Protocol of the Session on April 10, 2008

Heute unterhalten niedersächsische Hochschulen wissenschaftliche Kontakte mit chinesischen Hochschulen. Es gibt mehr als 150 Kooperationsvereinbarungen auf Hochschul- und Fachbereichsebene. Die Zahl der in Niedersachsen studierenden Chinesen hat sich seit 1999/2000 mehr als versechsfacht. Inzwischen sind mehr als 3 000 chinesische Studenten an niedersächsischen Hochschulen eingeschrieben.

Als letztes niedersächsisch-chinesisches Kooperationsprojekt möchte ich das Deutsch-Chinesische Institut für Rechtswissenschaften in Nanjing erwähnen, getragen von der Universität Göttingen und der Universität Nanjing. Sie spielt im Übrigen eine besondere Rolle im Rechtsstaatsdialog mit China.

Gerade die immer engere Kooperation im wissenschaftlichen Bereich kann einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis und zur langfristigen Öffnung der Volksrepublik China leisten. Tausende chinesischer Studenten, die an niedersächsischen Hochschulen studieren, können sich von den Vorzügen einer offenen, einer westlichen und einer demokratischen Gesellschaft ein Bild machen. Insofern sehen wir keinen Grund, unsere Partnerschaft mit Anhui infrage zu stellen.

Ein chinesisches Sprichwort besagt: „Auch der längste Weg beginnt mit dem ersten Schritt.“ Es ist tatsächlich noch ein langer Weg hin zu einem friedvollen Miteinander von Tibetern und Chinesen. Aber es ist höchste Zeit, dass die chinesische Führung jetzt ihren ersten Schritt macht und auf den Dalai Lama zugeht, der heute Morgen in Japan bekanntlich ein Interview gegeben hat, das heute Morgen um 8 Uhr auf n-tv verfolgt werden konnte. Er hat ausdrücklich zur Gewaltlosigkeit aufgerufen.

Eine weitere chinesische Weisheit kann uns helfen, die da lautet: „Fürchte dich nicht vor dem langsamen Vorwärtsgehen, aber fürchte dich vor dem Stehenbleiben.“ Das wollen wir in der Frage der Menschenrechte auf keinen Fall tun.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Rednerin ist Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Helmhold, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte es sehr gut gefunden, wenn wir unter allen fünf Fraktionen Einigkeit hätten herstellen können. Zum Teil war es wegen der Kürze der Zeit am Ende nicht mehr möglich, Formulierungen zu finden, die unsere Vorbehalte gegenüber einigen Formulierungen in Ihrem Antragsentwurf hätten - sagen wir einmal - entschärfen können oder die uns zu einer Einigung geführt hätten.

Ich möchte zwei Punkte aufgreifen. Erstens. Der erste Satz in Ihrem Entschließungsantrag lautet: „Tibet ist Bestandteil der Volksrepublik China.“ Das stellt niemand in Frage. Dies sollte in der heutigen Debatte aber nicht im Vordergrund stehen. Auch der Dalai Lama selbst betont, dass er keinesfalls an einer sozusagen staatlichen Unabhängigkeit, sondern nur an einer weitgehenden kulturellen Autonomie interessiert ist. Wir hätten uns hier eventuell auf einen Text einigen können. Aber wie gesagt: Die Kürze der Zeit hat dies nicht zugelassen.

Zweitens bin ich nicht damit einverstanden, dass Sie schon zum jetzigen Zeitpunkt einen Boykott der Olympischen Spiele ausschließen wollen. Ich halte es für unklug, das schon zum jetzigen Zeitpunkt so kategorisch zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir müssen uns diese Option offenhalten.

