Ich denke, die Auszeichnung steht für einen Teil des Problems. Die Kooperative Gesamtschule Neustadt am Rübenberge hat die Auszeichnung „Starke Schule“ erhalten, weil sie am besten auf die Ausbildung vorbereitet. Meine Damen und Herren, erinnern Sie sich noch an den Zwischenbericht der Schulinspektion vom letzten Dezember, den wir hier debattiert haben? Dabei wurde ganz
klar gesagt: Im Grunde genommen wollen wir kein Ranking. - Es wurde infrage gestellt, ob es sinnvoll ist, ein solches Ranking aufzustellen. Nun ist das Ergebnis einmal gut - und jetzt wird munter gefeiert, was da angeblich zu feiern ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns nicht die Köpfe von einem Preis verdrehen lassen, der von einer privaten Stiftung in Kooperation mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und anderen Partnern vergeben wurde.
(Beifall bei der LINKEN - Jörg Bode [FDP]: Jetzt ist der Preis auch noch schuld! - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Ist der jetzt schlecht, weil es eine private Stiftung ist? - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Wenn es eine Stiftung in Volkseigentum wä- re, könnte man das anders sehen? Was ist das für eine Argumentation!)
Unabhängig von diesem Wettbewerb sollten wir darauf schauen, wie die Zukunftsaussichten der Hauptschulen und der Schülerinnen und Schüler an den Hauptschulen sind.
Sie können nicht daran vorbei: Diese Schulform wird von den Eltern systematisch abgewählt, weil sie den Kindern keine Zukunft bietet. Deswegen hat die Hauptschule letztendlich auch keine Zukunft.
Am Samstag bei der Großdemonstration gegen die Schulpolitik der Landesregierung hat die 19jährige Amina Yousaf von der IGS Mühlenberg gesprochen. Sie hat die Orientierungsstufe noch erlebt. Ihr wurde prophezeit: Mehr als einen Hauptschulabschluss kriegst du nicht hin. - Sie ging zu einer Integrierten Gesamtschule. Jetzt macht sie Abitur.
Wir können die Bildungsarmut in diesem Lande nicht durch Rettungsaktionen für die Hauptschule beseitigen. Wir müssen letztendlich das mehrgliedrige Schulsystem abschaffen.
Ich denke, es gibt durchaus positive Elemente. Eine Verzahnung von schulischer und beruflicher Bildung ist zu begrüßen. Wenn aber an zwei von fünf Schultagen die Arbeit für die Schüler dieses Hauptschulzweiges ausschließlich in der Berufsschule stattfindet, habe ich Zweifel; denn damit geht der Anspruch an ein durchlässiges Schulsystem, das auch danach noch einen Wechsel ermöglichen soll, verloren.
Mit einer eindeutigen berufsorientierten Ausrichtung nur der Hauptschulen zementieren Sie auch hier das gegliederte Schulsystem und messen zudem noch der Schullaufbahnempfehlung nach der vierten Klasse, die an sich schon unsinnig ist, noch mehr Bedeutung zu.
(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Ist Ihnen klar, dass es für die Realschule ebenso ist?)
Die KGS Neustadt ist, denke ich, eine gute Schule, weil sie andere Unterrichtsformen ermöglicht. Die Schüler sind motiviert. Sie übernimmt Formen anderer Schulformen. Das zeigt, dass eine gelungene Pädagogik im Ganztagsbetrieb tatsächlich bessere Ergebnisse bringt.
Das spricht aber nicht zwangsläufig dafür, dass dieses System die Hauptschulen retten wird. Der Schluss, den Sie aus dem Neustädter Modell ziehen können, ist nicht, dass das die beste Hauptschule Deutschlands ist.
(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das hat auch keiner gesagt! Ich habe gesagt, es geht um Berufsvorbereitung!)
Sie werden das Neustädter Modell, das z. B. bei der Regionalverteilung große Probleme bringt, nicht auf ganz Niedersachsen ausdehnen können. Das wissen Sie!
Sie verschlechtern dadurch die Durchlässigkeit. Sie werden dadurch nicht mehr Schulabgänger in Ausbildung bringen. Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass eine Verbesserung der Situation
auf dem Ausbildungsmarkt auch politische Entscheidungen seitens der Großen Koalition erfordert, z. B. eine Umlagefinanzierung zur Ausbildung. Nur so werden wir Mangel letztendlich beseitigen können. Die Hauptschule werden Sie damit sicherlich nicht retten können.
(Beifall bei der LINKEN - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Sehr gut! Bravo! - Ge- genruf von Karl-Heinz Klare [CDU]: Ich verstehe ja, warum Sie Beifall klatschen, aber verdient hat sie es nicht!)
Als nächster Redner hat sich Herr Poppe von der SPD-Fraktion zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Klare, die Vorwürfe über ein angebliches Schlechtreden der Hauptschule, die Sie konstruiert haben, gehen ins Leere. Niemand in diesem Haus redet die Hauptschule schlecht,
Der Arbeitskreis Kultus der SPD-Landtagsfraktion - übrigens ein personell sehr stabiler und engagierter Arbeitskreis -
hat der KGS einen sehr harmonischen Besuch abgestattet und sagt: Herzlichen Glückwunsch zu dieser Preisverleihung Herrn Dowerk, allen Kolleginnen und Kollegen der ganzen Schule und den Schülerinnen und Schülern!
Das war nur durch ein engagiertes und innovatives Kollegium möglich, angeregt durch ein von Ideen sprühendes Schulleitungsteam.
Ich möchte hinzufügen: Ebenso wie die KGS hätten auch die Berufsbildenden Schulen Neustadt einen solchen Preis verdient.
Glückwunsch auch an Herrn Marsch und sein Team; denn gemeinsam haben sie Grenzen überwunden - auch gegen Widerstände aus konservativen Kreisen.
Gemeinsamer Ansatz der Schulen war es, Motivationshemmnisse zu beseitigen und durch bessere Verknüpfung von Schul- und Berufsausbildung Chancen für Schülerinnen und Schüler zu verbessern. Dies ist kein Ziel für allein eine Schulform, sondern im Grundsatz für alle Schulen.
In Neustadt ist ganz bewusst auch eine Realschulklasse einbezogen worden. Gern hätte die KGS den Versuch noch weiter auf die Realschule ausgedehnt.