Protocol of the Session on February 20, 2009

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Zusammenwachsen der Staaten Europas zu einer friedlichen Wirtschafts- und Sozialgemeinschaft erfordert, dass sich alle bewegen, dass alle zusammenrücken und dass sich alle für dieses Europa einsetzen. Wir bitten Sie, diesen Antrag noch einmal zu überdenken. Als Wahlkampfanreißer ist dieses Werk jedenfalls nur für die Karnevalszeit geeignet. Ich möchte mit dem großen Europapolitiker Jean Monnet schließen, den unser Ministerpräsident und Europaminister Christian Wulff in seinen Europareden ja auch oft zitiert hat. Ich zitiere: Wenn ich das Ganze mit der europäischen Einigung noch einmal zu machen hätte,

würde ich nicht bei der Wirtschaft anfangen, sondern bei der Kultur.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, nächster Redner ist Herr Tanke von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Thema Europa geht es nicht darum, nur Ja zu Europa zu sagen, sondern es geht darum, zu welchem Europa man Ja sagt. Dies darzustellen, ist der CDU und der FDP in ihrem Antrag meiner Meinung nach überhaupt nicht gelungen; denn sie blenden aus, dass es immer noch große Defizite bei der Sicherung sozialer Standards gibt und dass man Europa natürlich auch differenziert sehen muss. Es ist festzustellen, dass es durch die europäische Einigung enorm große Fortschritte beim Wohlstand gegeben hat. Auch wenn man hinsichtlich der Verteilung das Ganze wieder kritisch betrachten muss: Dieses Europa hat bewirkt, dass der Wohlstand gestiegen ist und dass wir seit mehr als 60 Jahren in Sicherheit leben. Die Vorzüge des Reisens und der einheitlichen Währung sind auch schon hinlänglich beschrieben worden.

Lassen Sie mich zum Antrag der Linken Folgendes sagen: Wir meinen, dass die Linke ihre Einstellung zu Europa einmal klären muss. Ich nehme sie überwiegend als antieuropäisch wahr; denn wer den Lissaboner Vertrag ablehnt - der ein Fortschritt für die Demokratisierung ist, auch wenn er Schwächen enthält, weil es ja ein Kompromiss von vielen Kräften in Europa ist -, begibt sich der Chance, Europa auch als Gestaltungskraft in einer globalisierten Welt zu stärken. Es geht darum, die kulturellen Errungenschaften, die wir in Europa haben, und die Werte, nach denen wir leben, die universellen Menschenrechte, als Grundlage einer offenen Gesellschaft zu verteidigen und auch den allgemeinen Lebensstandard in Europa zu erhalten. Sie müssen sich dazu bekennen, ob Sie Europa als Instrument ansehen, um Missstände und Fehlentwicklungen, die es auch gibt, mit Europa zu beheben, oder ob Sie mit Ihrer Ablehnung des Lissabon-Vertrags dazu beitragen wollen, dass Europa handlungsschwach bleibt.

Konkret auf Ihren Antrag eingehend, darf ich Ihnen sagen, dass Sie zwei Punkte von uns abgeschrie

ben haben; denn wir haben in unserer europäischen Fraktion vor Längerem einen Beschluss zu den 60 % des nationalen Durchschnittseinkommens gefasst.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Jahre nach uns!)

Auch über das Kindernotruftelefon haben wir hier schon des Öfteren gesprochen.

Lassen Sie mich nun auf den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP zu sprechen kommen. Herr Hogrefe, wer Europa in seinem Redebeitrag darauf reduziert, Herrn Pöttering als den europäischsten Staatsmann zu bezeichnen und eine Broschüre mit Herrn Wulff vorzuschlagen, der entspricht genau der generellen Einschätzung, die meine Kollegin Polat zu dem Antrag vorgenommen hat und die ich voll und ganz teile.

