Förderung von Migrantinnen und Migranten, zuhören oder diejenigen, die es nicht interessiert, vielleicht still sind. Das Thema ist schon wirklich wichtig.
Auf das Gymnasium gehen nur 19,2 % der Zuwandererkinder. Hierbei ist die Übergangsquote weniger als halb so hoch wie bei den Kindern von Eltern deutscher Herkunft. 18,9 % der Zuwandererkinder bleiben ohne Hauptschulabschluss.
Meine Damen und Herren, diese Bildungsbenachteiligung der Kinder aus Migrantenfamilien ist eine schreiende soziale Ungerechtigkeit.
Glauben Sie nicht, es sei nur eine kleine gesellschaftliche Minderheit betroffen. Inzwischen ist jedes vierte Kind in Niedersachsen ausländischer Herkunft. Wir können und wir dürfen es uns nicht länger leisten, die Talente dieser Kinder ungenutzt zu lassen und sie weiter zu vergeuden.
Wir sind uns einig, dass die Sprache der Schlüssel zur Integration von Kindern aus Zuwandererfamilien ist. Es war deshalb richtig, dass die letzte SPDLandesregierung erste Schritte eingeleitet hat, um die Sprachförderung im Kindergarten und vor der Einschulung zu intensivieren. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat diese Ansätze fortgeführt, aber nicht mehr qualitativ weiterentwickelt. Sie hat die Mittel für die Sprachförderung im Kindergarten auf einem viel zu niedrigen Niveau eingefroren und die Förderstunden in der Schule reduziert.
Meine Damen und Herren, ist das alles, was Ihnen zur besseren Förderung von Kindern aus Zuwandererfamilien einfällt? - Dieses Minimalprogramm von Ihnen wird nicht reichen, wenn Sie ernsthaft die Zahl der Migrantenkinder, die keinen Schulabschluss erlangen, mehr als halbieren wollen. Was wir brauchen, ist ein ganzheitliches Konzept in den Kindertagesstätten - Herr Klare, das ist doch Ihr Thema -, mit dem die Sprachförderung im täglichen Ablauf in der Kindertagesstätte verankert wird. Es soll verhindern, dass Kinder mit Sprachproblemen immer herausgenommen und durch externe Kräfte geschult werden. Das beste Konzept kann aber nur greifen, wenn die Quote des Besuchs der Kindertagesstätten bei den Zuwandererkindern deutlich erhöht wird.
den. Es reicht nicht, wenn sich die Kinder in der Alltagssprache auf Deutsch verständigen können. Sie müssen auch in der Fachsprache in den Schulfächern der Sekundarstufe I die deutsche Sprache beherrschen, wenn sie Erfolg haben wollen.
Neben der Förderung der deutschen Sprache ist es auch wichtig, die Herkunftssprache stärker zu fördern. Das ist von der amtierenden Landesregierung sträflich vernachlässigt worden. Die Förderung der Herkunftssprache, meine Damen und Herren, ist nicht nur die notwendige Grundlage, um Deutsch als Zweitsprache zu lernen, es ist auch ein Signal, dass wir die besonderen Fähigkeiten der Zuwandererkinder schätzen und brauchen.
Meine Damen und Herren, die Verbesserung der Bildungschancen der Zuwandererkinder wird nur gelingen, wenn wir die Erzieherinnen und Lehrkräfte hierfür wesentlich besser qualifizieren. Deutsch als Zweitsprache und die interkulturelle Bildung müssen deshalb verpflichtend zur Ausbildung von Erzieherinnen und Lehrerinnen gehören. Daneben muss sich Niedersachsen verstärkt darum bemühen, Migrantinnen und Migranten als Erzieherinnen und Erzieher und als Lehrkräfte in die Bildungseinrichtungen zu holen.
Gerade sie können wichtige Vorbilder für die Kinder sein und deren Eltern dabei unterstützen, Zugang zu dem manchmal fremden deutschen Schulsystem zu finden.
