Protocol of the Session on January 16, 2009

Arbeit und Ausbildung strukturieren in sinnvoller Weise den Tagesablauf. Das sind gute Startbedingungen für ein Leben in Freiheit. Es ist eine Erfolgsgeschichte dieser Landesregierung, diese Leistungen erbracht zu haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Zur sozialen Verantwortung im Strafvollzug gehört selbstverständlich die menschenwürdige Unter

bringung der Gefangenen. Der Grundsatz des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes, Gefangene einzeln unterzubringen, ist zu 78 % verwirklicht. Mehr als drei Viertel aller Insassen verfügen über eine Einzelzelle. Darauf sind wir stolz. Vor 2003 standen lediglich für 52 % der Gefangenen Einzelzellen zur Verfügung. Mit dieser guten Einzelbelegungsquote geben wir uns aber nicht zufrieden. Was gut ist, kann noch besser werden. Wir wollen die Einzelbelegung der Zellen Schritt für Schritt weiter ausbauen. Das ist im Bereich der Untersuchungshaft vordringlich und wichtig. Gemeinschaftsunterbringung von drei und mehr Gefangenen soll es nicht mehr geben. Das Niedersächsische Justizvollzugsgesetz schreibt die Einzelbelegung als Grundsatz fest. Abweichungen zum Wohle der Gefangenen sind aber möglich. Das ist auch durchaus sinnvoll, wie die Praxis immer wieder zeigt. Sind Betroffene suizidgefährdet, gebrechlich oder haben sie selbst den Wunsch, nicht einzeln untergebracht zu werden, so sind die Anwesenheit und die Hilfe eines Mitgefangenen von Vorteil. Dafür muss es freilich gute Gründe geben.

Der Vorstoß des Ministers, für Hafträume bauliche Standards festzulegen, die eine menschenwürdige, rechtmäßige und sichere Unterbringung der Gefangenen gewährleisten, findet auf unserer Seite uneingeschränkte Zustimmung. Zu kleine Hafträume können Stress und Unruhe hervorrufen, zu Tätlichkeiten der Gefangenen untereinander führen und die Arbeitsbedingungen - auch das ist wichtig - der Bediensteten erschweren. Das soll nicht sein.

Unterstützend für den weiteren qualitativen Fortschritt des Justizvollzuges im Sinne einer noch stärker behandlungsorientierten Vollzugsgestaltung ist geplant, die Vollzugslandschaft in Niedersachsen neu zu ordnen. Dabei geht es nicht um die Erhöhung der Haftkapazität, sondern die Qualitätssteigerung im Vollzug ist das Ziel. Eine Neuordnung der Haupt- und Nebenanstalten schafft bessere Rahmenbedingungen für zukunftsfähige Strukturen, gerade auch unter wirtschaftlichen und verwaltungstechnischen Aspekten. Eine kleine Haftanstalt, die ebenso viele Gefangene wie Bedienstete hat - soweit ich weiß, gibt es in Alfeld mehr Bedienstete als Gefangene -, ist nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit nicht tragbar. Das ist zu beachten. Schließlich geht es um erhebliche Kosten im Landeshaushalt.

In diesem Zusammenhang soll auch der Jugendarrest reformiert werden. Die Zahl der Plätze für den

Kurz- und Freizeitarrest soll von 100 auf 165 aufgestockt werden.

(Zustimmung von Dr. Max Matthiesen [CDU])

Ein erhöhter Bedarf ergibt sich auch aufgrund des eingeführten Warnschussarrests, der bei schneller und nachhaltiger Vollstreckung bessere Wirkung entfalten kann. Strafe soll der Tat zeitnah folgen.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Umgestaltung der Vollzugslandschaft ist ein weiterer wichtiger Schritt hin zu mehr Qualität im Strafvollzug. Der Justizvollzug in Niedersachsen hat eine außergewöhnlich erfolgreiche Entwicklung genommen.