(Zustimmung bei der SPD und von Ursula Helmhold [GRÜNE])

Ich möchte auf drei Punkte Ihres Antrages näher eingehen. Sie beschreiben auf der ersten dreiviertel Seite - das ist schon angesprochen worden -, wie schön das alles in Niedersachsen sei. Ich habe mich auch gefreut, dass Sie unsere Einschätzung teilen, dass die Niedersachsen überwiegend weltoffen sind. Sie sagen sogar, dass sie weltoffen sind. Mehr aber noch müsste sich Herr Dr. Sohn darüber freuen; denn Sie haben ihn ja mit eingeschlossen, wenn Sie das so feststellen, obwohl Sie eben noch gesagt haben, das sei eine doktrinäre Kaderpartei. Sie dürfen sich also freuen, Herr Dr. Sohn, dass Sie nach dem Antrag auch weltoffen sind.

(Björn Thümler [CDU]: Bei 8 Millionen fallen 13 nicht so auf! - Weiterer Zuruf von der CDU: Vernachlässigbare Größen!)

Lassen Sie mich auf den zweiten Punkt eingehen. Er betrifft das soziale Europa. In Ihrem Antrag steht, dass diesen Aspekten Rechnung zu tragen ist. Da kommt nicht die Gleichrangigkeit zum Ausdruck, die wir bei diesem Thema fordern.

Dritter Punkt. Herr Bode, ich freue mich ausdrücklich, dass die FDP-Fraktion unter Nr. 3 des Antrages ausdrücklich anerkennt, dass es durch die Staatsbeteilung bei VW ein Gleichgewicht gibt. Bemerkenswert ist, dass ich hin und wieder etwas anderes von der FDP lesen muss. Sie müssen sich auch einmal entscheiden, was Sie in solchen Fällen konkret wollen.

Dieser Antrag ist insgesamt ein Jubelantrag. Es reicht auch nicht - Herr Hogrefe, Sie müssten das wissen -, sich nur an das Europäische Parlament zu wenden; denn das Europäische Parlament hat noch nicht das Initiativrecht der Kommission. Insofern müssen wir auch darüber nachdenken, den Europäischen Ministerrat anzusprechen. Natürlich geht es auch darum, dass die Landesregierung in der Verantwortung ist, über die Achse Hannover - Berlin - Brüssel Initiativen zu ergreifen. Wie sieht es mit solchen Initiativen der Landesregierung aus? - Aus meiner Sicht ist das sehr mager.

(Zuruf von der CDU: Was?)

Wir haben in den letzten Plenarsitzungen zwei dürftige Reden des Ministerpräsidenten dazu gehört. Ich will noch einmal auf das Januar-Plenum Bezug nehmen, in dem er erwähnt hat, dass die Landesregierung insbesondere mit den Aktivitäten des EIZ die Wahlbeteiligung stärken will. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass das EIZ so wenig Mittel hat, dass für den EU-Projekttag nur 100 Europakoffer zur Verfügung stehen, also nicht einmal ein Koffer für jeden Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages. So gehen Sie mit Europa um, meine Damen und Herren!

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Das ist traurig!)

Sie haben auch gesagt, Herr Wulff, die Ursache für die geringe Wahlbeteiligung sei - ich schätze diese Ursachenforschung; Sie haben das auch in der letzten Woche im Forum im Rathaus gesagt -, dass häufig nicht transparent sei, um welche Fragen es gehe. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Antrag Ihrer Fraktion wirklich eine Bankrotterklärung, weil Europa darin auf die Rolle des Zuschussgebers reduziert wird. Das greift unserer Auffassung nach viel zu kurz.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Wir glauben, dass wir viel intensiver und im Hinblick darauf, dass oftmals nicht klar ist, um welche Fragen es geht, konkreter um Europa streiten müssen. Für uns ist die bevorstehende Europawahl eine Richtungswahl, geht es doch darum, ob die neoliberalen Kräfte erneut eine Mehrheit bekommen, die für mich die geistigen Väter der Finanzkrise in Europa sind.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - David McAllister [CDU]: Was reden Sie für ein Blech!)

Mit ihren gescheiterten Parolen von der Privatisierung und den Selbstregulierungskräften der Märkte, die versagen, tragen Sie eine echte Verantwortung für das fast zusammengebrochene Finanzsystem.

(Heinz Rolfes [CDU]: So ein Ge- schwätz! Was man sich hier alles an- hören muss!)