Meine Damen und Herren, das Europaparlament hat heute mit überwältigender Mehrheit eine Resolution verabschiedet, die sich in weiten Teilen mit dem deckt, was auch wir heute zu verabschieden gedenken. Es wird ein sofortiger zielgerichteter Dialog ohne Vorbedingungen mit dem Dalai Lama gefordert. Das Europäische Parlament hält sich ausdrücklich die Option eines Boykotts der olympischen Eröffnungszeremonie offen. Es fordert die sofortige Haftentlassung sämtlicher Tibeter, die friedlich demonstriert haben und nur deswegen in Haft genommen worden sind, sowie die sofortige Freilassung des Menschenrechtlers Hu Jia. Ich bin sehr froh, dass es auch auf der Ebene des Europäischen Parlaments eine solche Einigkeit in dieser Frage gibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Einigkeit, die wir hier im Hause mit dem gemeinsamen Antrag hergestellt haben, ist für uns - Herr Althusmann hat es bereits angesprochen - verbunden mit der Hoffnung auf Weiterentwicklung dieser Frage. Das heißt, die Entschließung, die wir hier heute verabschieden wollen, steht für mich nicht am Ende, sondern am Anfang einer notwendigen Entwicklung. Deswegen verbinden wir eine gewisse Erwartung mit dem heutigen Beschluss.

Wir erwarten z. B., dass zukünftig jede Reise - sei es eine des Präsidiums, sei es eine der Regierung - mit Menschenrechtsaspekten deutlich verknüpft wird. Das heißt, Presseerklärungen wie die des Wirtschaftsministers nach seiner Reise sollte es aus unserer Sicht nicht mehr geben. Es sollte auch solche Reden wie die gestrige von Herrn Schwarz mit der deutlichen Betonung der wirtschaftlichen Interessen Niedersachsens nicht mehr geben. Wir erwarten einen Einsatz von VW im Rahmen seines Sponsorings - inhaltlich und auch in äußeren Zeichen. Wir erwarten ferner, dass der niedersächsische Sportminister diese Verabredung, die wir heute treffen, zum Anlass nimmt, seinen Einfluss geltend zu machen und die niedersächsischen Athletinnen und Athleten, die an der Olympiade teilnehmen, darin zu unterstützen, ihre Meinung dort zu äußern, und sie vor Sanktionen zu schützen.

Wir hoffen, dass der Ministerpräsident seine gestern angekündigte Reise im Oktober im Sinne dieser Entschließung nutzt. Ich kann mir vorstellen, dass es vor dem Hintergrund des Tibetkonflikts

nicht undelikat ist, sich ausgerechnet zum Tag der Deutschen Einheit in China aufzuhalten. Da wird sicherlich ein gehöriges Maß an Diplomatie erforderlich sein. Wir hoffen, dass die Intention der Entschließung, die der Landtag heute verabschieden wird, in diesem Zusammenhang deutlich wird.

Wir wünschen uns auch, dass der Präsident des Niedersächsischen Landtags im Sinne der heutigen Entschließung aktiv wird und die Partnerprovinzen beispielsweise über den Beschluss des Landtages in Kenntnis setzt. Das wird eine eindeutige Willensäußerung sein. Das könnte der Auftakt zu einem neuen Dialog sein.

Alles in allem macht dieser Landtag deutlich, dass er Verletzungen der Menschenrechte nicht hinnimmt, nicht in China und übrigens auch nirgendwo sonst auf der Welt. Menschenrechte sind unteilbar. Als Frauenpolitikerin möchte ich noch betonen, dass Frauenrechte überall auf der Welt dazugehören.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Als Nächster spricht zu dem Thema Herr Detlef Tanke von der SPD-Fraktion. Herr Tanke, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja nicht immer so, dass Debatten im Landtag am Ende dazu führen, dass man sich aufeinander zu bewegt. Daher freue ich mich, dass die kontroverse Debatte im Rahmen der gestrigen Aktuellen Stunde zu diesem Thema dazu geführt hat, dass sich beinahe alle fünf Fraktionen, am Ende aber immerhin vier Fraktionen auf einen gemeinsamen Entschließungstext verständigt haben. Das ist sicherlich auch ein positives Zeichen für die Debattenkultur am gestrigen Tage.

