Protocol of the Session on April 10, 2008

Danke schön. - Zu einer Kurzintervention auf Kollegin Lorberg hat der Kollege Bachmann das Wort.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Gleich fragt er noch einmal, wo der Innenminister ist!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Lorberg und Herr Kollege Bode, wenn in dieser Debatte jemand Szenarien aufgebaut hat, die Angst machen sollen und die verleumderisch sind, dann waren es Ihre Beiträge.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich will sehr deutlich sagen, dass Herr Kollege Bode mit Zitaten von Gerhard Schröder nicht die reale Politik der SPD-Landesregierung beschrieben hat.

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

Nehmen Sie zur Kenntnis: Präventionsräte in diesem Land sind das Ergebnis der Innenpolitik von Gerhard Glogowski und Heiner Bartling.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU und bei der FDP)

Die Einführung der Sprachförderung für Migranten ist durch die Kultusministerin der SPD vorbereitet worden. Die Diskussion über Islamkundeunterricht oder islamischen Religionsunterricht - alles, was Sie sich hier an den Hut heften wollen - ist durch die Kultusministerin der SPD vorbereitet worden. Alles in der vorvorletzten Wahlperiode!

(Zustimmung bei der SPD)

Das Ergebnis Ihrer Politik, was Integration angeht, ist das Ersetzen hauptamtlicher Strukturen von Netzwerken, die Sie um 50 % gekürzt haben, durch ehrenamtliche Integrationslotsen.

(Editha Lorberg [CDU]: Die arbeiten hervorragend!)

- Ich will nicht bestreiten, dass sie gute Arbeit leisten, aber sie arbeiten ehrenamtlich und rühmen sich, mit 90 % - - -

Herr Kollege Bachmann, ich habe Ihnen das Mikrofon abgestellt, weil anderthalb Minuten vorbei sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegin Lorberg, möchten Sie antworten? - Das ist nicht der Fall.

(Zuruf von Victor Perli [LINKE])

- Herr Kollege Perli, es tut mir leid, eine weitere Kurzintervention auf eine Kurzintervention ist nicht möglich.

(Zuruf)

- Dann hätten Sie sich früher melden müssen. Das muss man sich vorher überlegen.

Jetzt hat für die Landesregierung Herr Minister Busemann das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darf für die Landesregierung und insbesondere für den hauptsächlich zuständigen Innenminister, der bekanntermaßen verhindert ist, sprechen. Gestatten Sie mir trotzdem eine persönliche Bemerkung. Es ist auch als Zuhörer interessant, welche Blüten eine solche Debatte treiben kann, von Vorschlägen Kopftuch tragender Richterinnen,

(Ralf Briese [GRÜNE]: Ja, sicher!)

von Überlegungen, die in der Konsequenz bedeuten, das Strafrecht ganz abzuschaffen, und anderem mehr bis hin zu pauschalierenden Darstellungen vor allem von der linken Seite. Das ist schon merkwürdig. Dann wundert man sich nicht, dass wir in Deutschland mit der Integration nicht so schnell weiterkommen, wie wir es alle gemeinsam möchten.

Eines kann man wohl vor allen Debattenbeiträgen unstreitig stellen: die besondere Bedeutung der Bildung, natürlich auch die besondere Bedeutung einer gerechten Sozialpolitik für das ganze Thema. Darüber muss man sich hier nicht fetzen. Wir wissen doch alle, dass wir da das Bestmögliche tun müssen.

Nun zur Sache, meine Damen und Herren. Die polizeiliche Kriminalstatistik der vergangenen Jahre ist eindeutig. Jugendkriminalität erlangt sowohl zahlenmäßig als auch in ihrer Erscheinungsform eine zunehmende Bedeutung. Das ist so. Der dadurch unmittelbar eintretende Schaden, aber auch die sich durch den Einstieg in kriminelle Karrieren

möglicherweise mittelbar ergebenden Folgen erfordern ein schnelles und konsequentes Handeln des Staates. Die Verhinderung von Straftaten ist oberstes Ziel. Ist sie nicht mehr möglich, muss die Strafe als eine Reaktion staatlichen Eingreifens spürbar, angemessen und zeitnah erfolgen.

Im Verhältnis zum Bevölkerungsanteil sind Jugendliche mit Migrationshintergrund in bestimmten Deliktsgruppen überproportional vertreten. Die Ursachen hierfür sind sicherlich vielfältig. Beispielhaft seien hier nur aufgeführt: mangelnde Bildung, mangelnde Sprachkenntnisse, kulturell anders geprägtes Verständnis von Rechts- und Werteordnung, problematisches familiäres Umfeld. Neben allen präventiven und repressiven Ansätzen gilt es gerade hier, auch integrativ gegenzusteuern.

