inzwischen mehr als 20 % der Hochschuleinnahmen aus. Dabei kommt jeder vierte Euro aus der Wirtschaft - Tendenz steigend.

Eine Bilanz dieser Entwicklung fällt aus grüner Sicht zumindest zwiespältig aus. Zur Klarstellung: Wir möchten sicherlich nicht der Eingrenzung des Hochschulengagements der Wirtschaft oder fachfremder Ministerien oder Behörden das Wort reden. Aber fest steht natürlich auch, dass die Forschung an unseren Hochschulen immer häufiger in den Dienst nicht öffentlicher Geldgeber gestellt wird. Jedenfalls können sich aus dieser Verquickung Konflikte ergeben, für deren Lösung wir aus unserer Sicht bisher noch keine Regeln gefunden haben. Dabei stellt sich nicht nur die Frage, in wessen Dienst sich öffentliche Hochschulpolitik überhaupt stellen darf, sondern es geht vor allem um die Frage, wie für die Öffentlichkeit transparent gemacht werden kann, was an den Hochschulen mit welchem Geld und in wessen Auftrag geforscht wird, und um die Frage, wo in der Gesellschaft ausgehandelt wird, was mit Steuermitteln geforscht werden darf.

Meine Damen und Herren, es ist legitim und sogar wünschenswert, dass staatliche Förderprogramme in den Dienst gesellschaftlich relevanter Fragestellungen gestellt werden - keine Frage. In diesem Sinne ist übrigens auch sicherheitsrelevante Forschung nicht per se des Teufels, wenn wir auch aus Sicht der Grünen die Mittel aus dem Bundesprojekt Forschung für zivile Sicherheit sicherlich eher verstärkt in den Bereich der Friedens- und Konfliktforschung gesteckt hätten als in die Erforschung der technischen Abwehr von Anschlägen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Aber entscheidend ist doch die Frage, wie entschieden wird, was geht und was nicht geht. Das, werte Kollegen von der Linken, lässt sich nicht im Hochschulgesetz regeln. Was ist mit Forschungsaufträgen - Frau Dr. Andretta hat das hier gerade ausgeführt -, bei denen nicht genau zwischen militärischer und ziviler Nutzung differenziert werden kann? - Kein Gesetz wird hier jemals eine klare Abgrenzung definieren können. Was wir brauchen, ist deshalb keine Zivilklausel im Hochschulgesetz,

sondern wir brauchen Transparenz darüber, von wem und auf welchem Wege die Fördermittel eingeworben wurden und welche Forschungsaufträge sich dahinter verbergen. Und wir brauchen eine Art - nennen wir es so - Verhaltenskodex an den Hochschulen und im Zweifel Gremien, die in Streitfragen hier Stellung nehmen können. Das Desaster in der Asse, um hier auch noch einen aktuellen Bezug zu haben, wäre uns vielleicht erspart geblieben, wenn es eine solche Kommission oder einen solchen Verhaltenskodex an der GSF gegeben hätte.

(Zustimmung von Miriam Staudte [GRÜNE])

In diesem Sinne, werte Kollegen von der Linken: Das Anliegen Ihres Antrages ist ehrenwert, aber ich glaube, so simpel, wie Sie es handhaben wollen, ist es nicht zu lösen. Die Hochschulen selbst sind der Ort, an dem die von Ihnen aufgeworfenen Fragen geklärt werden müssen, nicht aber im Niedersächsischen Hochschulgesetz.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU, bei der FDP und bei der SPD - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: So billig kriegen Sie das nicht!)

Zu dem Beitrag von Frau Dr. Heinen-Kljajić hat sich Herr Perli zu einer Kurzintervention gemeldet. Ich erteile ihm das Wort für anderthalb Minuten. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Dr. Heinen-Kljajić und Frau Dr. Andretta, Sie beide haben sehr sachliche und gute Argumente eingewandt, die nicht nur hier im Landtag, sondern auch an den Hochschulen diskutiert werden müssen.

Unser Ansinnen, diese Zivilklausel wieder ins Hochschulgesetz zu bringen, soll das doch fördern. Es soll doch gefördert werden, dass an den Hochschulen mehr darüber nachgedacht wird, und es soll auch eine Steilvorlage sein, auf die man verweisen kann, damit Kritikerinnen und Kritiker auch in den Entscheidungsgremien dort das Wort bekommen. Als Schlichtungsgremium haben wir den Senat vorgeschlagen, da dort natürlich am besten hochschulöffentlich darüber diskutiert werden kann.

Letztlich kann man doch, wenn man kein Experte ist und nicht genau weiß, wie man hier etwas ab

grenzen soll, einen Auftrag erteilen. Es gibt diese Debatte ja auch in Baden-Württemberg im Kontext mit dem KIT, der Zusammenlegung der Uni Karlsruhe mit dem Forschungszentrum Karlsruhe. Dort haben spannenderweise sowohl SPD als auch Grüne sehr dafür geworben, die Zivilklausel in das Gesetz aufzunehmen. Sie haben darauf hingewiesen, dass bei Streitfragen an der Uni Karlsruhe auch Bundesbehörden um Stellungnahmen zu bestimmten Forschungsprojekten gebeten werden könnten. Das hat dort die Debatte bereichert und auch dazu beigetragen, dass man bewusster mit der Frage umgeht, wozu Forschung dienen sollte oder lieber nicht dienen sollte.

