Conti ist zurzeit in der Lage, die Wirtschaftskrise zu einer Umstrukturierung zu nutzen, die Arbeitsplätze in Kurzarbeit zu parken und mit neuen, besseren Konzepten ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln. Das Land hat dafür das Signal gegeben, mit einer Bürgschaft bis zu 500 Millionen Euro eine Unterstützung zu gewähren. Weitere Schritte obliegen der unternehmerischen Gestaltung und ihrer zukünftigen Ausrichtung. Wir als Politik haben überhaupt nicht hineinzureden.
Ob Conti Schaeffler übernimmt, fusioniert oder sich wieder trennt, hängt ganz allein von der weiteren wirtschaftlichen Ausrichtung ab, die Sie, meine Damen und Herren von der SPD und von den Grünen, gar nicht abschätzen können. Lassen Sie also die Finger davon, sich in Dinge einzumischen, die Sie nicht bewerten können! Dafür sind die Geschäftsleitung und der Betriebsrat die bessere Adresse. Das hat sogar Herr Schostok eben erwähnt.
Im Moment hat sich hier dank des Entschlusses, verstärkt auf Kurzarbeit zu setzen, die Lage entspannt. Aber selbst auf dem Höhepunkt der schlechten Meldungen hat niemand bei Continental den Standort Hannover selbst infrage gestellt. Hannover soll in jedem Fall als das Kompetenz
zentrum für Rubbertechnologie der Continental gestärkt und durch ein neues Konzept belegt werden. Conti hat bis 2010 Zeit, ein neues Konzept zu erarbeiten. Diese Zeit wird sie nutzen, und wir wollen sie ihr geben. Das sind wir dem Unternehmen und insbesondere seinen Mitarbeitern schuldig.
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Hagenah das Wort. Wie bekannt, haben Sie anderthalb Minuten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau König, es ist allerdings eine interessante Umkehr der Beweislast, wenn Sie sagen, den Standort Deutschland würde man dadurch unattraktiv machen, dass man das Anschleichen und die feindliche Übernahme von Unternehmen auf diese Art und Weise durch gesetzliche Regelungen erschwert. Welches Verständnis von Wirtschaft haben Sie denn? Ist bei Ihnen das Haifischbecken der normale Umgang in der Marktwirtschaft? Wie stellen Sie sich das Soziale, das unserer Marktwirtschaft vorangestellt ist, denn überhaupt vor?
(Christian Dürr [FDP]: Sie haben Marktwirtschaft nicht verstanden, Herr Hagenah! Das ist das Problem!)
In unserem Antrag steht nichts weiter drin, als dass sämtliche Finanzderivate in die Kontrolle einbezogen werden sollen und nicht nur das Geld, das man einsetzt, um eine Aktie zu kaufen, und das einem selbst gehört.
- Nein, das ist genau richtig. Nur so kann man auf moderne Instrumente reagieren. Unsere gesetzlichen Regelungen sind von vorgestern, und am Markt agieren so einige, die immer neue Derivate entwickeln und diese gesetzlichen Regelungen damit unterlaufen.
Die Aktualität unseres Antrags ist mehr als gegeben, Herr Bode. Warum sonst wird derzeit gegen die Porsche AG ermittelt, die sich offensichtlich nicht die ganze Zeit über so offenbart hat, wie sie es gegenüber dem Markt hätte tun müssen? Dort wird zu Recht ermittelt, auch angesichts einer Mail, die an die Staatskanzlei gegangen ist, und ange
sichts von Gesprächen, die mit Mitarbeitern der Staatskanzlei geführt worden sind. Schon weit vor der offiziellen Ankündigung wurde der Plan verfolgt, die Mehrheit an VW zu übernehmen.
Ein solches Vorgehen schadet dem freien Markt und unserer Marktwirtschaft. Um genau dies zu vermeiden, sind die höheren Strafen, die wir in unserem Antrag beschrieben haben, notwendig.
Herr Hagenah, die bundesgesetzlichen Regelungen zur Regulierung der Finanzmärkte stammen im Wesentlichen aus der Zeit von Rot-Grün. Aber das nur am Rande.
Kommen wir zu dem eigentlichen Problem: Sie sagen, Sie wollen verhindern, dass sich Firmen anschleichen. „Anschleichen“ bedeutet, sich insgeheim Aktienbestände aufzubauen, um eine Mehrheit zu bekommen.
Jetzt frage ich mich, warum Sie nun diejenigen Swaps in die Meldepflicht einbeziehen wollen, bei denen ein Kaufpreis zu einem bestimmten Kurs vereinbart, die Lieferung der Aktien aber ausgeschlossen wird. Diese Swaps dienen nur dazu, die Wertentwicklung der Aktie abzusichern. Wie soll man auf diesem Weg jemals in den Besitz der Aktie gelangen?
Ich finde, wir sollten uns auf das Wesentliche beschränken. Dazu ist das Gesetz in diesem Jahr entsprechend geändert worden. Die Swaps werden bei den Meldegrenzen berücksichtigt, sofern die Aktienlieferung und nicht einfach nur ein finanzieller Ausgleich vorgesehen ist. Das macht auch Sinn, da hat die Große Koalition vernünftig gehandelt.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion wird den Antrag der SPD-Fraktion ablehnen, weil er überflüssig ist.
