Protocol of the Session on June 18, 2009

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Eben haben Sie noch gesagt, die hatten acht Jahre Zeit!)

- Natürlich hatten sie acht Jahre Zeit.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Wenn sie bis dahin keine Chance hatten?)

- Natürlich hatten sie eine Chance. Es ist ja auch anderen gelungen, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Wenn sie aber keinen Arbeitsplatz nachweisen können, dann ist die Sache völlig klar. Jetzt haben sie schon anderthalb Jahre Zeit gehabt, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Ihnen ist es nicht gelungen. Insoweit ist es meiner Ansicht nach noch schwieriger, wieder zu sagen, das Ganze solle noch einmal um zwei Jahre hinausgezögert werden. Die Prognose ist doch völlig klar, dass sie keinen Arbeitsplatz bekommen. Wenn in diesem Falle vielleicht nach zwölf, dreizehn Jahren abgeschoben würde, möchte ich sehen, wie Sie reagieren. Sie würden wieder sagen: Was ist das für eine Ausländerbehörde, was ist das für ein Innenminister!

Meine Damen und Herren, diese Altfallregelung war genau so angelegt, dass man gesagt hat - - -

Herr Minister, es gibt noch einen Wunsch auf Zwischenfrage.

Lassen Sie mich bitte den Satz beenden, Herr Präsident. - Man hat gesagt, wir wollen ihnen noch einmal zwei Jahre lang Gelegenheit geben, zum einen Integrationsleistungen nachweisen zu können. Sie sollen nachweisen, dass sie die deutsche Sprache sprechen können, was wichtig ist, um überhaupt einen Arbeitsplatz zu bekommen. Wenn man schon acht Jahre hier ist und das noch nicht kann, ist es schwierig, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Zum anderen muss der Lebensunterhalt zumindest zum überwiegenden Teil nachgewiesen werden.

Meine Damen und Herren, wenn Sie jetzt schon ein halbes Jahr vor Auslaufen dieser Frist sagen,

dies alles interessiert gar nicht, sodass den Betroffenen signalisiert wird, dass sie sich gar nicht groß anzustrengen brauchen, weil sie noch einmal zwei Jahre Fristverlängerung bekommen, dann können Sie doch ziemlich sicher sein, dass sich nur ganz wenige tatsächlich ernsthaft darum bemühen werden, einen Arbeitsplatz zu bekommen.

Dies ist eine Altfallregelung, die erstmalig so umgesetzt wird. Normalerweise besagen Altfallregelungen, dass man, wenn man zum Stichtag keinen Lebensunterhalt nachweisen kann, nicht unter die Bleiberechtsregelung fallen kann. Jetzt hat man es zwei Jahre verlängert, und es ist genau das eingetreten, was ich befürchtet habe: Die gleiche Diskussion geht wieder von vorne los. Verlängerten wir jetzt erneut, würde die Diskussion danach ein weiteres Mal beginnen. Dies macht keinen Sinn, und deshalb muss man einmal ehrlich sein und sagen: Wer es nicht geschafft hat, muss das Land wieder verlassen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, Sie wollten noch eine Zwischenfrage zulassen. Es ist Ihre Entscheidung.

Herr Präsident, wenn Sie mich so nett bitten, mache ich das gerne.

Frau Zimmermann, bitte!

Herr Schünemann, halten Sie es nicht für ziemlich zynisch, dass Sie bestimmten Menschen erst keine Arbeitserlaubnis geben und dann sagen, auch in Zeiten einer wirtschaftlichen Krise, wie wir sie jetzt erleben, müsse jemand ausreisen, weil er es nicht geschafft hat, Arbeit zu bekommen? Was ist mit denen, die wegen prekärer Beschäftigung auf staatliche Hilfe angewiesen sind? Meinen Sie, dass diese dann hier bleiben können?

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Zimmermann, Sie wissen - vielleicht wissen Sie es auch nicht -, dass es kein Arbeitsverbot für die Betroffenen gibt. Sie haben es in den acht Jahren und jetzt in neuneinhalb Jahren nicht geschafft,

ihren Lebensunterhalt wenigstens zum überwiegenden Teil selbst zu bestreiten. Insofern ist das, was ich gesagt habe, in keiner Weise zynisch. Hier hat es sich um ein zusätzliches Angebot gehandelt, das es in der Vergangenheit überhaupt nicht gegeben hat. Deshalb gilt das, was ich gerade gesagt habe.

Wenn man es so will wie Sie, dass man Zuwanderung in Sozialsysteme akzeptiert, dann ist das in Ordnung. Dann müssen Sie damit auch in der Öffentlichkeit bestehen. Ich halte dies nicht für richtig. Diejenigen, die als Verfolgte zu uns kommen, müssen - egal, ob sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können - hierbleiben können. Dies gilt genauso für Kranke und Traumatisierte. Aber bei denjenigen, die es acht Jahre und jetzt fast zehn Jahre lang nicht geschafft haben, muss man eben sagen, dass sie sonst nur über die Sozialsysteme unterhalten werden können. Das ist meiner Ansicht nach auf Dauer nicht zu akzeptieren; das wird auch unsere Gesellschaft nicht akzeptieren. Ich halte dies auch für richtig.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube nicht, dass wir heute in diesem Punkt zu einer Übereinstimmung gelangen werden. Aber die Grüne-Fraktion hat noch einmal um zusätzliche Redezeit gebeten. Ich schlage vor, dass wir das damit beenden. - Frau Polat, Sie haben anderthalb Minuten!

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wir set- zen immer noch auf die Kraft der Ar- gumente! - Gegenruf von Björn Thüm- ler [CDU]: Das gilt umgekehrt aber auch, Frau Helmhold!)