Ich finde, das kann man forcieren, indem man diesen Satz ins Hochschulgesetz schreibt. Man sollte jetzt nicht sagen, dass das nicht ausreicht. Natürlich reicht es nicht aus. Wir brauchen die Debatte in den Hochschulen. Aber es ist besser, diesen Satz aufzunehmen, als gar nichts zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Dr. Heinen-Kljajić möchte antworten. Sie haben anderthalb Minuten. Bitte schön!

Herr Perli, ich glaube, wir tun unseren Gesetzen einen großen Gefallen, wenn wir versuchen, in ihnen nicht Symbolpolitik abspielen zu lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU und bei der FDP)

Wir hatten zwischen 1993 und 2001 einen ähnlichen Artikel im Gesetz; Sie haben das selbst erwähnt. Dieser Artikel hat nicht eine Debatte angestoßen. Es sind überhaupt keine Fälle in irgendeiner Form einmal relevant geworden. Man hat damit nichts verhindern können.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Das wissen Sie doch gar nicht!)

Ich glaube, das ist eine Frage, die wir zivilgesellschaftlich diskutieren und entscheiden müssen, aber nicht vor Gerichten.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU und bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Grascha das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE schreibt in ihrem Antrag, dass die Auswirkungen der Gesetzesänderung als gering zu bewerten sind. Dies allein ist eigentlich schon ein Grund, den Gesetzentwurf abzulehnen; denn wenn ein Gesetz keine Wirkung hat, dann brauchen wir es auch schlicht nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, Sie weisen selbst darauf hin, dass das Grundgesetz diesen Sachverhalt ausreichend regelt. Das reicht aus Sicht der FDP-Fraktion völlig aus.

Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur hat in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Perli dargelegt, dass in Niedersachsen fast ausschließlich zivile Sicherheitsforschung stattfindet. Diese Projekte der Sicherheitsforschung sind für unser Land sehr wichtig und helfen uns in verschiedenen Situationen, beispielsweise bei Katastrophensituationen, Betroffene und deren Helfer zu schützen. Eine strikte Trennung zwischen ziviler und militärischer Sicherheitsforschung ist allerdings in der Praxis kaum machbar. Frau Dr. Andretta hat das sehr eindeutig dargestellt. Fortschritt und Innovation würden so verhindert.

Kurz: Ihr Ansinnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist weltfremd. Mit Ihrem Gesetzentwurf bezwecken Sie nur eines - das darf ich an der Stelle grundsätzlich anmerken -: Sie wollen der Welt mal wieder weismachen, dass es in der Politik auf der einen Seite nur die Guten gibt, die die Friedenstauben steigen lassen, so wie das bei Ihnen der Fall ist,

(Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

und auf der anderen Seite den kriegsschürenden Rest, also die anderen Fraktionen in diesem Haus. Das kann so nicht sein, und das darf so auch nicht stehen bleiben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Gute daran ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie mittlerweile die Einzigen sind, die das glauben. Die Menschen draußen im Lande fallen zum Glück darauf nicht herein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Nacke das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Blick auf die Relevanz dieses Themas habe ich meine Redezeit von sieben auf zwei Minuten gekürzt. Ich möchte nur drei kurze Anmerkungen machen.

Zum einen handelt es sich bei diesem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE um einen erneuten Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit. Er reiht sich damit kontinuierlich ein in eine Reihe von Anträgen, mit denen Sie dieses Parlament schon beschäftigt haben. Da hilft auch nicht, wie vom Kollegen Adler wahrscheinlich zugetragen, ein „sollte“, wenn man dahinter ein „ausschließlich“ legt. Man muss die Gesetzestechnik schon ein bisschen kennen.

Der zweite Punkt ist mir besonders wichtig: Dieser Gesetzentwurf enthält eine schlimme Unterstellung gegen die niedersächsischen Hochschulen und gegen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in unserem Lande. Eines sei einmal mehr deutlich gesagt: Forschung und Entwicklung im Bereich der militärischen Verteidigung und die Verbesserung von Ausrüstung und Ausbildung der Bundeswehr und befreundeter Streitkräfte sind keine kriegsfördernden Maßnahmen, sondern ein wichtiger Beitrag für 60 Jahre Frieden und Freiheit in Deutschland und Europa.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Daher möchte ich die Unterstellung, in niedersächsischen Hochschulen seien kriegsfördernde Maßnahmen möglich, auf das Schärfste zurückweisen.

Eine letzte Anmerkung, Herr Kollege Perli, zum Verfahren: Sie sind ja immer sehr enttäuscht, wenn wir solche Themen dann im Ausschuss für Wissenschaft und Kultur besprechen. Sie haben eine Kleine Anfrage gestellt; die Informationen liegen also Gott sei Dank vor. Ich weise vorsorglich darauf hin, dass der Gesetzentwurf in dem Moment, wo er auf der Tagesordnung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur auftaucht, abgelehnt werden wird. Dieser Hinweis nur, damit Sie sich darauf einstellen können.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nun hat Herr Minister Stratmann das Wort. Bitte schön!

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Zwei Minu- ten, Herr Stratmann!)