Protocol of the Session on May 13, 2009

Zweitens wollen Sie einen Prüfauftrag vergeben, wie die gemeinsame Betreuung von unter dreijährigen Kindern gewährleistet werden kann. Das ist in unseren Augen nach einem Jahr Beratung wirklich ein lächerliches Ergebnis; denn wir haben ja kein Erkenntnisdefizit, sondern wir haben ein Handlungsdefizit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Glocke des Präsidenten)

Das gilt drittens auch für den Modellversuch, den Sie fordern, ohne dass Sie irgendwo erläutern, was eigentlich Sinn und Zweck dieses Modellversuchs sein soll. In Nordrhein-Westfalen hat es schon Untersuchungen gegeben. Das Fazit ist dort - ich zitiere -: Insgesamt zeigt die Untersuchung das enorme Potenzial einer frühen Aufnahme in die Kita für die individuellen Entwicklungs- und Bildungsbiografien von Kindern mit schwierigen Ausgangsbedingungen. - Aber ich habe fast den Eindruck, dass das Ergebnis des niedersächsischen Modellversuchs eh schon feststeht.

Dieses letzte Jahr hätte wirklich sinnvoller genutzt werden können. Wir hätten eine Durchführungsverordnung zum Kindertagesstättengesetz verabschieden können. Wir hätten diese erweitert. Bisher ist es so, dass für Kitagruppen, die behinderte Kinder aufnehmen, bestimmte Regelungen gelten. So muss die Gruppengröße von 25 auf 18 Kinder reduziert sein. Dort ist auch geregelt, dass eine heilpädagogische Fachkraft zur Unterstützung der Erzieherinnen anwesend sein muss.

(Glocke des Präsidenten)

Doch genau solch eine Durchführungsverordnung wollen Sie für den Krippenbereich nicht erlassen; denn diese heilpädagogische Fachkraft müsste das Land bezahlen. Es geht also, wie immer, um das Geld. Man kann hier mit Fug und Recht sagen: Sie sparen bei den schwächsten Mitgliedern unserer Gesellschaft. Sie verstoßen gegen das niedersächsische Recht und auch gegen die UNKonvention zur Inklusion. Ich bitte Sie wirklich eindringlich, Frau Ministerin Ross-Luttmann: Sprechen Sie ein Machtwort! Schaffen Sie Integrationsgruppen!

Frau Staudte, Sie müssen bitte zum Schluss kommen!

Ja. - Legen Sie den Eltern mit behinderten Kindern nicht weiter Steine in den Weg!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Als Nächste hat sich Frau Groskurt von der SPDFraktion zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Diesen Antrag haben wir, wie Frau Staudte sagte, im Sozialausschuss mehrfach beraten, Unterrichtungen der Ministerien für Kultus und Soziales erbeten und gemeinsam einen Weg gesucht, um den Kindern und ihren Eltern verlässliche Rahmenbedingungen zur Integration von Kindern mit Behinderungen unter drei Jahren zu erarbeiten - und das fraktionsübergreifend.

(Heidemarie Mundlos [CDU]: Wir sind eben gründlich!)

Leider führten die Erkenntnisse, die durch die Beratungen gewonnen wurden, zu unterschiedlichen Bewertungen. Die Fraktionen von CDU und FDP sahen sich veranlasst, wieder einmal einen Änderungsantrag vorzulegen, der die notwendigen Forderungen eindeutig aufweicht.

Dabei wurde in den Beratungen mehr als deutlich, dass der Antrag der Grünen keine Forderung enthält, die nicht umgesetzt werden müsste. In diesem Antrag ist die Problemlage genau beschrieben, die sich momentan für Kinder mit Behinderungen und deren Eltern darstellt.

Wir könnten außerdem im Landtag schon ein ganzes Stück weiter sein; denn die SPD-Fraktion hat bereits im September 2008 in ihrem Gesetzentwurf zur Verbesserung der Qualität in Kindertagesstätten die Verbesserung der Integration von Kindern mit Behinderungen in Krippen gefordert. Diese Forderung wurde in der Anhörung von den Verbänden unterstützt. Sie erklärten, dass dieser Gesetzentwurf ein wichtiges Signal sei. Wenn also dem Gesetzentwurf der SPD zugestimmt worden wäre, wäre eine Lücke in den Rechtsvorschriften geschlossen worden.

