Protocol of the Session on April 10, 2008

Möchte Herr Kollege Bode antworten?

(Jörg Bode [FDP]: Ja, er ja hat eine Frage gestellt!)

Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, der Kollege Briese ist ja ein ganz netter Abgeordneter, und wenn er eine Frage stellt und um Aufklärung bittet, dann will ich die Frage gerne beantworten. Die empirischen Daten könnten natürlich noch besser sein, aber dass gar keine empirischen Daten vorliegen, stimmt einfach nicht. Natürlich gibt es die Statistiken aus den Staatsanwaltschaften und aus der Polizei, die wir nutzen können. Diese Daten sind unsere Grundlage.

Zu der Aussage von Gerhard Schröder, die ich zitiert habe, möchte ich in aller Deutlichkeit noch Folgendes sagen: Es stört mich wirklich, dass Frau Modder hier solche Dinge am Redepult sagt, nachdem die SPD in Niedersachsen 13 Jahre lang die Regierung gestellt hat - auch unter der maßgeblichen Führung von Gerhard Schröder - und eine Marschroute festgelegt hat, bei der im Bereich Jugendkriminalität die Sozialarbeit im Hintergrund und die Strafe im Vordergrund stand

(Widerspruch bei der SPD - Heiner Bartling [SPD]: Das ist doch dummes Zeug!)

und bei den Ausländern das Wort „raus“ nach vorne gestellt wurde.

Wir sagen: Wir machen es anders, wir wollen die Prävention nach vorne stellen. - Ein bisschen mehr Bußfertigkeit bei der SPD wäre ganz schön.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Herr Kollege Perli zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Vor uns liegt - welch Überraschung - ein echter Schünemann. Er ist zwar nicht da, der Regierungschef nicht.

(Zuruf von der SPD: Die Kultusminis- terin auch nicht!)

- und die Kultusministerin auch nicht. - Das Thema scheint vonseiten der hiesigen CDU insbesondere dazu gedacht zu sein, Innenminister Schünemann als Nachfolger des Bundesinnenministers Schäuble aufzustellen - als vordersten innenpolitischen Hardliner, nachdem Herr Koch und Herr Schönbohm faktisch abgesetzt worden sind und Herr Beckstein sich inzwischen wirklichen Problemen

zuwenden muss, nämlich dem Finanzloch bei der Bayern LB. Ich kann allerdings nur staunen, dass die FDP-Fraktion dem überhaupt nichts entgegenzusetzen hat.

(Jörg Bode [FDP]: Was?)

- Da brauchen Sie sich nicht wundern, Herr Bode.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: „Zu wundern“, so viel Zeit muss sein!)

- Reden Sie nicht immer dazwischen, das stört.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Das ist ja das Ziel des Dazwischenredens!)

Herr Försterling hat im Wahlkampf als Vorsitzender der Jungen Liberalen gesagt, nur eine starke FDP kann Herrn Schünemann bremsen. - Ich stelle fest: Die FDP fühlt sich nicht stark, oder aber sie ist es nicht.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Und jetzt noch die Er- klärung!)

Nun zu den Fakten. Die Überschrift Ihres Antrages klingt vielversprechend. Aber spätestens nachdem man die Phrasen ausgesiebt hat, bleibt nichts anderes übrig als noch mehr Law and Order und noch mehr Arroganz gegenüber den Problemen junger Menschen.

Wenn wir uns die polizeilichen Kriminalstatistiken anschauen, können wir feststellen, dass die Kriminalität in den vergangenen zehn Jahren zurückgegangen ist und auch die Jugendkriminalität seit 1996 zurückgeht.

(Editha Lorberg [CDU]: Das ist über- haupt nicht wahr! - Gegenruf von Jo- hanne Modder [SPD]: Sie müssen nicht immer glauben, was Herr Schü- nemann Ihnen erzählt!)

Ich verweise hierbei auch auf die Forschungsergebnisse von Herrn Wolfgang Heinz von der Universität Konstanz. Der wird von Ihnen dafür bezahlt, dass er für die Bundesregierung Expertisen zu diesem Thema schreibt.

Ein Horrorszenario von Horden straffälliger Jugendlicher wird entworfen. - Das ist sachlich völlig falsch und wissenschaftlich nicht belegt. Der Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger im Alter von 14 bis 21 Jahren ist in den letzten zehn Jahren von 25 % auf 17 % gesunken. Dennoch nutzen Sie Ihren Antrag ganz nebenbei dazu, das Gespenst von

kriminellen Ausländern zu beschwören und damit rassistische Vorurteile zu bedienen, wie es auch Herr Koch bereits mit großem Misserfolg getan hat.

