Protocol of the Session on May 12, 2009

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Arbeitslosenquote in Niedersachsen steigt zwar derzeit etwas langsamer als bundesweit, aber sie ist leider immer noch auf einem viel zu hohen Niveau. Zudem haben wir das Problem, dass in Niedersachsen in den letzten Jahren nur eines wirklich stark zugenommen hat, das sind die Teilzeitjobs, die gering bezahlten Jobs, die mittlerweile schon ein Drittel unserer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ausmachen. Die Zahl dieser Jobs ist deutlich stärker und schneller gestiegen als in anderen Bundesländern. In den letzten 15 Jahren haben wir in Niedersachsen tatsächlich 20 % unserer sozialversicherungspflichtigen Vollzeitstellen verloren. Das sind die Zahlen hinter dem derzeit noch einigermaßen ruhigen niedersächsischen Arbeitsmarkt.

Ein ganz harter Fakt ist allerdings, dass wir schon seit 2000 mit unserer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im Verhältnis zu allen west

deutschen Bundesländern schlechter dastehen. Im Durchschnitt aller westdeutschen Bundesländer ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausweislich des aktuellen Bildungsberichtes der Agentur für Arbeit gestiegen, in Niedersachsen dagegen aber gesunken. Das ist für uns ein alarmierendes Zeichen. Deswegen ist in der Krise natürlich schnelles Handeln notwendig. Aber Strohfeuer nützen niemandem, nachhaltiges Handeln ist hier notwendig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Wirtschaftsförderungspakete der Bundesregierung helfen da leider sehr wenig. Sie sind aus unserer Sicht nichts anderes als staatlich finanziertes Glücksspiel. Man steckt Milliarden herein, weiß aber nicht genau, was herauskommt. Nur eines ist sicher: Die Schulden steigen enorm.

Nur ein Anteil von 13 % der Konjunkturpakete des Bundes setzt tatsächlich auf unsere Zukunftstechnologien, auf Ökologie. Damit wird aus unserer Sicht eine große Chance vertan. In vielen Bereichen wird tatsächlich nur in Bestehendes investiert, aber nicht auf Zukunftstechnik gesetzt.

Noch schlechter ist die Wirkung des Aufstockungsprogramms dieser Landesregierung, egal, ob Schöninger Speere oder Emslandhallen. Hier wird zwar zusätzlich, aber überhaupt nicht nachhaltig investiert. Hier wird weder die Konjunktur belebt noch werden dauerhaft Betriebskosten gesenkt, sondern hier wird Geld ausgegeben, das eigentlich schon gar nicht mehr da ist.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ob Bundes- oder Landesregierung, beiden ist gemein: Sie verteilen in der augenblicklichen Krise ungedeckte Schecks. Dabei liegt die Lösung doch so nahe. Inzwischen sagen selbst konservative Wirtschaftsforschungsinstitute, dass die Zukunft unseres Arbeitsmarktes und damit der Ausweg aus der Krise in Deutschland in der Ökotechnik liegt. In diesem Bereich wird bei den Arbeitsplätzen ein Wachstumspotenzial von 100 % in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gesehen. Selbst konservative Wirtschaftsforscher halten ein Potenzial von 2,2 Millionen Arbeitsplätzen bei entsprechender Förderung für möglich.

Genau an dieser Stelle haben wir Grünen mit unserem „New Deal“ ein Gesamtpaket geschnürt, mit dem wir in Deutschland in den nächsten vier Jahren 1 Million neue Arbeitsplätze schaffen, davon 40 % im Bereich der Ökotechnik. Die übrigen Bereiche, in denen wir hohe Defizite haben, wurden

in der ersten Aktuellen Stunde schon angesprochen. Neben dem gesamten Bildungs- und Universitätsbereich ist hier der Gesundheitsbereich zu nennen. Wir brauchen aber auch - da bin ich mit Frau Weisser-Roelle durchaus einig - einen staatlich finanzierten sozialen Arbeitsmarkt für die Langzeitarbeitslosen. Trotz Förderung in anderen Bereichen und auch bei einem hoffentlich bald einsetzenden Aufschwung wird es anders nicht möglich sein, auch den Langzeitarbeitslosen wieder eine Perspektive zu geben. Allerdings sind wir über die Instrumente deutlich unterschiedlicher Ansicht, Frau Weisser-Roelle.