Intensive Sprachförderung und bessere kulturelle Bildung sind notwendige Voraussetzungen, wenn die Integration besser gelingen soll und die Bildungschancen verbessert werden sollen. Letztlich wird die Diskriminierung dieser Kinder aber nicht überwunden werden können, solange die Landesregierung am selektiven Schulsystem festhält.
Denn insbesondere die Zuwandererkinder scheitern an den Übergängen im gegliederten Schulsystem. Auch bei gleichen Leistungen werden sie deutlich häufiger auf die Hauptschule und viel seltener auf ein Gymnasium empfohlen als Kinder deutscher Herkunft. Deshalb brauchen wir eine Schule, die diese Kinder nicht länger diskriminiert, sondern ihnen Zeit lässt, ihre Talente zu entwickeln, eine Ganztagsschule mit längerem gemeinsamem Lernen und ohne frühe Selektion nach
Klasse 4. Als ersten Schritt dahin müssen wir die diskriminierenden Schullaufbahnempfehlungen abschaffen und durch eine individuelle Lernbegleitung und -beratung ersetzen.
Wenn wir Ihren Bekundungen glauben dürfen, sind wir uns im Ziel einig, Migrantenkinder in unserem Bildungssystem wesentlich besser zu fördern. Wir möchten gern zu unseren Vorschlägen auch die Migrantenverbände in den Kultusausschuss einladen und anhören. Ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, dass wir uns dann auf Maßnahmen einigen können, damit wir etwas weiterkommen.
Meine Fraktion unterstreicht die Bedeutung dieses Themas noch dadurch, dass wir parallel zu diesem Antrag zur Schulpolitik des Landes eine Stellungnahme zum Grünbuch der EU-Kommission formuliert haben. Meine Kollegin Filiz Polat wird die Details im Fachausschuss mit Ihnen diskutieren.
Lassen Sie uns gemeinsam diese Chance nutzen, uns ernsthaft mit der großen Herausforderung auf allen politischen Ebenen zu befassen, damit es endlich tatsächlich Fortschritte für die Kinder aus Zuwandererfamilien gibt!
Meine Damen und Herren, bevor ich die Wortmeldung der nächsten Rednerin aufrufe, erteile ich Frau Körtner zu einer Kurzintervention das Wort. Bitte schön!
Liebe Frau Kollegin Korter, Sie scheinen die Realität in diesem Land zumindest bei diesem Thema nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen. Ich denke, dass Sie mir darin zustimmen, dass die Ergebnisse von Verbesserungen in der Bildung nicht von jetzt auf gleich eintreten können.
Ich erinnere daran, dass in allen dritten Klassen an allen Grundschulen in Niedersachsen im Juni der Deutschtest geschrieben worden ist. Ich darf Sie an das Ergebnis erinnern. Es lautet, dass in diesen dritten Klassen annähernd 90 % aller Kinder mit Migrationshintergrund die gleichen guten Deutschkenntnisse haben wie die Kinder deutscher Her
kunft. Nun könnte man sagen, das Niveau ist vielleicht ein bisschen gesunken. Früher lag es zwischen „gut“ und „befriedigend“, heute liegt es aber zwischen „gut“ und „sehr gut“. Das ist das Ergebnis unserer Sprachförderung, die es früher nicht gegeben hat und die wir mit einem riesigen finanziellen Aufwand für diese Kinder in diesem Land zur Geltung kommen lassen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Körtner, wenn Sie denn zugehört hätten, hätten Sie gehört, dass ich gesagt habe, die von der SPD eingeführte Sprachförderung ist weitergeführt worden. Sie findet zwar statt. Sie ist aber nicht konsequent genug und hat nicht den richtigen Ansatz. Wir haben im Kultusausschuss darüber gesprochen. Fragen Sie einmal Ihren Kollegen Klare! Der kennt sich aus.
