Protocol of the Session on June 18, 2009

Unter dem Strich ist festzustellen: Es macht keinen Sinn, hier darzustellen, dass die Ausländerbehörden - - -

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Adler?

Nein, ich möchte erst den Gedanken zu Ende bringen. Danach kann er eine Frage stellen.

Es ist einfach unerträglich, wenn suggeriert wird, dass das Innenministerium die Ausländerbehörden drängt oder zwingt, Abschiebungen vorzunehmen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Da könnte ich Beispiele nennen! Da könnte ich sogar Namen nennen!)

- Herr Bachmann, nun seien Sie einmal ein bisschen ruhig. Schauen Sie sich das Ausländerrecht einmal an! Wenn Sie Abschiebungen grundsätzlich ablehnen, dann müssen Sie sagen, dass Sie das Ausländerrecht schlichtweg außer Kraft setzen wollen. Denn im Ausländerrecht ist klar geregelt, dass jemand, der kein Aufenthaltsrecht bekommt, das Land verlassen muss. Derjenige ist dann zur Ausreise verpflichtet und muss das normalerweise auch tun. Wenn er nicht ausreist, bleibt in letzter Konsequenz nur die Möglichkeit der Abschiebung. Das ist keine schöne Aufgabe für die Ausländerbehörden und keine schöne Aufgabe für die Polizeibeamten.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Des- wegen wollen wir auch eine Bleibe- rechtsregelung!)

Aber, meine Damen und Herren, wenn man zu den Regelungen des Ausländerrechts steht, dann muss man auch zu diesem Mittel greifen. Dann darf man auch der Ausländerbehörde oder dem Innenministerium nicht in irgendeiner Weise unterstellen, dass dazu gedrängt wird. Das ist die Rechtslage.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Damit das nicht eintritt, wollen wir eine Blei- berechtsregelung!)

Und diese Rechtslage ist auch richtig. Wenn Sie diese Rechtslage nicht wollen, dann müssen Sie das Ausländerrecht ändern und sagen: Wer es geschafft hat, acht Jahre lang in Deutschland zu bleiben, dann soll er - egal, ob er einen Arbeitsplatz hat oder nicht - auch weiter in Deutschland bleiben. - Wenn das Ihre Haltung ist, dann müssen Sie das sagen und umsetzen.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Das haben wir gar nicht gesagt!)

Das ist jedenfalls nicht meine Haltung, und das wird in unserer Gesellschaft auch nicht akzeptiert, um es deutlich zu sagen.

(Beifall bei der CDU - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Sie müssen genau zuhören und nachlesen, was ich ge- sagt habe!)

- Ich habe Ihnen jedes Mal sehr genau zugehört.

Jetzt zu dem Punkt, der von Frau Polat angesprochen wurde: Bei Petitionen war es ja so: Es wird ein bisschen was öffentlich dargestellt. Aber wie der Fall wirklich liegt, wird nicht im Detail berichtet.

Bei der von Ihnen genannten kosovarischen Staatsangehörigen sind die Asylverfahren in den Jahren 1991, 1997, 1998 und 2000 erfolglos geblieben. Es hat eine gerichtliche Überprüfung stattgefunden, und es wurde ganz klar festgestellt, dass sie ausreisepflichtig ist. Im Jahr 2000 ist die Abschiebung angemeldet worden. Man hat es mitgeteilt, wie das normalerweise üblich ist - vor allem, wenn Kinder betroffen sind. Was ist passiert? - Die Frau ist untergetaucht. Dann ist sie wieder aufgetaucht, und das ganze Verfahren ist noch einmal durchgeführt worden.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Jetzt fangen Sie auch wieder mit Einzelfäl- len an!)

Die Abschiebung wurde wieder angemeldet, und sie ist wieder untergetaucht. Da sie untergetaucht ist, war klar, dass keine Möglichkeit zur Begünstigung im Rahmen der Altfallregelung besteht. Ich glaube, darin sind wir uns einig. Das ist im Ausländerrecht genau so geregelt.

Meine Damen und Herren, wenn jemand zweimal untergetaucht ist und dann wieder auftaucht, dann ist doch klar, dass beim dritten Mal nicht noch einmal mitgeteilt wird, wann genau abgeschoben werden soll.

Es wurde angeführt, dass Familien getrennt werden: Es war vorgesehen, dass sie zusammen mit ihrem Bruder abgeschoben wird. Da der Bruder aber nicht angetroffen wurde bzw. nicht auffindbar war, ist nur sie abgeschoben worden. Das ist aber nicht den Ausländerbehörden oder der Polizei vorzuwerfen, sondern das haben sich diejenigen, die sich nicht an Recht und Gesetz gehalten haben, selbst vorzuwerfen. Sie haben das selbst zu verantworten.

Ich bin es leid, in diesem Zusammenhang jedes Mal hier im Parlament mit Unterstellungen konfrontiert zu werden. Ich selbst halte das durchaus aus; das ist keine Frage. Aber Sie greifen ja nicht nur mich an, sondern Sie unterstellen, dass die Ausländerbehörden nicht vernünftig arbeiten. Das weise ich mit aller Entschiedenheit zurück.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das stimmt nicht!)

Herr Bachmann, dass Sie sich hier jedes Mal so aufführen, ist eine Sache. Aber ich setze nur das um, was meine Vorgänger - das habe ich Ihnen schon häufiger gesagt; und Herr Bartling kommt ja gerade herein -, Herr Bartling und Herr Glogowski, auch umgesetzt haben. Sie konnten gar nicht anders. Ich darf Sie noch einmal daran erinnern: Wir haben ein Ausländerrecht, und der Innenminister ist gehalten, dieses Ausländerrecht anzuwenden. Das tue ich. Wenn Sie mich hier so beschimpfen, nehme ich das hin. Sie beschimpfen damit aber genauso Ihren ehemaligen Innenminister, Herrn Bartling, in übelster Weise. Sie sollten einmal überlegen, ob Sie nicht eine klare Linie fahren und anerkennen wollen, dass es ein Recht gibt, was Sie selbst in Berlin mit verabschiedet haben. Das Zuwanderungsgesetz haben wir auch gemeinsam umgesetzt. Dazu muss man dann auch stehen, auch wenn es zum Teil schwierig ist.

