Meine Damen und Herren, nächste Rednerin ist Frau Reichwaldt von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin, ehrlich gesagt, etwas erstaunt über die Stoßrichtung dieses Themas in der Aktuellen Stunde. Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, da stellen Sie die Auswertung des Bildungsgipfels in den Mittelpunkt dieser Aussprache. Aber was finde ich von den Vorreitern der Föderalismusreform? - Den Zusatz: „Bund muss Worten auch Taten folgen lassen“.
Ich gebe Ihnen dabei völlig recht: Der Bund muss in der Tat aktiv werden. Die Linke streitet seit Jahr und Tag für mehr Einfluss des Bundes in Bildungsfragen.
Für diese Überzeugung mussten wir uns von Frau Ministerin Heister-Neumann Kritik an unserem Staatsverständnis anhören, das nach ihrer Auffassung - ich zitiere - mit dem verfassten Föderalismus unserer Gesellschaft nichts zu tun hat. Es atme Zentralismus. - Liebe CDU-Fraktion, willkommen im Klub! Denn Ihr Antrag riecht zumindest nach Zentralismus.
Frau Heister-Neumann hat in dem Punkt recht, dass der gegebene Föderalismus anders aussieht, als wir ihn uns in Bildungsfragen wünschen. Deswegen verlangen Sie nur die halbe Miete, wenn Sie in Ihrem Antrag zur Aktuellen Stunde nur den Bund in die Verantwortung nehmen. Wer vom Bund redet, darf die Länder nicht verschweigen.
Schauen wir uns jetzt einmal die Ergebnisse des Bildungsgipfels an, und fragen wir uns, was von seinen Vorstellungen der Herr Ministerpräsident durchgesetzt hat! Sie, Herr Wulff, haben im Vorfeld des Bildungsgipfels die Einrichtung einer Stiftung gefordert, die Best Practices aus dem Schulwesen herausarbeitet und fördert, und Sie haben Unterstützung des Bundes bei der Schulsozialarbeit gefordert. Was ist daraus geworden? - Von einer Schulstiftung ist - vielleicht zum Glück - gar keine Rede mehr. Ansonsten hat der Satz:
nahme den Einsatz von zusätzlichen Jugendsozialarbeitern, unter anderem an Ganztagsschule, fördert“,
Eingang in das Abschlusskommuniqué gefunden. Verbindlichkeit? - Fehlanzeige! Finanzierung? - Unklar! Verbesserung des Status quo? - Nicht absehbar! Fazit: Scheitern auf der ganzen Linie.
Was ist sonst noch in den drei Stunden in Dresden passiert? - Beschlossenes wurde noch einmal beschlossen, Versprochenes wurde noch einmal versprochen.
Es gibt den Krippenausbau. Es gibt 100 Euro in jedem Schuljahr für bedürftige Kinder. Es gibt einen Hochschulpakt. Es gibt ein Förderprogramm für Altbewerber auf dem Ausbildungsmarkt. Wirklich substanzielle Schritte, verbindlich vereinbart, finanziell festgezurrt und umgehend umsetzbar, gibt es nicht. Man muss wohl schon Kanzlerin sein, um diesem Gipfel etwas Positives abgewinnen zu können.
Dabei hätten Sie die Chance gehabt, die bildungspolitische Kehrtwende in Dresden auf den Weg zu bringen. Nicht nur Vernor Muñoz, der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Bildung, hat nach seinem Deutschlandbesuch 2006 festgestellt, dass die soziale Situation der Menschen über den Zugang zu Bildung in diesem Lande entscheidet.
Wenn man wirklich den Bildungsgipfel erklimmen will, muss man Werkzeuge mitnehmen, mit denen man diesen Berg meistern kann.
Aber anscheinend hatten Sie nichts anderes dabei, und so sind Sie lieber im Tal geblieben und sind beim Gipfelsturm grandios gescheitert.
Was hätten Sie also gebraucht? - Den Mut zum Schließen der sozialen Schere; die Überzeugung, dass die Bildung von der Kita bis zur Weiterbildung
für die Bildungsteilnehmerinnen und -teilnehmer kostenfrei sein muss; die Überzeugung, dass die einzelnen Menschen, die Wirtschaft und die gesamte Gesellschaft von einem hohen Bildungsstand profitieren; somit die Überzeugung, dass die einzelnen Menschen, die Wirtschaft und die gesamte Gesellschaft dafür aufkommen müssen: Jeder und jede Einzelne über das Zahlen von Steuern gemäß seiner bzw. ihrer Finanzkraft; die Wirtschaft über eine Ausbildungsplatzumlage und einen Weiterbildungsfonds; der Staat wiederum, indem er die Bildungsangebote kostenfrei sowie nachfrage- und bedarfsgerecht zur Verfügung stellt.
Dazu hätte es einer großen Anstrengung von Bund und Ländern bedurft. Es wäre wirklich ein historischer Gipfel gewesen, wenn Sie dort die flächendeckende Lernmittelfreiheit, die Abschaffung der Studiengebühren und eine Ausbildungsplatzumlage verabredet hätten.
So gab es aber nur unverbindliche Versprechungen. Die Picknickgesellschaft trifft sich erst im Oktober 2009 wieder, um ihre Brote auszupacken. Bis dahin wird das Bildungssystem weiterhin am Hungertuch nagen.
Ich werde darauf aufmerksam gemacht, dass der Präsident vorhin bei der Eröffnung der Sitzung darauf hingewiesen hat, dass insbesondere in der Aktuellen Stunde Reden nicht verlesen werden dürfen. Ich denke, wir sind jetzt so lange gemeinsam im Parlament, dass das möglich sein müsste. Ich schlage vor, dass wir zukünftig bei allen Fraktionen sehr streng darauf achten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Klare, das ist schon unverfroren. Da haben Sie bei der Föderalismusreform alles getan, um den Bund aus der Bildung herauszuhalten, und jetzt machen Sie hier dicke Backen und fordern, dass der Bund endlich zahlt.
Herr Klare, mit Ihrer Erfolgsbilanz stehen Sie ziemlich allein. Der Bildungsgipfel war ein Riesenflop, nichts als heiße Luft. Immer wenn es hätte konkret werden sollen, begnügte man sich nämlich mit Absichtserklärungen und guten Vorsätzen.
Wir haben es eben diskutiert: Wenn das Finanzsystem in Nöten ist, wird entschlossen gehandelt, und Milliarden werden lockergemacht. Leidet die Bildung Not, wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt, und Entscheidungen werden auf die Zeit nach der Wahl vertagt.
Mehr gesamtstaatliche Verantwortung von Bund und Ländern in der Bildung tut dringend not. Doch leider hatte Frau Merkel die Rechnung ohne die CDU-Ministerpräsidenten gemacht. Schon im Vorfeld des Gipfels hatten sich diese Herren jegliche Einmischung verbeten und klargemacht, dass der Bund zwar Schecks abliefern könne, sich ansonsten aber herauszuhalten habe. Ein Trauerspiel!
Dieses Trauerspiel findet heute bei Ihnen seine Fortsetzung. Meine Damen und Herren, handeln Sie endlich selbst, statt Taten anderer zu fordern! Gelegenheiten dazu gibt es hier in Niedersachsen wirklich genug.