Die Kinder werden aus den Kindertagesstätten herausgenommen, von Grundschullehrerinnen und -lehrern extra beschult und dann wieder hineingetan - einmal vor dem Kindergarten oder am Anfang, ein andermal mittags oder später. Dafür werden sie durch die Gegend gefahren. Das ist so etwas von ineffizient! Die Kinder üben mit denjenigen Deutsch, die nicht Deutsch können, anstatt dass sie mit den Kindern im deutschen Sprachbad im Kindergarten weiterlernen. Das wäre der zielführende Ansatz. Fragen Sie einmal die Kindergartenerzieherinnen! Sie werden Ihnen das schon richtig sagen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland ist ein Einwanderungsland. Dies nicht zu sehen, heißt, Realität verleugnen. Realität in unserem Bildungssystem ist leider, dass Kinder und Jugendliche aus Einwandererfamilien in hohem Maße Benachteiligung und Diskriminierung ausgesetzt sind, und zwar in allen Bereichen: von der frühkindlichen Bildung bis zur Universität.
Um an diesem Zustand etwas zu ändern, bedarf es grundsätzlicher Änderungen in unserem Bildungssystem. Lassen Sie mich an zwei Beispielen das Ausmaß der Benachteiligung und die Vergeudung von Chancen für unsere Gesellschaft verdeutlichen.
Im hannoverschen Stadtteil Linden-Süd lag der Anteil von Familien mit Migrationshintergrund bei 64 %. Wenn man die Schullaufbahnempfehlungen der dortigen Grundschulen mit dem Durchschnitt Hannovers vergleicht, stellt man fest, dass bei 48 % der Schülerinnen und Schüler eine Laufbahnempfehlung für die Hauptschule ausgesprochen wurde, im Vergleich zu 29 % im hannoverschen Durchschnitt. Wenn man das auf die 64 % Migrantenanteil umrechnet, sind das ungefähr 70 % Empfehlung für die Hauptschule. Was bedeutet das? Sind Kinder mit Migrationshintergrund dümmer, oder sind mehr Lehrerinnen und Lehrer in Ländern ausländerfeindlich? - Mit Sicherheit nicht!
Mein zweites Beispielt ist eine junge Türkin, die auf einer Wahlkampfveranstaltung im letzten Jahr stolz von ihrem bevorstehenden Abitur berichtete und davon, wie sie gegen den erheblichen Widerstand von Schulleitung und Lehrern gegen deren Schullaufbahnempfehlung auf das Gymnasium gegangen sei. In diesem Einzelfall hat es ein junges Mädchen erfolgreich geschafft, sich gegen die offensichtlich falsche Schullaufbahnempfehlung zu wehren.
Doch es gibt viel zu viele, die sich nicht wehren können. Wir werden die vorhandenen Probleme nicht durch Appelle oder Forderungen nach mehr Deutschunterricht und besserer Sprachförderung in den Griff bekommen.
Ein wichtiger Grund für die Benachteiligung von Migrantinnen und Migranten ist die frühe Selektion in unserem Schulsystem. Dies ist eine wichtige Stellschraube bei der Desintegration von jungen Menschen mit Migrationshintergrund. Daher muss sie weg!
Wir unterstützen die Forderungen in diesem Antrag voll: Schluss mit den ungerechten Schullaufbahnempfehlungen und Aufhebung des gegliederten Schulsystems! Wir brauchen eine chancengleiche qualifizierte Ausbildung in einer gemeinsamen
Noch einmal zu dem Unsinn der Schullaufbahnempfehlungen. Meine Damen und Herren aufseiten der Regierungsparteien, ich kann mir nicht ernsthaft vorstellen, dass Sie wirklich glauben, eine seriöse Aussage über die Entwicklung eines Kindes im weiteren Bildungsverlauf sei nach der vierten Klasse möglich. Unbestritten aber ist, dass Kinder mit migrantischem Hintergrund hier extrem benachteiligt sind.