(Zustimmung bei der CDU und von Christian Dürr [FDP] - Zurufe von der SPD)

- Ja, das ist so. - Wir stehen mit voller Überzeugung dahinter. Mit unserem Antrag wollen wir die Strukturplanung der Landesregierung unterstützen. Wir plädieren für eine zügige Umsetzung. Die Erfolge gilt es fortzusetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, nächster Redner ist Herr Brunotte von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Welchen Stellenwert CDU und FDP ihrem eigenen Antrag beimessen, das haben wir gerade gesehen. 13 Abgeordnete sind bei einem so wichtigen Thema, das scheinbar einer Ihrer Schwerpunkte in der Regierungsarbeit ist, anwesend. Das ist mehr als jämmerlich.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

An der Stelle erhebt sich auch noch einmal die Frage: Warum dieser Antrag? - Er enthält keine Neuigkeiten. Minister Busemann hat bereits im letzten Jahr alle Details zur Neuordnung der Vollzugslandkarte vorgestellt und arbeitet an der Umsetzung.

(Ulf Thiele [CDU]: Herr Brunotte, mit Ihnen sind Sie zehn!)

- Wir sind auch ein paar weniger als Sie.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Sie sind der Elfte! - Unruhe)

Meine Damen und Herren, um das genau zu zählen, könnten wir jetzt einen Hammelsprung anordnen. Aber das möchte ich gerne vermeiden. Herr Brunotte, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Trauen Sie Ihrem eigenen Minister nicht mehr zu, dass er seine Ankündigungen umsetzt? Brauchen Sie dafür einen Antrag? - Die Pläne von Minister Busemann und Ihr Antrag sind eine Absage an alle, die sich für einen modernen und nachhaltigen Strafvollzug einsetzen.

(Christian Dürr [FDP]: Bitte? Was hat Ihre Partei denn gemacht?)

Wir hätten uns mehr gefreut, wenn Sie dem Landtag längst überfällige Änderungen für das Niedersächsische Justizvollzugsgesetz vorgelegt hätten. Das war aber leider nicht der Fall.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zu den Details Ihres Antrags: 850 Haftplätze geschaffen, Situation im Vollzug deutlich verbessert. Das stimmt. Das ist aber nicht wegen CDU und FDP so, sondern trotz CDU und FDP.

(Beifall bei der SPD)

Die Neubauten Sehnde und Roßdorf haben zu einer deutlichen Entlastung im Vollzug geführt. 850 zusätzliche Haftplätze sind geschaffen worden, aber nicht durch die Regierung Wulff. Vielmehr haben Sie das übernommen, was die Vorgängerregierung hinterlassen hat. Diese Neubauten haben Sie weitergeführt, aber nicht geplant.

(Beifall bei der SPD)

Wir freuen uns sehr, dass Sie endlich den Vorschlägen folgen, die wir und die Grünen gemacht haben, und Einzelunterbringung im Vollzug zum Standard erklären wollen, bei der Sie derzeit eine Quote von 78 % aufweisen können. Diese gilt es weiter auszubauen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zu- ruf von Gisela Konrath [CDU])

- Ja, ja, Frau Konrath.

Das Gleiche gilt auch für das Thema Beschäftigungsquote. 75 % sind ein richtiger Schritt. Aber

hier besteht an der einen oder anderen JVA noch deutlicher Handlungsbedarf. Hier gibt es sehr starke regionale Unterschiede.

Stattdessen aber gibt es Chaostage im Vollzug. Mit Ihrem Projekt Vollzugslandkarte und der Schließliste für neun Anstalten haben Sie für Unruhe und Verunsicherung gesorgt. Für Sie scheint größere Wirtschaftlichkeit im Strafvollzug das Thema zu sein. Erklären Sie uns doch bitte einmal, wie Wirtschaftlichkeit im Vollzug Ihrer Meinung nach bemessen werden soll! Ist das der allgemeine bauliche Zustand einer Anstalt? Ist das der Personalaufwand? Sind das Einsparungen bei Abläufen, weil sich nebenan ein Gericht befindet und lange Fahrten entfallen? Oder ist Erfolg auch ein wirtschaftlicher Faktor? Ist es erfolgreiche Resozialisierung?

