Meine Damen und Herren, zu Wort gemeldet hat sich noch einmal Herr Adler von der Fraktion DIE LINKE. Herr Adler, Sie haben noch 45 Sekunden.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 45 Sekunden reichen, um das, was ich gesagt habe, noch einmal klarzustellen.
Ich habe nicht gesagt, dass man solche Taten verhindern kann, sondern ich habe gesagt, dass man sich über Strukturen Gedanken machen muss, die einen solchen Vorfall immer weniger wahrscheinlich machen.
Sie müssen doch einmal darüber nachdenken, dass die nicht gesicherte Aufbewahrung von Waffen in der Wohnung nach dem Waffengesetz in seiner jetzigen Form lediglich als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. Deshalb frage ich Sie: Wie soll die Einhaltung des Waffengesetzes in diesem Punkt eigentlich durchgesetzt werden? - Sie haben ja zu Recht auf Artikel 13 hingewiesen. Man kann ja nicht so einfach in die Wohnungen hineinmarschieren. Deshalb ist das Waffengesetz an dieser Stelle nachzubessern.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach einem solchen Amoklauf, nach einem solchen Anschlag ist man fassungslos. Natürlich stellt man sich die Frage, wie so etwas passieren konnte.
Ich bin aber auch erschüttert darüber, dass nur wenige Stunden nach einem solchen Anschlag Experten, aber auch Politiker schon wissen, was alles geändert werden muss. Das ist meiner Ansicht nach nicht richtig.
Ich habe sehr großen Respekt vor den Eltern der Opfer, die in einer so schwierigen Situation einen offenen Brief an den Bundespräsidenten und an die Bundeskanzlerin geschrieben haben, in dem sie ganz wichtige Denkanstöße gegeben haben, über die wir ernsthaft nachdenken müssen.
Ganz wichtig nach einem solchen Anschlag ist, dass die Kinder und die Jugendlichen nicht nur in der betreffenden Schule in Baden-Württemberg, sondern auch in den niedersächsischen Schulen
betreut werden. Das, was in Baden-Württemberg geschehen ist, berührt jedes Kind. Ich bin den Lehrerinnen und Lehrern sehr dankbar dafür, dass sie so verantwortungsvoll mit diesem Thema umgegangen sind und entsprechende Gespräche mit den Schülerinnen und Schülern geführt haben. Das war wichtig.
Mich berührt aber auch, dass wir in Niedersachsen inzwischen mehr als 70 Drohanrufe von Personen bekommen haben, die darauf reagiert haben. Das ist kein schlechter Scherz mehr. Solche Anrufe, die noch 14 Tage nach dem Anschlag von Nachahmungstätern getätigt worden sind, müssen mit aller Konsequenz verfolgt werden. Ich kann nur an alle appellieren, von solchen Anrufen Abstand zu nehmen. Es ist ungeheuerlich, dass so etwas nach einem solchen Anschlag passiert.
Deshalb - an dieser Stelle muss man sehr vorsichtig sein - wende ich mich auch ganz deutlich an die Medien in unserem Land. Wenn ich mir vergegenwärtige, was direkt nach dem Anschlag von vor Ort, aber auch insgesamt berichtet worden ist, kann ich nur um Zurückhaltung bitten und darum, den Täter nicht so darzustellen, wie er zum Teil dargestellt worden ist; denn genau diese Darstellung bewirkt bei Kindern und Jugendlichen, die sich vielleicht ebenfalls in einer vermeintlich ausweglosen Situation sehen, solch eine Tat als Lösung anzusehen. Das sagen uns alle Wissenschaftler. Deshalb bitte ich die Medien, etwas mehr Zurückhaltung zu üben und den Täter nicht so darzustellen, wie es zum Teil geschehen ist, damit es nicht zu Nachahmungstaten kommt. Das wäre unverantwortlich. Darüber sollte man sich nicht nur beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen, sondern in unserer gesamten Medienlandschaft Gedanken machen.
Jetzt liegen viele Vorschläge vor, insbesondere auch, was das Waffenrecht angeht. Ich glaube nicht, dass es sinnvoll wäre, zu sagen, dass wir gar nichts ändern müssten. Es sollte aber auch nicht gesagt werden, dass das und das geändert werden müsse. Vielmehr muss, wie es der Kollege Bartling gesagt hat, ganz in Ruhe abgewogen werden. Deshalb hat die Innenministerkonferenz entschieden, sich dies im Detail anzuschauen und zu gucken, ob etwas und gegebenenfalls was geändert werden muss.
Wenn wir uns den Fall genau anschauen, können wir sehen, dass gegen das Waffenrecht verstoßen worden ist. Wir können das Waffenrecht noch so verschärfen; wenn dagegen verstoßen wird, können wir es nicht ändern. Deshalb muss gefragt werden, ob es nicht sinnvoll wäre, Kontrollen vorzunehmen. Außerdem muss durchaus auch einmal geschaut werden, ob all das, was geregelt worden ist, auch eingehalten wird. Das liegt auch im Interesse der Waffenbesitzer. Insofern ist der Artikel 13 des Grundgesetzes wichtig.
Wenn man eine Waffe zu Hause hat und diese nicht sachgerecht verschließt, dann geht davon eine Gefahr aus. Wir müssen alles daransetzen, dass dies verhindert wird. Ich bin deshalb sehr offen für die Forderung der Bundeskanzlerin, Kontrollen zu ermöglichen, damit so etwas nicht wieder passiert. Ich bin auch froh darüber, dass diese Forderung gerade auch vom Niedersächsischen Schützenverband sehr positiv aufgenommen worden ist. Er sagte: Wir wollen nicht, dass einige den Schießsport insgesamt in Misskredit bringen. Wir wollen, dass die Gesetze eingehalten werden. - Das ist wichtig.
