Das ist ein Rückgang von rund 10 %. Das liegt nicht nur an den drastisch ausgeweiteten Zulassungsbeschränkungen, sondern auch an der abschreckenden Wirkung von Studiengebühren.
Die Wissenschaftler haben übrigens nicht nur herausgefunden, dass bis zu 18 000 junge Menschen wegen der Studiengebühren kein Studium aufgenommen haben. Sie haben auch ermittelt, dass von diesen 18 000 Schulabgängern der größte Teil Frauen oder Studienberechtigte aus hochschulfernen Familien sind. Die soziale Schere geht also weiter auseinander.
Die Mehrheitsfraktionen behaupten ständig, dass die Studienanfängerzahlen im Vergleich zum Vorjahr steigen würden. Richtig ist, dass die Quote der Studienanfänger im vergangenen Jahr vom schlechtesten Wert in diesem Jahrtausend auf den zweitschlechtesten Wert gestiegen ist. Sie verschweigen dabei, dass die Zahl der Abiturientinnen und Abiturienten proportional wesentlich stärker gestiegen ist.
Im Jahr 2006 haben in Niedersachsen nur 27 % des Abiturjahrgangs ein Studium aufgenommen. Das ist eine erschreckend niedrige Zahl. Es ist skandalös, dass von den Studierenden 1 000 Euro pro Jahr kassiert werden und damit eine nachhaltige Verbesserung des Lehrangebots vorgegaukelt wird.
(Karl-Heinz Klare [CDU]: Sie haben heute erklärt, woher Sie das Geld nehmen: Bundeswehr abschaffen!)
In Wahrheit liegen jedoch allein aus den Jahren 2006 und 2007 noch über 50 Millionen Euro - etwa die Hälfte der gesamten Einnahmen - ungenutzt auf Bankkonten. Bald verlassen die ersten Bachelorabsolventen die Hochschulen. Sie dürfen sich ernsthaft fragen, ob die Studiengebühren auch nur einen Funken Nutzen für sie gehabt haben.
An der Fachhochschule Wolfenbüttel übernehmen Unternehmen aus der Energiebranche aus Sorge vor einem Fachkräftemangel für alle Erstsemester im Fachbereich Versorgungstechnik die Studiengebühren, weil sie die abschreckende Wirkung erkannt haben. Dort hat sich die Zahl der Studierenden in der Zeit von 2005 bis 2007 halbiert.
Ich halte das zwar auch für reine Wahlkampfrhetorik. Aber es zeigt, dass einer der schärfsten Verfechter der Campusmaut nun doch vorsichtiger geworden ist.
In Hessen sind übrigens die Anmeldezahlen an den Hochschulen in diesem Semester nach der Abschaffung der Campusmaut durch Rot-Grün um etwa 30 % gestiegen.
Ich möchte noch einige Worte zu dem Antrag der Grünen sagen. Sie versuchen mit diesem Antrag, Ihr Nein zu unserem Antrag zu relativieren. Das gelingt Ihnen an zwei wichtigen Punkten nicht so recht. Zum einen fordern Sie die Abschaffung der Studiengebühren im Erststudium. Das ist weit schlechter, als es die Beschlusslage in Hessen vorsieht, wo mit Ausnahme der Verwaltungskosten bereits das gesamte Erst- und Zweitstudium gebührenfrei sind. An dem Punkt verstehe ich deshalb die Ablehnung nicht - das geht auch in Richtung SPD -; denn in Hessen war es möglich.
(Beifall bei der LINKEN - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Es gibt keinen Grund, in Hessen Linkspartei zu wählen, wenn das alles schon geregelt ist!)
Zum Zweiten fordern Sie ein umfangreiches Stipendiensystem, d. h. mit der erwünschten Zahl von rund 1 000 Begünstigten. Es kann selbst in einem ersten Schritt nicht darum gehen, weniger als 1 % der Studierenden mit Almosen zu beglücken, zumal die Frage ist, welcher Personenkreis hier in Betracht kommt, der nicht ohnehin schon eine Förderung nach dem BAföG erhält. Wir brauchen ein Studienfinanzierungssystem, in dem die Studierenden keine Bittsteller sind und auf die Gnade der Wirtschaft oder des Staates hoffen müssen, um weiter studieren zu dürfen. Wir sollten uns freuen, wenn die Hochschulen attraktiv sind und viele Menschen an die Fachhochschulen und Universitäten streben. Aber um die Attraktivität des Studiums zu steigern, müssen wir den Studierwilligen eine sichere finanzielle Perspektive bieten, und zwar allen Immatrikulierten.