Deswegen geht es für uns darum, dass die soziale Dimension, die im Hinblick auf den Fortschritt in Europa eher ein Schlagwort war, umgesetzt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Aus diesem Grund haben wir uns für die Verankerung einer Klausel in Bezug auf den sozialen Fortschritt eingesetzt, die dazu beiträgt, dass die Fragen von Rendite und sozialer Sicherheit auf Augenhöhe geregelt werden.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Ich hoffe, dass Sie am Ende unserem Vorschlag zustimmen werden, damit Ihre Aussage zur Bedeutung des sozialen Europas mit Nachdruck erkennbar wird.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es liegen zwei Wortmeldungen zu Kurzinterventionen vor, nämlich von Herrn Adler und von Herrn Riese. Bitte, Herr Adler!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Tanke, Sie haben unserer Partei vorgeworfen, sie sei europafeindlich, weil wir den EUVertrag von Lissabon ablehnen. Nun frage ich Sie: Unterstellen Sie denn auch der Mehrheit der französischen Bevölkerung und auch der Mehrheit der niederländischen Bevölkerung Europafeindlichkeit, die die EU-Verfassung in einer Volksabstimmung abgelehnt haben?

(Zuruf von der LINKEN: Und Irland!)

- Das kommt gleich. - Unterstellen Sie auch der Mehrheit der Bevölkerung von Irland, die den Lissabon-Vertrag in einer Volksabstimmung abgelehnt hat, europafeindliche Motive, oder können Sie sich auch vorstellen, dass man sagt „Wir sind prinzipiell für Europa, aber nicht so, wie es der Lissabon-Vertrag vorsieht“ und dass man aus die

sen Gründen den EU-Vertrag von Lissabon ablehnt?

Ich will Ihnen auch sagen, warum wir ihn ablehnen: Ein Vertrag mit einer Aufrüstungsverpflichtung, ein Vertrag mit einer völlig unzureichenden Beteiligung des Europäischen Parlaments an der Gesetzgebung und ein Vertrag, der soziale Grundrechte nicht wie das Grundgesetz formuliert und über die anderen Regelungen stellt, ist unzureichend und wird deshalb von uns abgelehnt. Wir sind aber trotzdem eine europafreundliche und internationalistische Partei; dessen können Sie gewiss sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, jetzt hat Herr Riese das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Wir wollen doch wohl alle hoffen, dass sich bei der Europawahl und auch bei der Bundestagswahl im Herbst dieses Jahres die neoliberalen Kräfte durchsetzen, Herr Tanke;

(Widerspruch bei der SPD und bei der LINKEN)

denn im Gegensatz zu der von Ihnen hier dargestellten Auffassung sind die neoliberalen Kräfte nicht für die internationale Finanzkrise verantwortlich. Der Neoliberalismus ist vielmehr mit Namen wie dem des früheren Wirtschaftsministers Ludwig Erhard verbunden, der für ein Staatsmodell eingetreten ist, bei dem eine soziale Marktwirtschaft durch einen starken Ordnungsrahmen des Staates gewährleistet wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Jörg Bode [FDP]: Genau!)

Meine Damen und Herren, jetzt hat Herr Tanke 90 Sekunden Zeit zur Erwiderung. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Adler, wir haben diese Debatte schon beim letzten Mal geführt. Ich habe eben ausgeführt, dass es auch Schwächen im Lissabon-Vertrag gibt. Aber es sollte Ihnen bewusst sein, welche Fortschritte gerade im Hinblick auf die Findung von Mehrheitsentscheidungen in Europa im Vertrag enthalten sind. Wer gegen diesen Vertrag ist, der verhindert

zukünftig solche Mehrheitsentscheidungen und lähmt die Entscheidungsstruktur Europas. Deswegen ist das antieuropäisch.

(Beifall bei der SPD - Kreszentia Flauger [LINKE]: Schluckt ihr eigent- lich jede Kröte?)

Herr Kollege Riese, Sie mussten bei der Frage des Neoliberalismus in der letzten Plenarsitzung schon einmal ein Zitat aus dem Jahre 1932 hervorkramen.