Ich möchte nur noch etwas klarstellen und mit dem Mythos des Sozialschmarotzers - damals der Ausländer, jetzt der Asylbewerber -, der sich in die soziale Hängematte Niedersachsens oder Deutschlands legen will, aufräumen. Ich habe Herrn Wiese gerade die Broschüre der Kirchen gegeben, in der dezidiert aufgeführt ist, was die Probleme bei dieser Bleiberechtsregelung sind. Herr Schünemann, Sie haben gerade selbst bestätigt, dass die Vorrangregelung abgeschafft wurde und dass deswegen die Krux an der ganzen Situation war, dass die Menschen über sehr lange Zeit von Sozialhilfe abhängig waren. Seitdem bemühen sich diese Menschen, wozu sie 24 Monate Zeit

haben. Im Grunde sind es nur 12 Monate, weil in der Regelung steht, sie müssten ihren Lebensunterhalt überwiegend in diesen zwei Jahren bestreiten.

(Hartmut Möllring [CDU]: Das wird ja nicht richtiger davon, dass Sie es wie- derholen!)

„Überwiegend“ heißt, in mindestens 12 von den 24 Monaten der Bleiberechtsregelung müssen sie eigentlich schon ihren Lebensunterhalt gesichert haben. Wie sieht es nun mit einer vierköpfigen Familie aus? - Es gab Männer aus OsterholzScharmbeck, die bis ins Emsland oder nach Cloppenburg gefahren sind, um vor allem dort in den Schlachtbetrieben eine Arbeit zu finden. Das ist aber kein Job, bei dem Sie gleich 2 400 Euro brutto bekommen, um Ihre vierköpfige Familie zu ernähren.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Auch deswegen brauchen wir erst einmal den Mindestlohn!)

Die bemühen sich wirklich.

(Glocke des Präsidenten)

Es gibt jetzt auch sehr gute Projekte von Caritas, Diakonie und anderen Wohlfahrtsverbänden, bei denen Arbeitsmarktinstrumente gerade für diesen Personenkreis geschaffen werden, der wirklich jetzt erst am Arbeitsmarkt teilnimmt.

Frau Kollegin, einen Satz noch, bitte!

Letzter Satz: Ich möchte nur ein Beispiel nennen, nämlich die Petition, die wir heute besprochen haben: Der Mann hatte einen Job auf dem Großmarkt in Hannover, - - -

Einen Satz wollten Sie sagen, Frau Kollegin! Ich kann das jetzt nicht mehr zulassen.

- - - und ihm wurde von der Ausländerbehörde die Arbeitserlaubnis entzogen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zuruf von der CDU: Sagen Sie doch einmal, warum!)

Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben gerade ein Beispiel genannt. Wenn eine vierköpfige Familie tatsächlich 1 200 Euro verdient, dann bekommt sie Kindergeld für das erste, zweite, dritte und vierte Kind, und es gibt einen Kinderzuschlag. Das heißt, der Lebensunterhalt wäre durchaus überwiegend gewährleistet. Insofern ist dieses Beispiel ganz interessant. Es macht keinen Sinn, darzustellen, dass die dann nicht bleiben können. Aber sie müssen diesen Arbeitsplatz erst einmal nachweisen. Haben sie ihn nicht, ist es meiner Ansicht nach richtig, dass wir dann aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchführen.

Sie sollten es wirklich nicht immer so darstellen, als wenn gerade wir in Niedersachsen besonders hart vorgingen. Ich darf daran erinnern, dass Sie unter Rot-Grün sogar dafür gesorgt haben, dass die Vorrangprüfung im Ausländerrecht bleibt. Es waren dieser Innenminister und diese Landesregierung, die die Initiative ergriffen und gesagt haben: Eine solche Vorrangprüfung macht auf Dauer keinen Sinn, sondern die müssen wir sehr viel frühzeitiger wegnehmen. Denn wer zu uns gekommen ist und die deutsche Sprache vielleicht noch nicht perfekt kann, sich dann aber auf dem Arbeitsmarkt durchsetzen kann, soll zumindest eine Chance haben. - Uns hier die Vorrangprüfung vorzuwerfen, die Sie in der Zeit, als Sie regiert haben, noch hochgehalten haben, ist meiner Ansicht nach nicht in Ordnung. Sie sollten hier die Fakten nicht immer wieder verdrehen.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Völlig lächerlich, Herr Schünemann!)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll sich der Ausschuss für Inneres, Sport und Integration mit diesem Thema beschäftigen, mitberatend die Kommission zu Fragen der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Wer möchte das so beschließen? - Wer möchte das nicht? - Wer enthält sich? - Das ist dann so beschlossen.

Meine Damen und Herren, der Kollege Bachmann von der SPD-Fraktion hat sich zu einer persönlichen Bemerkung gemeldet. Herr Bachmann, Sie sind lange genug im Parlament und wissen, was Sie dürfen und was Sie nicht dürfen. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Schünemann hat mir in seiner Rede vorgeworfen, ich würde nicht nur ihn angreifen, sondern auch alle Ausländerbehörden im Land Niedersachsen. Ich stelle dazu Folgendes fest:

a) Herr Minister, Sie dürfen ja wohl kritisiert werden.

b) Sie müssen kritisiert werden.

c) Es ist meine Aufgabe als Oppositionspolitiker, Sie zu kritisieren.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Die Ausländerbehörden in diesem Lande habe ich nicht kritisiert. Ich habe das Szenario beschrieben, das eintritt, wenn es nicht zu einer Bleiberechtsregelung kommt, nämlich das von Ihnen beschriebene Szenario, dass Sie dann mit rigoroser Gewalt durchsetzen und anordnen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)