Der grüne Ansatz besteht vor allen Dingen im Umlenken vorhandener Geldströme zu effizienteren und zukunftsgerechteren Maßnahmen. Wir wollen nicht das unkalkulierbare Risiko großer neuer Schuldenberge, wie das andere hier vorschlagen, sondern dauerhaft finanzierbare Lösungen. Mit diesem Konzept gehen wir gerne in den Wettbewerb der verschiedenen Vorschläge, die hier vorgetragen werden, und sind uns sicher, dass wir dafür eine nachhaltige Unterstützung in der Bevölkerung und in der Wirtschaft finden werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Hagenah. - Für die FDPFraktion hat Frau Kollegin König das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Sofortmaßnahmen für Arbeit in Niedersachsen“ haben Sie Ihren Antrag überschrieben. Das ist kein ganz neuer Aspekt. Hätten Sie sich im Vorfeld ein bisschen besser informiert, dann hätten Sie feststellen können, dass wir einiges schon gemacht haben. Ich glaube allerdings, Sie wollten in der Aktuellen Stunde eher ein wenig den Ansatz „Staatswirtschaft vor Privatwirtschaft“ herausstellen.

(Beifall bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Verantwortung be- deutet das!)

Ihr Antrag für die Aktuelle Stunde suggeriert nämlich erneut, in Niedersachsen gebe es keine Maßnahmen zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. Seit Jahren existieren Programme, die nicht nur längst umgesetzt werden, sondern darüber hinaus

auch sehr erfolgreich sind. Den Staat, der alles richtet, brauchen wir hier nicht. Wir setzen lieber auf erfolgreiche soziale Marktwirtschaft.

(Marianne König [LINKE]: Wie bei Karmann?)

- Ich werde noch auf Karmann eingehen. Keine Sorge. Ihre Art, Karmann zu retten, bewirkt mit Sicherheit nichts weiter als heiße Luft.

(Beifall bei der FDP)

Wenn ein Wettbewerb nämlich nicht mehr besteht, dann kann man auch keine Arbeitsplätze mehr retten.

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Um im Wettbewerb einigermaßen erfolgreich zu bestehen, muss man ein bisschen mehr mitbringen als heiße Luft oder Versprechungen, die ins Leere gehen.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben einiges versucht, um Karmann zu retten. Wir haben eine ganze Menge dargestellt. Wir haben Auffanggesellschaften gegründet. Wir haben Gelder eingesetzt. Wir haben mit vielen Firmen darüber gesprochen, ob es möglich ist, dort andere Dinge anzusetzen und neue Produkte herzustellen. Wenn der Markt es nicht will, dann kann man es nicht herzaubern, auch wenn Sie es noch so sehr herbeisprechen.

(Beifall bei der FDP - Zurufe von den LINKEN)

Weil Sie anscheinend überhaupt nicht darüber informiert sind, was Niedersachsen alles schon gemacht hat, habe ich das einmal aufgeschrieben. Ich gebe es Ihnen gleich gerne schriftlich. Hier in Niedersachsen gibt es die Förderung zusätzlicher Ausbildungsplatzakquisiteure bei den Kammern, um die Angebote für Ausbildungsplätze zu verbessern. Ferner gibt es die Förderung zusätzlicher betrieblicher Ausbildungsplätze für Altbewerber und benachteiligte Bewerber, das Programm „2 000 x 2 500“. Weiter gibt es das Programm „Arbeit durch Qualifizierung“ zur beruflichen Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Dieses Programm zielt insbesondere auf jugendliche Arbeitslose unter 25 Jahren. Darüber hinaus gibt es die Weiterbildungsoffensive für den Mittelstand. Dieses Programm dient den Unternehmen bei der Anpassung und beim Strukturwandel und sichert Arbeitsplätze. Außerdem gibt es in Niedersachsen die

individuelle Weiterbildung, Unterstützung des Strukturwandels durch individuelle Weiterbildungsmaßnahmen. Schließlich gibt es die dynamische Integration in den Arbeitsmarkt, Vermeidung von Arbeitslosigkeit, Qualifizierung, Beschäftigungssicherung und Impulse für präventive Modelle. Außerdem haben wir das sogenannte 50-PlusPaket geschaffen, um gerade ältere Mitarbeiter, die von Ihnen früher oftmals in die Frühverrentung geschickt worden sind, weiter zu beschäftigen. Ich glaube, das ist schon eine ganze Menge für den ersten Ansatz. Es kann also keine Rede davon sein, dass wir nichts getan hätten.