Konkreter Anlass für diese Entschließung sind ja die Protestbewegungen in Tibet und deren gewaltsame Unterdrückung bzw. das gewaltsame Vorgehen gegen diese Protestbewegungen. Im tieferen Sinne geht es darum, diese Ereignisse zum Anlass dafür zu nehmen, auf die Menschenrechtssituation in China hinzuweisen. Insbesondere aber geht es zunächst einmal darum, auf eine Lösung der Konflikte in Tibet hinzuwirken. Es ist richtig, wenn wir in

dem gemeinsamen Antrag erwähnen, dass alle diplomatischen Mittel genutzt werden sollten, um zu einer Lösung zu kommen. Insbesondere die Einbindung des Dalai Lama erscheint den vier Fraktionen ein Ansatz dafür zu sein, zu einer Einigung zu kommen, um die wesentlichen Ziele der Protestierenden, nämlich das Recht auf kulturelle Identität und das Recht auf Religionsfreiheit, am Ende auch erreichen zu können.

In diesem Zusammenhang halte ich es für besonders wichtig, Nationen bzw. Länder daran zu erinnern, was sie öffentlich kundgetan haben. Die Volksrepublik China hat im Vorfeld der Vergabe der Olympischen Spiele eindeutig erklärt, die Menschenrechtslage verbessern zu wollen. Wir müssen aber feststellen, dass das nicht der Fall ist. Wir erwähnen auch konkrete Punkte in unserem Antrag, als da sind: die Verletzung der Meinungs- und Pressefreiheit, die Verfolgung ethnischer und religiöser Minderheiten, der konkrete Fall des Menschenrechtlers Hu Jia, dessen Freilassung wir in dem Entschließungsantrag fordern; ich will das ausdrücklich erwähnen. Darüber hinaus legen wir eindeutig noch einmal ein in Deutschland seit Langem gültiges Bekenntnis ab, indem wir zum Ausdruck bringen, dass wir die Anwendung der Todesstrafe weltweit verachten und weltweit deren Abschaffung fordern.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Wenn man in einer solchen Debatte Vorbild sein will, muss man vor allem betonen, dass Konflikte auf dieser Welt im Dialog miteinander gelöst werden müssen. Deswegen ist es richtig, darauf hinzuweisen, dass wir die bestehenden Partnerschaften nutzen sollten. Meine Vorredner und meine Vorrednerin haben darauf nachdrücklich hingewiesen. Deswegen will ich das nicht vertiefen. Ich denke, dass sowohl die Regierung als auch die Mitglieder des Landtages, die solche offiziellen Kontakte wahrnehmen, in nächster Zeit im Sinne des Entschließungsantrages die Probleme ansprechen müssen.

Ich will auch noch einmal an das erinnern, was ich gestern gesagt habe, nämlich dass Dialoge eine Kraft entfalten können, die man am Anfang nicht immer für möglich hält. So hat die Entspannungspolitik, die die sozialliberale Regierung unter Willy Brandt und Egon Bahr eingeleitet hat, am Ende zum Zusammenbruch des Ostblocks geführt. Ich glaube, das ist ein schöner Beleg dafür, dass man mit intensiven Gesprächen, mit Dialog und jahre

langem Einsatz für einen Ausgleich auch etwas erreichen kann. Das dauert aber seine Zeit. Wir hoffen, dass unser Entschließungsantrag am Ende auch dazu beitragen wird, die Menschenrechtslage in China entsprechend zu verbessern.

(Zustimmung bei der SPD)

Insgesamt halten wir es für wichtig, dass am Schluss des Entschließungsantrages noch einmal gesagt wird - das haben wir nie unterstellt; aber es ist gut, dass das noch einmal so deutlich formuliert wird -, dass die Landesregierung nicht beabsichtigt und dies auch niemals getan hat, an der Eröffnungsfeier teilzunehmen. Jeder öffentliche Repräsentant eines demokratischen Gemeinwesens in der Welt muss sich überlegen, ob er angesichts der aktuellen Ereignisse in China und angesichts dessen, was in China in den nächsten Wochen und Monaten noch passieren wird, an der Eröffnungsfeier für die Olympischen Spiele teilnehmen sollte. Ich glaube, dass alle dem Beispiel folgen sollten, das wir hier geben, nämlich aus heutiger Sicht an der Eröffnungsfeier nicht teilzunehmen.