Anstatt die Entscheidung mit Transparenz und nachvollziehbaren Kriterien zu unterlegen, lassen Sie die Streichliste nach reiner Willkür aussehen und bemühen sich auch nicht darum, Licht ins Chaos zu bringen. Hier ist mehr Kommunikation erforderlich, um die Beschäftigten nicht weiter über ihre berufliche Zukunft im Dunkeln zu lassen. Sie diskreditieren die erfolgreiche und engagierte Arbeit vieler Bediensteter im Vollzug. Das ist in keiner Form akzeptabel.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

CDU und FDP fordern mehr heimatnahe Unterbringung. Das ist ein gutes Ziel. Aber erklären Sie uns doch bitte einmal, wie durch eine zentrale Anstalt in Bremervörde Heimatnähe erreicht werden soll! Das ist ein Widerspruch, den Sie bisher in keiner Form aufklären konnten.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Gleiches gilt auch für die angeblichen Überkapazitäten im offenen Vollzug. Deshalb wollen Sie in Achim, Gifhorn, Holzminden, Königslutter und Osnabrück/Schinkelstraße Schließungen vornehmen. Ändern Sie doch endlich das Justizvollzugsgesetz! Offener Vollzug muss in Niedersachsen wieder zum Regelvollzug werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sorgen Sie dafür, dass mehr Inhaftierte in den offenen Vollzug verlegt werden können, und schenken Sie dem Vollzug mehr Vertrauen, damit sich Inhaftierte in der Freiheit erproben können!

Dann brauchen wir auch die vorhandenen Plätze. Eines ist ebenfalls klar: Offener Vollzug muss in den Ballungsräumen stattfinden, da nur hier ausreichend Arbeit, Behandlungsangebote und die erforderliche Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung stehen.

Es gibt katastrophale bauliche Zustände im Vollzug. Anstalten wie Hannover, Bückeburg, Wolfenbüttel und Osnabrück entsprechen in keiner Weise den Standards. Dort gibt es menschenunwürdige Verhältnisse in der Unterbringung, die weder für Bedienstete noch für Inhaftierte hinnehmbar sind.

Mit Blick auf diese Tatsache wirkt Ihre Forderung nach besseren baulichen Standards im Vollzug wie Hohn. Mit dem Haushalt für dieses Jahr stellen Sie trotz eines immensen Sanierungsstaus keine zusätzlichen finanziellen Mittel zur Verfügung. Aber 270 Millionen Euro für das ÖPP-Projekt Bremervörde werden bereitgestellt. Dabei handelt es sich um eine Anstalt mit 300 Plätzen. Im niedersächsischen Vollzug gibt es 7 700 Haftplätze. Davon sind mehr als 1 100 nicht belegt. Der demografische Wandel wird für weiter sinkende Haftzahlen sorgen. Ein Hafttag in Niedersachsen kostet fast 100 Euro. Hier wäre es deutlich effektiver, mehr auf Haftvermeidungsstrategien zu setzen und die Bewährungshilfe weiter zu stärken.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zur ÖPP: Wir haben uns im Sommer 2008 die teilprivatisierte Anstalt in Hünfeld, Hessen, angesehen. Das ist eine schöne Anstalt, die den baulichen Anforderungen an einen modernen Strafvollzug entspricht. Aber dann hört es auch auf. Die finanziellen Vorteile im Betrieb treten entgegen allen Prognosen nicht ein. Stattdessen kostet diese Anstalt jährlich 700 000 Euro mehr als eine konventionell betriebene Anstalt - also keine Einsparungen, sondern Mehrkosten.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)