Protocol of the Session on April 10, 2008

Die Landesregierung spricht sich für die bereits jetzt im Gesetz vorgesehene grundsätzliche Anwendung des Erwachsenenstrafrechts auf Täter im Alter zwischen 18 und 21 Jahren aus. Ich bin Jahrgang 1952 und erst mit 21 Jahren wahlberechtigt geworden. Wenn wir die Entwicklung der letzten Jahrzehnte betrachten, dann stellen wir fest, dass die Altersgrenzen, was die Verleihung von Rechten, auch des Wahlrechts, angeht, immer weiter abgesenkt wurden, auch aus guten Gründen; an der Kommunalwahl darf man auch schon mit weniger als 18 Jahren teilnehmen. Das ist gut so; ich bin damit einverstanden. Was die Behandlung der Heranwachsenden, der zwischen 18- und 21-Jährigen, im Strafprozess auch nach dem JGG angeht, fällt aber auf, dass wir hier einen gegenläufigen Trend haben. 1954 wurden 20,2 % der Heranwachsenden nach dem Jugendstrafrecht beurteilt; im Jahre 2004 waren es in den alten Bundesländern 62,6 %, mit steigender Tendenz.

Es gibt Bundesländer, in denen über 80 % der zur Verurteilung anstehenden 18- bis 21-jährigen jungen Leute nach dem JGG beurteilt werden. Das lässt doch ein bisschen darüber nachdenken, ob das alles zueinander passt. Die Wahrnehmung aller Rechte der Gesellschaft ab 18 Jahren muss mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und gegebenenfalls den entsprechenden Konsequenzen korrespondieren.

Vor dem Hintergrund zunehmender Jugendgewalt ist die Einrichtung einer neuen ressortübergreifenden Arbeitsgruppe sinnvoll. Ihr Aufgabenschwerpunkt sollte darin liegen, einerseits die vorhandenen präventiven und repressiven Maßnahmen der Landesregierung zu bündeln und aufeinander abzustimmen und andererseits dort, wo es nötig ist, Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. Dabei muss der besondere Fokus auf die Prävention von Jugendgewalt und Jugendkriminalität gerichtet sein.

Die Landesregierung wird - dies abschließend, meine Damen und Herren - weiterhin entschlossen gegen Jugendkriminalität vorgehen. Im Sinne der bewährten Doppelstrategie von Prävention und entschlossenem repressivem Einschreiten werden wir verstärkt Projekte und Maßnahmen fördern, wie z. B. PaC; das steht für „Prävention als Chance“. An diesem Projekt sind Polizei, Schulen, Kindertagesstätten, die Jugendhilfe sowie Kinder, Jugendliche und deren Eltern beteiligt. Darüber hinaus wirkt PaC integrationsfördernd; denn das Projekt vermittelt Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund Kenntnisse der deutschen Gesellschaftsordnung und der sie tragenden Werte und Normen. Niedersachsen ist gut aufgestellt. Zur effektiven Bekämpfung der Jugendkriminalität haben wir die bewährte Doppelstrategie von Prävention und Repression zu einem strategischen Dreieck erweitert. Integration, Prävention und Repression leisten gemeinsam einen entscheidenden Beitrag zur inneren Sicherheit und damit zur Fortentwicklung unseres Gemeinwesens.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ganz lieben Dank. - Aufgrund der Redezeitüberschreitung der Landesregierung und der Tatsache, dass sich Herr Kollege Perli von der Fraktion DIE LINKE zu einer Kurzintervention zu Wort gemeldet hat, haben Sie, Herr Kollege Perli, nach § 71

Abs. 3 unserer Geschäftsordnung eine Redezeit von drei Minuten.

Frau Präsidentin, vielen Dank. - Ich mache es auch ganz kurz. Ich möchte zu Herrn Busemann etwas ergänzen: Sprechen Sie einmal mit den Jugendrichtern über den Warnschussarrest! Sie sagen Ihnen, dass das Instrument völlig untauglich ist und dass es frühestens fünf bis sechs Monate nach der Verurteilung eingesetzt würde. Das ist meistens fast ein Jahr nach der Tat. Insofern kann man sich dieses Ding abschminken. Das hilft überhaupt niemandem weiter.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Über die Zurückweisung von Frau Lorberg habe ich mich sehr gefreut; denn diese Zurückweisung war ohne ein einziges Argument. Das spricht nicht gerade für die Stärke der Zurückweisung meiner Argumente.

Ich möchte abschließend aus dem Sicherheitsbericht der Bundesregierung zitieren. Wenn Sie das für falsch halten, dann können Sie das ja feststellen. Im Zweiten Periodischen Sicherheitsbericht der jetzigen Bundesregierung heißt es zu dieser Abschreckungsthese:

„Entgegen einer weit verbreiteten Alltagsmeinung erscheinen nach dem gegenwärtigen Stand der kriminologischen Forschung die Abschreckungswirkungen (negative General- prävention) von Androhung, Verhängung oder Vollzug von Strafen eher gering. Für den Bereich der leichten bis mittelschweren Kriminalität jedenfalls gilt grundsätzlich, dass Höhe und Schwere der Strafe keine messbare Bedeutung haben. Lediglich das wahrgenommene Entdeckungsrisiko ist - allerdings nur bei einer Reihe leichterer Delikte - etwas relevant.“

Ich stelle fest: Das ist ein Scheinthema. Sie können Ihren Schünemann wieder einstecken!