(Zustimmung bei der SPD)

Ohne rechtsverbindliche Regelungen ist eine Planbarkeit integrativer U3-Plätze einfach nicht gegeben. Alle Träger fordern im Interesse der Kin

der mit Behinderungen unter drei Jahren und ihrer Familien, verbindliche und verbesserte Standards für diesen Bereich festzuschreiben.

(Beifall bei der SPD)

Die Träger haben mehrfach angeboten, sich an der Erarbeitung der Standards zu beteiligen. Sie äußerten deutlich ihre Enttäuschung, nicht in den Prozess einbezogen worden zu sein. Sie bitten im Interesse der Kinder und der langjährigen Erfahrung in der integrativen Pädagogik um umgehende Beteiligung. Diese kompetenten Mitberatungsangebote hat das Ministerium leider nicht angenommen, sondern CDU und FDP bitten in ihrem Änderungsantrag die Landesregierung - ich wiederhole das, was Frau Staudte in kurzer Form gesagt hat, um das zu unterstreichen -:

„1. alle Beteiligten über die bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten … zu informieren und einen Leitfaden … vorzulegen“.

Die Einrichtungen kennen die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten und merken zu dem Punkt an, dass es keine tatsächlichen Möglichkeiten gibt, die gemeinsam mit den rechtlichen Möglichkeiten in einem Leitfaden dargelegt werden könnten.

Zweitens. Weiter bitten sie die Landesregierung

„zu prüfen, wie die Qualität der Betreuung … von Kindern unter 3 Jahren in Tageseinrichtungen für Kinder entsprechend der Qualität der Integration im Kindergarten und der gesetzlichen Vorgaben zu gewährleisten ist, sodass weiterhin eine adäquate Förderung und Betreuung … sichergestellt ist“.

Auch dazu brauchen Sie nur die Träger zu fragen. Dann wissen Sie, wie die Qualität der Betreuung ist. Außerdem: Wie soll denn etwas weiterhin sichergestellt werden, was es so gut wie noch gar nicht gibt?

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Drittens soll auch noch „die Durchführung eines Modellversuchs“ geprüft werden, ohne allerdings im Geringsten ein Konzept für einen Modellversuch zu haben. Wir brauchen keine Modellversuche. Es gibt genügend praktische Erfahrung bei den Trägern.

In der Antragsbegründung werden die möglichst frühe Förderung der Kinder und die gemeinsame Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung ausdrücklich bejaht. In Niedersachsen gibt es aber bisher keine anerkannte integrative Krippe. Bisher werden ausschließlich kindbezogene Einzelfallentscheidungen getroffen. Diese Verfahren führen zu einem erheblichen bürokratischen Aufwand und einer zeitlichen Verzögerung des Ablaufs. Es müssen immer wieder und erneut beim örtlichen Jugendamt, Sozialamt, Gesundheitsamt Gutachten eingeholt werden. Ohne die Anerkenntnis des individuellen ambulanten Eingliederungsbedarfs wird keine Ergänzung zur Betriebserlaubnis erteilt, und die Einrichtungen dürfen nicht integrativ betreuen. Dies führt oftmals zu Zeitverzögerungen. Das geht bis dahin, dass die Kinder in der Zwischenzeit drei Jahre alt werden.

Ohne Durchführungsverordnung besteht für Eltern und Einrichtungen weiterhin in hohem Maße Planungsunsicherheit, und für eine integrative Betreuung müssen sie sehr viel persönliches Engagement und Durchsetzungskraft mitbringen. Entsprechend gibt es in Niedersachsen auch nur sehr wenige Kinder unter drei, die - zum Teil erst nach Gerichtsbeschluss - in einer Krippe integrativ betreut werden. Gerade besonders belastete Familien benötigen aber die Entlastung, die Unterstützung und die Förderung ihrer Kinder durch die institutionelle Betreuung.

Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, haben mit Ihrem Änderungsantrag die berechtigten Forderungen auf unbestimmte Zeit nicht nur auf Eis gelegt, sondern sie in dickem Eis begraben. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, ich mag nicht einmal mehr mit Ihnen streiten, da es einfach zu traurig ist, wie Sie Menschen in Niedersachsen mit ihren Schicksalen allein lassen

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

und notwendige Entscheidungen immer wieder verzögern und dadurch die Menschen enttäuschen. Das ist sehr bedauerlich. Ich hoffe für die Menschen in Niedersachsen, dass es die letzten vier Jahre sind, in denen Sie dieses Land regieren.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Nächster Redner ist Herr Humke-Focks von der Fraktion DIE LINKE. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Uns liegt eine Beschlussempfehlung des Fachausschusses vor, mit der die Mehrheit aus CDU und FDP weiterhin entgegen jeglicher Vernunft verhindert, dass in Niedersachsen die Möglichkeiten für eine integrative Förderung von Kindern mit Behinderung unter drei Jahren verbessert werden. Damit kommt diese Landesregierung zum wiederholten Male ihrer sozialpolitischen Verantwortung nicht nach. Das macht sie unglaubwürdig, und das ist der eigentliche Skandal.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Die Landesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen Niedersachsen/Bremen - lagE -, bestätigt nach Rückfrage unsere Auffassung, dass die vorliegende Beschlussempfehlung vollkommen unzureichend sei und dass es an der Zeit sei, über den Prüfstatus hinaus tätig zu werden und entsprechende Leistungen, wie im Ursprungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen aufgeführt, zu gewährleisten.

Wir als Linke teilen darüber hinaus die Auffassung der lagE, dass die bisher praktizierte Einzelfallregelung für eine integrative Förderung von Kindern mit Behinderung nicht mit der im Dezember 2008 beschlossenen UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung vereinbar sei. Ich frage Sie von den Regierungsfraktionen: Warum wird auch hier im Landtag diese UN-Konvention gefeiert und den anwesenden Menschen mit Behinderung und den Interessenvertretern suggeriert, das Land komme den Forderungen der Konvention nach, wenn Sie gleich bei der ersten Nagelprobe versagen? - Sie verbreiten lieber Broschüren mit Berichten über diese tolle Veranstaltung. Es war tatsächlich eine gute Veranstaltung, und wir haben den Menschen mit Behinderung und den Interessenvertretern zugehört. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Doch wenn man zu diesem Thema schon etwas veröffentlicht, dann muss man auch Taten folgen lassen, und das haben Sie mitnichten getan.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Ich erinnere mich noch sehr gut an die schönen Worte von Herrn Dinkla zur Einleitung und an die Rede von Frau Ross-Luttmann, und während der Abschlussveranstaltung, an der wir als Vertreter der im Landtag vertretenen Parteien teilnahmen, hat besonders Herr Rösler sein Herz für die Menschen mit Behinderung entdeckt. Ich höre noch die guten Worte von Frau Pieper und anderen. Doch anscheinend ist von diesen Worten außer vielleicht Schall und Rauch nichts übrig geblieben. Aber damit werden Sie die Menschen mit Behinderung und die Eltern behinderter Kinder nicht dauerhaft hinters Licht führen können.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Die Linke unterstützt nachhaltig die im Ursprungsantrag der Grünen aufgeführten berechtigten Forderungen der Betroffenen nach einer schnellen Umsetzung und nach Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen Förderung von Kindern mit Behinderung unter drei Jahren. Ich hoffe, dass es nicht der letzte Antrag war und dass wir uns weiterhin im Fachausschuss vernünftig darüber streiten werden. Ich kann Ihnen versichern: Das wird nicht das letzte Mal sein. Die betroffenen Menschen werden schon dafür sorgen, dass das Thema wieder auf die Tagesordnung kommt.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Jetzt erteile ich Frau Meißner von der FDPFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es stimmen würde, was hier gesagt wurde, dass es uns egal ist, was mit Kindern unter drei Jahren mit Behinderungen passiert, dann hätten wir tatsächlich den Antrag sofort abgelehnt. Genau das haben wir aber nicht getan.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das wäre ja auch schlimm gewesen!)

Von daher gesehen ist es absolut falsch, zu sagen, wir hätten ihn im ewigen Eis versenkt. Das Gegenteil ist der Fall. Die Tatsache, dass wir uns über ein Jahr lang intensiv damit befasst haben, dass wir uns von zwei Ministerien haben beraten lassen und um die besten Möglichkeiten für das weitere Vorgehen gerungen haben, zeigt, dass es uns

sehr wichtig ist, auch weiterhin an diesem Thema zu arbeiten.

(Beifall bei der CDU)

In der Diskussion im Ausschuss ist deutlich geworden, dass das Thema für uns mit der Beschlussfassung über den heute vorliegenden Antrag nicht abgeschlossen ist.