Dass diese sehr unschönen Szenen entstehen - gerade wenn Kinder betroffen sind -, haben nicht die Ausländerbehörden zu verantworten, sondern diejenigen, die ausreisepflichtig sind und dieser Pflicht nicht nachkommen, die nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren. Diesen Punkt muss man einmal offen ansprechen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat zusätzliche Redezeit beantragt. Sie erhalten zwei Minuten, Frau Polat.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Schünemann, ich möchte für mich und meine Fraktion noch einmal ausdrücklich klarstellen - zum Teil wurde von anderen Kollegen etwas anderes unterstellt -: Wir nehmen jeden Einzelfall sehr ernst.

(Björn Thümler [CDU]: Wir auch!)

Wir haben sowohl zu den Ausländerbehörden als auch zum Innenministerium Kontakt aufgenommen, aber auch zu den Petenten selber und zu ihren Anwälten. Sie müssen an dieser Stelle wirklich einmal Folgendes deutlich machen: Dieses junge Mädchen ist 21 Jahre alt. Zu dem Zeitpunkt, den Sie meinten, als Sie eben vom Untertauchen gesprochen hatten, war das Mädchen 15, 16 Jahre alt. Sie hat sehr jung ein Kind bekommen und ist von ihrem Lebensgefährten misshandelt worden, mit dem sie dann letztendlich abgeschoben wor

den ist, obwohl bis vor Kurzem ein Näherungsverbot von 50 m bestanden hat. Das ist die Wahrheit. So etwas würden wir niemals verantworten; vielmehr verurteilen wir dies zutiefst. Deshalb stehen wir für unsere Politik ein. Wir haben keine selektive Wahrnehmung, sondern erkundigen uns nach den Tatsachen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD sowie bei der LINKEN)

Ebenfalls die Fraktion DIE LINKE hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Herr Adler, auch Sie haben zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich hatte es eben schon in einer Kurzintervention anzusprechen versucht, aber Sie haben es jetzt wieder so merkwürdig dargestellt. Gegenwärtig haben wir eine Wirtschaftskrise, die zu erhöhter Arbeitslosigkeit und natürlich auch zu erhöhten Schwierigkeiten für alle Menschen führt - auch für solche, die keine deutsche Staatsangehörigkeit haben -, eine Arbeitsstelle zu finden.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Gerade für solche!)

- Die haben es manchmal sogar besonders schwer. - Aber trotzdem gibt es doch einen Kreis von geduldeten Personen, die aufgrund längeren Aufenthalts in Deutschland schon sehr stark in die deutschen Lebensverhältnisse integriert sind, nun in den Genuss eines übergangsweisen Aufenthaltsrechts kommen und jetzt auf einmal einen Arbeitsplatz nachweisen müssen, den sie objektiv nicht bekommen können, obwohl sie sich darum bemühen. Die Frage ist: Was machen Sie mit diesem Personenkreis?

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben sechs, acht, jetzt zehn Jahre lang Zeit gehabt, einen Arbeitsplatz zu erlangen. In den Jahren

2007 und 2008 haben wir ein Wirtschaftswachstum gehabt. Gerade im Niedriglohnbereich gab es mehr Arbeitsplätze als noch vor zehn, fünfzehn Jahren. Jetzt darzustellen, dass sie in diesem Zeitraum von zwei Jahren gar keine Chance gehabt hätten, einen Arbeitsplatz zu erlangen, ist schlichtweg nicht richtig.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Polat?

Natürlich.

Herr Minister Schünemann, erklären Sie mir doch bitte einmal Folgendes - das ist wirklich die Realität in Niedersachsen und in Deutschland -: Bis vor Kurzem, bevor die Bleiberechtsregelung eingetreten ist, gab es die Vorrangprüfung. Es gab Arbeitsverbote in dem Sinne, dass die Menschen, die geduldet waren, zur freiwilligen Ausreise genötigt wurden. Vorrangprüfung heißt, Deutsche haben von Arbeitgebern vorrangig berücksichtigt zu werden, erst dann kommen Asylbewerber. Das ist eine große Hürde gewesen. Viele haben Bemühungen nachgewiesen und haben keine Arbeitserlaubnis bekommen oder sind an der Vorrangprüfung gescheitert.

Frau Kollegin, Sie müssen aber auch fragen!

Wie sehen Sie das?

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung von Kreszentia Flauger [LIN- KE])

Wenn das Asylverfahren stattfindet, ist ein Arbeitsverbot gegeben. Anschließend können sie eine Arbeit aufnehmen. Gerade im Hinblick auf die Änderung des Aufenthaltsgesetzes habe ich selber dafür geworben, dass diese Vorrangprüfung abgesenkt bzw. ausgeschlossen wird, damit sich die davon Betroffenen frei auf dem Arbeitsmarkt bewegen können. Dies ist meiner Ansicht nach wich

tig. Aber dennoch ist es jetzt möglich, ohne irgendwelche Beschränkungen

(Filiz Polat [GRÜNE]: Ja, jetzt!)

- seit 2007 - einen Arbeitsplatz auch ohne diese Vorrangprüfung zu bekommen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Eben haben Sie noch gesagt, die hatten acht Jahre Zeit!)