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung hat sich jetzt niemand mehr zu Wort gemeldet. Herr Minister Busemann möchte aber noch für die Landesregierung antworten. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Warnschussarrest beschäftigt uns bundesweit. Das kann man nicht einfach so abtun „Das ist alles sinnlos“. Fragen Sie einmal die Richter. Dann hätten wir uns die letzten Jahre so manchen Gedanken nicht zu machen brauchen.

Es gibt einen Personenkreis, der von den Jugendrichtern, auch in Anwendung des JGG, mit Recht zu einer Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt wird. Damit dieser Personenkreis nicht meint, einfach so davonzukommen und das alles gar nicht auf sich wirken zu lassen, ist es durchaus vernünftig zu sagen: Wir geben einen Warnarrest hinzu. - Dann lernen diese Personen für eine ganz knapp bemessene Zeit kennen, was auf sie zukommt, wenn aus der Bewährung eine tatsächlich abzusitzende Strafe wird. Für einen bestimmten Personenkreis kann genau das wirken.

Danke.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Adler möchte noch einmal sprechen. Nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung haben Sie eine Redezeit von zwei Minuten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Busemann, das, was Sie eben gesagt haben, provoziert mich zu dieser Wortmeldung. Sie als Jurist wissen doch, dass das Instrumentarium des bestehenden Gesetzes völlig ausreichend ist.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Eben nicht!)

Stichwort „Bewährungsstrafe“: Gucken Sie doch einmal in das Gesetz! Es gibt auch die Möglichkeit, Bewährungsauflagen zu erteilen. Im Rahmen der Bewährungsauflagen gibt es verschiedene Möglichkeiten, z. B. gemeinnützige Arbeit zu leisten und anderes. Es gibt auch die Möglichkeit, Geldauflagen zu erteilen.

(Zuruf von der CDU)

- Nein, wir müssen nicht immer gleich einsperren.

(Editha Lorberg [CDU]: Das wollen wir ja auch nicht!)

Sie können auch sagen: Wenn der Jugendliche diese oder jene Geldauflage mit Ratenzahlung annimmt, die im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten liegt, die für ihn aber doch irgendwie spürbar ist, dann kann er der verhängten Freiheitsstrafe entgehen, die zur Bewährung ausgesetzt ist.

Mit anderen Worten: Es gibt bereits einen Sanktionskatalog, der den Jugendrichtern zur Verfügung steht. Die Jugendrichter sagen - ich habe persönlich mit einigen gesprochen -: Diese Maßnahmen sind völlig ausreichend.

Der Arrest - auch das will ich Ihnen noch sagen - ist ungeeignet. Ich erkläre Ihnen auch, weshalb: Zurzeit wird der Arrest in der JVA Vechta, in dieser besonderen Arresteinheit Zitadelle, Gott sei Dank getrennt von den übrigen Straftätern vollzogen. Dort gibt es aber viel zu wenig Arrestplätze, was gegenwärtig zur Folge hat, dass zwischen der Verurteilung und der Verbüßung des Arrestes eine Zeit von drei Monaten entsteht. Das ist doch nicht sinnvoll!

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Zu einer Kurzintervention auf Herrn Adler hat sich Herr Kollege Bode gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich mache es auch ganz schnell. Aber man kann das, was Herr Adler gerade ausgeführt hat, nicht so stehen lassen.

Das Jugendstrafrecht ist sehr flexibel und auch sehr gut. Es ist richtig, dass man alles Mögliche miteinander kombinieren kann, auch bei einer Bewährungsstrafe. Allerdings erwecken Sie hier den Eindruck, dass auch das, was viele Experten sagen und was wichtig wäre, nämlich das Vorwarnen - was passiert mit einem Menschen wirklich, wenn er in Arrest ist? -, damit kombiniert werden könnte. Aber genau das ist eben nicht möglich. Sie können alles miteinander kombinieren, aber diesen Bereich nicht.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das, was Sie sagen, ist falsch!)

Sie sagen ja immer: Die Jugendrichter erzählen dies und jenes. - Sie suchen sich von den vielen Jugendrichtern wahrscheinlich einen aus, der Ihnen das erzählt. Aber die Experten und auch die Jugendrichter, mit denen wir reden und die in den

entsprechenden Funktionen sind, sagen: Wir brauchen dieses Instrumentarium. - Daher ist es richtig, dass wir das jetzt einführen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Herr Kollege Adler winkt ab; er möchte nicht antworten.

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit schließe ich die Beratung.

(Ralf Briese [GRÜNE] macht eine ab- wertende Handbewegung)

- Herr Kollege Briese, dafür erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. Sie wissen, dass das auch für Handbewegungen, Gesten und Mimik gilt. Das habe ich eben gesehen. Das erlaube ich nicht.

Wir kommen jetzt zur Ausschussüberweisung.

Es wird empfohlen, diesen Antrag dem Ausschuss für Inneres, Sport und Integration zu überweisen. Wer möchte so beschließen? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Hu- ckeduster!)

- Herr Kollege Biallas, für Ihre Bemerkung erhalten auch Sie einen Ordnungsruf.

Ich wünsche Ihnen jetzt einen guten Appetit. Um 15.30 Uhr sehen wir uns wieder.

(Unterbrechung der Sitzung von 14.22 Uhr bis 15.32 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Entsprechend der Erweiterung der Tagesordnung kommen wir vor Tagesordnungspunkt 20 jetzt zur Beratung folgender zusätzlicher Tagesordnungspunkte:

Erste Beratung: China im Vorfeld der Olympischen Spiele - Demokratie und Menschenrechte nicht mit Füßen treten - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/74