Die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund ist eine der wichtigsten Herausforderungen, die Politik und Gesellschaft gegenwärtig und zukünftig zu bewältigen haben. Die Landesregierung steht jedenfalls für eine pragmatische und zeitgemäße Integrationspolitik.

Meine Damen und Herren, gelingende Integration ist eine typische Win-win-Situation: Integrationswillige Zuwanderer profitieren von unseren Fördermaßnahmen, und die Mehrheitsgesellschaft profitiert von den Fähigkeiten und Erfahrungen der Zuwanderer.

(Zustimmung von Roland Riese [FDP])

Gemeinsam gilt es, die Chancen gelebter Vielfalt zu nutzen. Wir dulden keine fremdenfeindlichen Vorurteile und extremistischen Einstellungen.

Deshalb gilt: Wer sich der Integration in unsere Gesellschaft bewusst verweigert und damit die innere Sicherheit gefährdet, wer schwere Straftaten begeht oder mit Extremismus und Terrorismus sympathisiert, muss mit Sanktionen und Repressionen rechnen.

(Beifall bei der CDU)

Um Straftaten insbesondere im Bereich der Jugendkriminalität entgegenzuwirken, werden wir die präventiven und integrativen Maßnahmen weiter intensivieren. Fördermaßnahmen, die auf die Stärkung der Familienkompetenzen, auf die Förderung des sozialen Engagements sowie auf die Verbesserung der Bildungschancen zielen, wirken präventiv. Fördermaßnahmen, die auf Menschen mit Migrationshintergrund ausgerichtet sind, zielen in erster Linie darauf, deren Integration zu verbes

sern. Gelungene Integration und positive Lebensperspektiven von Jugendlichen mit Migrationshintergrund können dazu beitragen, Straffälligkeit von Jugendlichen aus Zuwandererfamilien zu verhindern.

Meine Damen und Herren, der gemeinsame Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP verweist auf die bereits auf den Weg gebrachten umfangreichen Maßnahmen in Niedersachsen zur Prävention und Integration. Lassen Sie mich auf drei der genannten Maßnahmen aus der Sicht der Landesregierung und des Fachministers, also des Kollegen Schünemann, in gebotener Kürze eingehen.

Der Ausbau der Sprachförderung wurde schon angesprochen. Das frühzeitige Erlernen der deutschen Sprache ist der entscheidende Schlüssel zum Gelingen von Integration. Die grundlegenden Weichen für das Erlernen ausreichender Sprachkenntnisse werden bereits mit der Kinderbetreuung gestellt. Seit 2007 wird durch das Projekt „Das letzte Kindergartenjahr als Brückenjahr zur Grundschule“ die Bildungs- und Erziehungsarbeit in Kindertageseinrichtungen gemeinsam mit den Grundschulen verstärkt. Damit intensivieren wir auch die Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund.

Gerade wurde hier die Sprachförderung angesprochen. - Da juckt’s ja doch noch ein bisschen. - Es nützt ja nichts, Herr Kollege - der mit der großen Lautstärke eben -, irgendetwas zu konzipieren. Man muss auch Geld bereitstellen und umsetzen. Konzepte auf dem Papier helfen wenig. Es muss praktisch etwas getan werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Das gilt genauso für den islamischen Religionsunterricht. Ebenfalls seit 2003 wird in Niedersachsen islamischer Religionsunterricht modellhaft unterrichtet. Der Unterricht wird inzwischen an 26 Grundschulen erteilt. Rund 1 400 Schülerinnen und Schüler werden in deutscher Sprache unterrichtet. Niedersachsen ist damit Vorreiter und Spitze im bundesweiten Vergleich. Wir wollen, dass die religiöse Unterweisung von muslimischen Kindern und Jugendlichen landesweit in deutscher Sprache an staatlichen Schulen erfolgt. Zur Verhinderung von Parallelgesellschaften ist es unabdingbar, den Religionsunterricht auf der Grundlage von Artikel 7 Abs. 3 des Grundgesetzes unter staatlicher Aufsicht zu erteilen, transparent hinsichtlich seiner Inhalte und anspruchsvoll hinsichtlich seines Bildungsniveaus.

Ein anderes Stichwort: Integration und Sport. Der Sport führt Menschen mit und ohne Migrationshintergrund zusammen. In Niedersachsen verbringen rund 2,8 Millionen Menschen in 9 600 Vereinen sportlich vereint ihre Freizeit.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Eine Leistung des Sports, nicht Ihre!)