Herr Minister Schünemann, mich würde interessieren, welchen Sinn es aus Ihrer Sicht überhaupt macht, Waffen in privatem Besitz zu haben und zu Hause zu lagern.
Jäger z. B. sind gehalten, eine Waffe zu haben. Jäger üben schließlich eine wichtige Funktion aus. Waffen müssen vorschriftsmäßig in einem Waffenschrank von der Munition getrennt untergebracht werden.
Alle anderen Vorschläge, die hier unterbreitet worden sind - dazu hat Herr Rolfes schon einiges gesagt -, sind gegen jede Praxis. Wer fordert, dass die Waffen und die Munition bei den Schützenvereinen zentral gelagert werden, der muss wissen, dass sich die Schützenhäuser meistens fernab von
den Dörfern und Städten befinden und zum Teil im Wald errichtet worden sind. Deshalb macht es keinen Sinn, zu fordern, dass die Waffen dort gelagert werden sollten. Dann müssten wir nämlich die Schützenhäuser schützen. Da wir das nicht können, könnte man dort leicht an die Waffen herankommen. Insofern ist dieser Vorschlag aus meiner Sicht nicht zielführend.
Meine Damen und Herren, es ist richtig, was dargestellt worden ist: Wir müssen sehr viel weitergehend ansetzen. Wir müssen an den Schulen und in den Familien ansetzen. Es ist richtig, dass wir einen Schwerpunkt insgesamt auf Gewaltprävention gesetzt haben. Dabei müssen wir sogar schon in den Kindergärten ansetzen.
Wir haben erst vor wenigen Jahren auch eine Kooperation mit den Lions abgeschlossen - Stichworte „Klasse 2000“ und „Lions Quest“, um nur zwei Beispiele zu nennen. Wir haben Gewaltpräventionsprogramme vorgeschlagen, die schon in vielen Schulen umgesetzt worden sind.
Es ist wichtig, dass wir das Selbstwertgefühl der Kinder und Jugendlichen stärken. So können wir sehr viel erreichen.
Wir haben uns als erstes Bundesland dafür eingesetzt, dass es für jede Schule eine Kontaktperson bei der Polizei gibt. Das ist ein entscheidender Punkt.
Insofern wäre es völlig falsch, jetzt sofort Veränderungen anzustreben, sondern wir müssen zunächst die Ursachen genau untersuchen. Dabei ist die Gesellschaft insgesamt gefordert. Trotzdem dürfen wir uns nicht verweigern. Gerade das, was die Eltern der Opfer uns mit auf den Weg gegeben haben, sollten wir sehr ernst nehmen. Insofern freue ich mich, dass die Innenministerkonferenz, aber auch die Große Koalition gesagt haben: Wir werden uns jeden einzelnen Punkt anschauen. Wir müssen alles daransetzen, zu verhindern, dass Kinder und Jugendliche ein solches Minderwertigkeitsgefühl bekommen, dass sie sich ausgegrenzt fühlen und sich Aggressionen daraus ergeben. Das ist unsere Hauptaufgabe.
Deshalb halte ich es nicht für richtig, so etwas in einer Aktuellen Stunde zu behandeln, sondern in dieses Thema müssen wir sehr viel tiefer einstei
Meine Damen und Herren, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat noch eine Restredezeit von 0:50 Minuten. Herr Briese, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erstens. Niemand hat für solch ein schwerwiegendes und kompliziertes Problem eine Patentlösung. Es hat auch niemand so getan, als wäre das der Fall. Ich jedenfalls habe versucht, in meinem Redebeitrag deutlich zu machen, dass das Problem kompliziert und komplex ist.
Zweitens. Ganz Deutschland diskutiert momentan über das Waffenrecht. Alle möglichen Zeitungen machen das - große und kleine, auch Nachrichtenmagazine. Nur Heiner Bartling findet anscheinend, dass das populistisch und völlig verfehlt ist. Sagen Sie das einmal Herrn Körting, Herr Bartling, und grüßen Sie ihn von mir! Ich finde, es ist sehr angebracht, nach einem solchen Vorfall auch über das Problem des Waffenbestands in der Bundesrepublik Deutschland zu reden.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Es kommt darauf an, wie man das macht!)
Drittens. Ist das deutsche Waffenrecht wirklich so scharf, wie es immer suggeriert wird? - Nein. Mein lieber Herr Oetjen, schauen Sie heute einmal in die Süddeutsche Zeitung. Es ist ein großer Mythos, dass unser Waffenrecht tatsächlich so scharf ist und so gut funktioniert.
Das müssen Sie mir einmal erklären: Warum ist es legal und erlaubt, in der Bundesrepublik Deutschland 16 scharfe Waffen und mehrere Hundert Schuss Munition zu Hause zu haben? - Da stimmt doch irgendetwas nicht! Das kann mir doch niemand erklären, verdammt noch mal!
Ja, Niedersachsen ist betroffen, weil entsprechende große Lobbyverbände auch aus diesem Bundesland kommen.
Fünftens. Letzte Bemerkung: Sollten wir über getrennte Lagerung reden? - Das ist hier mehrfach angesprochen worden. - Nein, das ist nicht das Kernproblem. Das Kernproblem ist, dass wir einen viel zu hohen legalen Waffenbestand haben; den müssen wir reduzieren.