(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: So ein Quatsch! - Karl- Heinrich Langspecht [CDU]: Das ist echt unerhört, was Sie hier reden!)

Mit keinem Wort wird in dem vorgelegten Antrag jedoch auf die tatsächlichen Ursachen von Jugendkriminalität eingegangen. Sie hat unabhängig von der ethnischen und kulturellen Herkunft der Täter fast immer mit fehlenden Perspektiven, einer abgebrochenen Schulausbildung oder prekären Verhältnissen als Ursachen zu tun. Die meisten der betroffenen Jugendlichen fühlen sich vom Staat ignoriert und an den Rand gedrängt. Ich empfehle Ihnen, anstatt Schülergerichten das Wort zu reden, darüber nachzudenken, warum diese jungen Menschen die Schule und den Rechtsstaat nicht mehr ernst nehmen. Anstatt Jugendliche auszugrenzen, muss man ihnen Bildungschancen eröffnen, Ausbildungs-, Arbeitsplätze und eine gerechte Entlohnung garantieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Statistiken zeigen nämlich, dass Jugendliche mit Schulabschluss signifikant weniger Straftaten begehen. Da kann ich mich ohne Vorbehalte den Empfehlungen des Kriminologen Christian Pfeiffer anschließen, der richtig sagte, die Politik sollte besser in Schulen investieren als in Gefängnisse.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Erneut kommen Sie mit der alten Leier eines intensiveren Jugendstrafvollzugs, obwohl gerade hier die Rückfallquote mit 80 % extrem hoch ist. Genauso untauglich sind das Vorziehen des Erwachsenenstrafrechts und der sogenannte Warnschussarrest, für den Sie sich einsetzen. Weder wissenschaftlich noch empirisch lässt sich belegen, dass die Verschärfung von Repression jemals zu einem Rückgang von Kriminalität geführt hätte.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Fazit kann also nur lauten: Es ist realitätsfern und bleibt reaktionär, soziale Probleme durch das Strafrecht lösen zu wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Als Präventionsmaßnahme brauchen wir dagegen eine Hebung des Lebensstandards der prekär lebenden Menschen in diesem Land, einherge

hend mit einer Bildungs- und Kulturoffensive sowie einer Ausfinanzierung der Jugendarbeit.

(Björn Thümler [CDU]: Sozialismus!)

- Ja, von mir aus auch Sozialismus. - Wenn Sie schon so stolz auf die Tradition des liberalen Bürgertums sind, dann empfehle ich Ihnen sehr, sich an den Strafrechtslehrer Franz von Liszt zu erinnern. Er sagte - ich zitiere -:

„Sozialpolitik stellt zugleich die beste und wirksamste Kriminalpolitik dar.“

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Wir reden über die Bil- dungspolitik, aber das macht ja nichts!)

Herzlichen Dank, Herr Perli. - Für die CDUFraktion hat sich Frau Kollegin Lorberg noch einmal zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Lieber Herr Kollege Perli, Ihr Beitrag war völlig falsch. Ich weise an dieser Stelle die Vorwürfe, die Sie gegen meine Fraktion erhoben haben, auf das Schärfste zurück.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Liebe Frau Modder, lieber Herr Briese, Sie haben davon gesprochen, dass Bildung ein Grundstein der Prävention ist. Darin stimme ich Ihnen ausdrücklich zu. Aber was tun Sie hier während der vielen Debatten, in denen wir von Schulpolitik sprechen? Oben sitzen so viele junge Menschen! Alle diese jungen Menschen werden in jeder Debatte von Ihnen bis auf Tiefste verunsichert und verängstigt.

(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN - Heiner Bartling [SPD]: Machen Sie sich doch nicht lächer- lich!)

Dann stellen Sie sich hier hin und meinen, dass unser Weg der falsche ist. Das ist lächerlich, Herr Bartling! Ich finde es ganz schlimm, dass Sie dies immer wieder tun. Denn nichts ist schlimmer, als jungen Menschen die Perspektive zu nehmen, indem man ihnen Angst vor der Zukunft macht. Das tun Sie hier in hohem Maße.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Lesen Sie Ih- re Anträge durch!)

Danke schön. - Zu einer Kurzintervention auf Kollegin Lorberg hat der Kollege Bachmann das Wort.