Lassen Sie mich abschließend sagen, dass die SPD-Landtagsfraktion diese Entschließung ausdrücklich begrüßt; denn sie ist ein Zeichen für eine gewaltfreie Welt, für die wir uns einsetzen, und ein Zeichen dafür, dass wir die Einhaltung der universellen Menschenrechte an jedem Ort und in jedem Land auf dieser Welt fordern.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Als Nächster in der Rednerliste ist jetzt Herr HansHenning Adler von der Fraktion DIE LINKE dran. Herr Adler, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss, damit die Äußerungen von Herrn Sohn nicht immer fehlinterpretiert werden, noch einmal klarstellen, um was es ihm gestern bei dem Zitat aus dem Economist, bei dem es sich um eine Zeugenaussage handelte, gegangen ist.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Das war doch selbsterklärend!)

Ihm ist es darum gegangen, dass man ein vollständiges Bild von den Ereignissen in China und in Tibet gewinnt, und um nichts anderes. Diesem

vollständigen Bild wird Ihre Resolution eben nicht gerecht, wenn es dort heißt: „Das gewaltsame Vorgehen gegen die friedliche Protestbewegung in Tibet“. Sie war nämlich nicht friedlich. Wir hätten eine Formulierung finden müssen - da waren wir ja schon dicht beieinander -, die besagt: Wenn eine Protestbewegung friedlich ist, dann ist ein gewaltsames Vorgehen der Regierung dagegen zu verurteilen. - Da hätten wir sofort mitgemacht. Aber so, wie es hier steht, ist es einfach sachlich falsch.

Man möchte sich die Welt ja immer gerne so erklären, dass es bei den Konflikten einen Guten und einen Bösen gibt, und dann stellt man sich auf die Seite des Guten. In diesem Fall ist es aber - wie so häufig - komplizierter, und wahrscheinlich muss man das Böse auf beiden Seiten suchen. Das ist das, was mein Kollege Sohn versucht hat, deutlich zu machen.

(Unruhe bei und Zurufe von der CDU)

Das nächste Problem ist die Situation des Dalai Lama. Der Dalai Lama ist ja nicht nur ein kirchliches Oberhaupt, sondern der Dalai Lama versteht sich auch als Repräsentant einer Exilregierung, übrigens einer Regierung, die keine demokratische Legitimation hat und von keinem Staat anerkannt worden ist. Das macht es so kompliziert, Verhandlungen mit dem Dalai Lama zu fordern. Es ist besser, man spricht von Gesprächen, die geeignet sind, eine friedliche Lösung des Konflikts herbeizuführen. In diesen Gesprächen muss jedoch klargestellt werden - das ist das, was die chinesische Regierung zu Recht fordert -, das die territoriale Integrität Chinas - dazu gehört Tibet - gewahrt bleibt.

(Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Wogegen wir uns wehren - insofern bin ich ganz dankbar, dass der Vorredner von der SPD-Fraktion das Thema Todesstrafe angesprochen hat -, ist die selektive Wahrnehmung solcher Probleme. Das Thema Todesstrafe wird bei China zu Recht angesprochen. Aber warum wird es nicht angesprochen, wenn ein Bundespolitiker in die USA reist?

(Beifall bei der LINKEN)

Erst vor Kurzem haben wir erfahren, dass der Bürgerrechtler Abu Jamal der Todesstrafe entronnen ist; jetzt soll er lebenslänglich kriegen. Das ist doch die Realität in den USA. Wann passiert es denn einmal, dass Frau Angela Merkel nach einem Gespräch in den USA sagt: „Ich habe auch die Menschenrechtsproblematik angesprochen“?

(Beifall bei der LINKEN)

Angesichts der skandalösen Vorgänge in Guantánamo wäre das ja wohl mehr als angemessen.