In dem Ziel, die Lkw-Reifenproduktion der Conti in Hannover zu sichern und dafür flankierende arbeitsmarktpolitische Instrumente zu nutzen, sind wir uns einig. Zur Erreichung dieses Ziels hat die Landesregierung vollen Einsatz gezeigt, und das mit Erfolg.
Die Ausgangslage war sehr schwierig. Im Januar hatten Betriebsrat und Management auf Werksebene die rechtsverbindliche Eckpunktevereinbarung mit der Kürzung von Kapazitäten bei Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen beschlossen.
Alle waren entsetzt, als der Conti-Vorstand im diametralen Gegensatz dazu plötzlich die Schließung der Lkw-Reifenproduktion in Stöcken bekannt gab. Im März war der Gesprächsfaden zwischen Conti-Vorstand und Betriebsrat gerissen. Am 17. März kam es in Stöcken zur ersten großen Demonstration.
Zeitgleich intervenierten Ministerpräsident Wulff und Wirtschaftsminister Dr. Rösler, und das mit Erfolg: Der Conti-Vorstandsvorsitzende Dr. Neumann erklärte sich bereit, mit dem Betriebsrat über die Zukunft der Reifenfertigung in Stöcken zu sprechen.
Für die CDU-Landtagsfraktion haben Ernst-August Hoppenbrock und ich am 20. März in Stöcken ein Gespräch mit dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Michael Deister geführt. Zu diesem Zeitpunkt hatten ihm alle drei Conti-Vorstände schon die Rückmeldung gegeben, aufgrund der Vermittlung durch die Landesregierung ein erstes Gespräch mit dem Betriebsrat zu führen. In dem Gespräch in Stöcken haben wir in drei Punkten Einigkeit erzielt: Erstens gibt es keine zwingenden betriebswirtschaftlichen Gründe, das Werk zu schließen. Zweitens müssen alle denkbaren arbeitsmarktpolitischen Instrumente - wie Kurzarbeit - und andere flexible Arbeitszeitmodelle genutzt werden, um die Werksschließung abzuwenden. Drittens ist ein langfristiges und tragfähiges Konzept für den Standort Hannover zu entwickeln.
Genau in diesem Sinne hat sich die Landesregierung weiter erfolgreich engagiert. Es ist nicht alltäglich, mit einem Minister zur Demonstration zu fahren. Mit unserem frischgebackenen Wirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler konnte ich das tun.
Bei der Großdemonstration in Hannover-Vahrenwald am 26. März hat er vor 5 000 Demonstranten vom Vorstand eingefordert, alle Möglichkeiten der Kurzarbeit zu nutzen.
Schließlich kam der Durchbruch: Nach harten Verhandlungen haben Konzern und Betriebsrat Mitte Mai eine Einigung unterschrieben, die nach den Worten der IG BCE den Konflikt um Stöcken „beigelegt“ hat. Damit ist die Schließung der LkwReifenproduktion bis zu einer endgültigen Entscheidung Mitte 2010 vorerst abgewendet. Ich habe dazu noch einmal die Presseerklärung der IG BCE vom 19. Mai 2009 dazu gelesen. Dort heißt es zu dem, was die Landesregierung erreicht hat, wörtlich:
„Geschäftsleitung, IG BCE und Betriebsräte haben eine einvernehmliche Lösung erzielt. Das Kompromisspaket nutzt alle arbeitsmarktpolitischen Instrumente und eröffnet Perspektiven für 2010. … Die Niedersächsische Landesregierung hat die Gesprächsinitiative positiv begleitet.“
Damit ist die wesentliche Forderung des SPDAntrags erledigt. Aufgrund des Kompromisses ruht die Lkw-Reifenproduktion ab Ende 2009. Für die dann verbleibenden Mitarbeiter gibt es Kurzarbeit null, bis Mitte 2010 über die Fortsetzung der Produktion entschieden wird.
Und nun kommt der entscheidende Punkt: Bei der Betrachtung, wie sich die Nachfrage entwickelt und wie darauf reagiert werden soll, darf der Standort Stöcken nicht außer Betracht gelassen werden. Das Werk in Stöcken darf nicht zum Bauernopfer zugunsten der anderen Conti-Werke in Europa werden.
Im Hinblick darauf ist es nun von Bedeutung, dass die Probleme, die bei der Übernahme von Conti durch Schaeffler entstanden sind, gelöst werden. Das wird die Hauptaufgabe unserer Landesregierung sein. Sie ist hier sehr stark engagiert. Ministerpräsident Wulff ist in der Wirtschaftswoche schon zum heimlichen Auto- und Wirtschaftskanzler ernannt worden, auch aufgrund des Engagements bei Conti.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Die Schleim- spur ist nicht zu übersehen!)
Insofern können wir optimistisch sein, dass die Produktionsstätte Stöcken mit ihren 300 Beschäftigten im kommenden Jahr gesichert werden wird.
Ich erteile jetzt dem Kollegen Jüttner von der SPDFraktion das Wort. Seine Fraktion hat noch eine Restredezeit von 2:11 Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Conti ist ein Weltkonzern, aber das Lkw-Reifenwerk liegt in meinem Wahlkreis.