(Beifall bei der FDP)

In der sozialen Marktwirtschaft werden besonders engagierte Mitarbeiter gehalten und nicht in die Arbeitslosigkeit entlassen. Gerade der Mittelstand ist dafür besonders prädestiniert. Er nutzt die Kurzarbeit im Moment sogar aus, um seine Fachkräfte möglichst lange zu halten und weiterzubilden. Das ist auch gut so und ganz besonders richtig. Deshalb stehen wir nach wie vor für diese soziale Marktwirtschaft, weil sie den Mittelstand stützt und dafür auch eine ganze Menge tut.

(Beifall bei der FDP)

Die Teilzeit - sie wurde gerade von Herrn Hagenah angesprochen - ist ein gutes Mittel, von dem einzelne Mitarbeiter insbesondere dann Gebrauch machen, wenn sie einer Vollzeittätigkeit nicht nachgehen können. Beispielsweise versuchen Familien mit kleinen Kindern, beide Beschäftigungsverhältnisse über Teilzeit aufrechtzuerhalten, um dann, wenn die Kinder größer sind, in ihrem Beruf wieder Vollzeit weiterzuarbeiten. Das ist ein sehr vernünftiges Mittel, um sich in der Phase der Familienplanung gemeinsam mit den Beschäftigungsverhältnissen über Wasser zu halten.

Ich bin weiterhin der Meinung, dass wir weniger Staat und weniger Bürokratie brauchen und vernünftige marktwirtschaftliche Regelungen und damit Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit weiter voranbringen müssen. Dies sind wichtige Indikatoren für unser Wirtschaftswachstum. Privatisierung und Öffnung des Arbeitsmarkts sind ordnungspolitische Daueraufgaben, und betriebliche Bündnisse müssen für die Arbeit möglich sein. Vertrauen in die Tarifparteien, wenn sie den Flächentarifvertrag dem Wettbewerb und den betrieblichen Lösungen anpassen, muss auch weiterhin möglich sein. Gerade in einer Zeit, in der wir einen flexiblen Wandel haben, ist es unentbehrlich, Unternehmen vor Überbelastung, vor Insolvenz und damit mögli

cherweise auch vor Abwanderung in Billiglohnländer zu schützen. Also: All das, was Sie fordern, führt im Prinzip zu Arbeitsplatzverlusten, nicht aber zum Erhalt von Arbeitsplätzen.

(Beifall bei der FDP)

Ihre sozialistischen Vorstellungen von Arbeitsmaßnahmen haben in einer globalisierten wettbewerbsorientierten Welt keine Aussichten auf Erfolg. Unsere Unternehmen und unsere Leistungsträger werden diese Maßnahmen auch vehement ablehnen.

(Beifall bei der FDP - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Sehr gut abgelesen!)

Ja, wir versuchen, damit so fair wie möglich umzugehen. Zum Teil erkennt man es, zum Teil erkennt man es nicht, Herr Jüttner. Wir versuchen, allen gerecht zu werden.

(Zurufe von der LINKEN)

- Ich fange jetzt aber nicht an, mit Ihnen zu diskutieren.

(Zuruf von der LINKEN: Das wollen wir auch gar nicht!)

Herr Will, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Thümler, ich hätte mir gewünscht, dass Sie mit dem Finanzturbokapitalismus etwas kritischer umgegangen wären und nicht nur in die eine Richtung geschaut hätten, sondern auch die eigentlichen Ursachen für die jetzige Krise benannt hätten. Das wäre ehrlicher gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Frau König, Sie haben eben Karmann angesprochen. Natürlich kann man Ihnen folgen, wenn Sie sagen: Im Endergebnis gibt der Markt das nicht her, wir haben Überkapazitäten. - Das ist richtig. Aber was ist eigentlich vor der Wahl passiert? - Ich kann mich genau daran erinnern, dass Ihre Partei, Herr Hoppenbrock und der Ministerpräsident selbst im Wirtschaftsausschuss und auch hier im Parlament bei den Arbeitnehmern unwahrscheinlich Hoffnung geschürt haben nach dem Motto „Die Aufträge sind in der Pipeline, die kommen schon“. Das alles hat sich nach den Wahlen wirklich als heiße Luft erwiesen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben gerade gesagt - manchmal ist Sprache ja auch verräterisch -: nicht nur über Wasser halten. - In der Tat wollen wir das nicht. Wir wollen nicht nur über Wasser halten. Wir wollen ordentliche Jobs mit ordentlicher Bezahlung und einem sicheren Arbeitsleben. Das wollen wir.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen nicht geringfügige Beschäftigung. Wir wollen auch nicht Armut durch Arbeit.