Das integrationspolitische Potenzial, Herr Kollege, und die präventive Wirkung sind insbesondere im Vereinssport enorm. Deshalb setzen wir hier einen besonderen Schwerpunkt. Wir haben das erfolgreiche Integrationslotsenmodell in den Bereich des Sports übertragen und bauen es weiter aus. Allein in diesem Jahr fördern wir mit 500 000 Euro durch die Richtlinie „Integration und Sport“ Modelle und Projekte der Integrationsarbeit im Sport, z. B. Mädchenfußballprojekte und auch den Boxsport von Spätaussiedlern. Die Einbindung in lokale Netzwerke gewährleistet dabei die effiziente Nutzung der Integrationspotenziale des Sports. Persönliche Wertschätzung und sportlicher Teamgeist beim Wettkampf entfalten ihre integrative und präventive Wirkung dort, wo sie nachhaltig wirken, nämlich im unmittelbaren Lebensumfeld der Jugendlichen.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung wird den eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen. Auf der Grundlage des Kabinettsbeschlusses vom 25. Oktober 2005 wird derzeit das Handlungsprogramm Integration fortgeschrieben. Folgende Themenfelder stehen dabei im Mittelpunkt: Sprache und Bildung, Ausbildung und Arbeit, soziale Integration, Integrationsstrukturen, Integration vor Ort, interkulturelle Kompetenz. Das Themenfeld „Prävention und Sicherheit“ wird darüber hinaus einen eigenen Abschnitt erhalten.

Wir werden die Ausbildungs- und Beschäftigungschancen von benachteiligten Jugendlichen mit Migrationshintergrund verbessern. So hat Niedersachsen in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein spezielles Angebot für diese Schüler an Haupt- und Realschulen entwickelt. Sprachförderung und Unterstützung bei der Berufsorientierung gehen dabei über den Schulabschluss hinaus. Niedersachsen ist auch hier Vorreiter.

Wir werden nachhaltig die Streit- und Konfliktlösungsfähigkeiten an unseren Schulen stärken. Viele Schulen kooperieren vor Ort mit anderen Einrichtungen in lokalen oder regionalen Präventionsräten. Rund 1 600 Beratungslehrkräfte sind mit 5 000 Anrechnungsstunden in 1 300 Schulen tätig. Vier Beauftragte für Gewaltprävention der Landes

schulbehörde beraten die Schulen bei der Entwicklung und Umsetzung gewaltpräventiver Maßnahmen. In der Lehreraus-, -fort- und -weiterbildung verstärken wir die Themenbereiche Gewaltprävention, Konfliktlösungsfähigkeit und Mediation.

Die Einrichtung von Schülergerichten ist angesprochen worden. Meine Damen und Herren, das wollen wir prüfen. Ich weise darauf hin, dass in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen Modellprojekte durchgeführt werden. Es lohnt sich, hinzugucken, wie andere das machen, ob da etwas geht. Ich darf Ihnen versichern, dass aus ihren Zuständigkeiten heraus die Kultusministerin - Thema Schule - und der Justizminister - Thema Justiz - darauf achten, dass die Dinge im Lot bleiben, und gucken, was in welchem Bereich geht. Aber gar nichts zu tun, hieße, manche Chance auszulassen.

Meine Damen und Herren, es darf kein Zweifel bestehen: Wer eine Straftat begeht, der muss mit Sanktionen rechnen. Hier muss der Staat konsequent sein und Verlässlichkeit zeigen. Deshalb setzen wir uns auf der Bundesebene für den sogenannten Warnschussarrest als ein entscheidendes Sanktionsmittel neben der Verhängung einer Jugendstrafe auf Bewährung ein - nicht ersatzweise, Herr Kollege Briese, sondern daneben. Es kann einen Personenkreis geben, bei dem der Richter genau diese Maßnahme für geeignet hält. Andere Maßnahmen - erzieherische Maßnahmen, Arbeitsauflagen - sind dadurch ja nicht abgeschnitten. Aber das Spektrum der Möglichkeiten wird doch erweitert.

Die Landesregierung spricht sich für die bereits jetzt im Gesetz vorgesehene grundsätzliche Anwendung des Erwachsenenstrafrechts auf Täter im Alter zwischen 18 und 21 Jahren aus. Ich bin Jahrgang 1952 und erst mit 21 Jahren wahlberechtigt geworden. Wenn wir die Entwicklung der letzten Jahrzehnte betrachten, dann stellen wir fest, dass die Altersgrenzen, was die Verleihung von Rechten, auch des Wahlrechts, angeht, immer weiter abgesenkt wurden, auch aus guten Gründen; an der Kommunalwahl darf man auch schon mit weniger als 18 Jahren teilnehmen. Das ist gut so; ich bin damit einverstanden. Was die Behandlung der Heranwachsenden, der zwischen 18- und 21-Jährigen, im Strafprozess auch nach dem JGG angeht, fällt aber auf, dass wir hier einen gegenläufigen Trend haben. 1954 wurden 20,2 % der Heranwachsenden nach dem Jugendstrafrecht beurteilt; im Jahre 2004 waren es in den alten Bundesländern 62,6 %, mit steigender Tendenz.