Deswegen kann es nur einen Weg geben: weg mit den Studiengebühren, ja zum Ausbau einer sicheren Studienfinanzierung für alle.
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Der Antrag der Grünen hat die richtige Zielrichtung: Gebührenfreiheit im Erststudium, eine bessere Hochschullehre und ein sozial gerechtes Stipendienwesen. In puncto Finanzhilfe hat meine Fraktion bereits im September einen entsprechenden Entschließungsantrag vorgelegt, dessen Forderungen die Grünen aufnehmen.
Hochschulbildung wird in Deutschland sozial vererbt. War ein Elternteil Akademiker, so ist das Studium für die Kinder schon fast eine ausgemachte Sache. Studierende Arbeiterkinder sind dagegen eine Seltenheit. Die Beseitigung der extremen sozialen Selektivität des Hochschulsystems ist die größte bildungspolitische Herausforderung der kommenden Jahre. Denn eines dürfte aus vielen Studien deutlich geworden sein: Wenn es uns in den kommenden Jahren nicht gelingt, mehr junge Menschen auch aus bildungsfernen und einkommensschwachen Familien für ein Studium zu moti
vieren, dann setzen wir Deutschlands Wohlstand und Wirtschaftskraft aufs Spiel. Das, meine Damen und Herren, können wir nicht zulassen.
Die abschreckende Wirkung der Studiengebühren wurde von der HIS-Studie gezeigt. Allein im Abiturientenjahrgang 2006 haben 4 % der Studienberechtigten wegen der Studiengebühren nicht studiert. Mancher von Ihnen mag diese Zahl vielleicht als gering einstufen. Aber das sind bis zu 18 000 junge Menschen. Das sind weniger Ideen, weniger Talente, weniger Kompetenzen, die entfaltet werden können. Wir können und dürfen künftig auf niemanden verzichten.
2007 haben nur 61 % der niedersächsischen Abiturienten ein Studium begonnen. In Zeiten ohne Campusmaut, im Jahr 2003, waren es 79 %. Studiengebühren gehören abgeschafft, weil sie sozial- und bildungspolitisch fatal sind.
Sie hindern nämlich - das bestätigt die aktuelle Studie - vor allem Abiturienten aus einkommensschwachen und bildungsfernen Schichten sowie junge Frauen am Studium.
Statt sich der Wirklichkeit an Niedersachsens Hochschulen zu stellen, verweist Minister Stratmann auf die erst für 2010 geplante Evaluation von Studiengebühren. Wir finden, das ist viel zu spät.
Deshalb haben wir in einer Großen Anfrage eine Bestandsaufnahme zur Lage der Studierenden seit Einführung der Studiengebühren gefordert. Dies ist wichtig, um Handlungsstrategien für die Verbesserung von Studienbedingungen zu entwickeln und die hohen Abbrecherquoten, insbesondere an den Fachhochschulen, zu senken. Eine Kurskorrektur ist dringend notwendig. Wer 40 % eines Jahrgangs zu einem Studium führen will, der muss auch Kinder aus bildungsfernen und einkommensschwachen Familien zum Studium motivieren.
Diese Kinder müssen zum Studium motiviert werden, wenn wir den angesichts des Rückgangs der Geburtenrate drohenden Fachkräfte- und Akademikermangel nicht weiter riskieren wollen.
Wir brauchen die Öffnung der Hochschulen für beruflich Qualifizierte ohne Abitur. Wir brauchen ein leistungsfähiges BAföG und ein gutes Stipendiensystem. Was wir nicht brauchen, sind abschreckende Studiengebühren.
Wir fordern im Zusammenhang mit den wegfallenden Studiengebühren eine Gegenfinanzierung durch Landesmittel. Diese Mittel sollen den Hochschulen in Form eines Qualitätspaktes für Lehre zur Verfügung gestellt werden. Hieraus können eine verbesserte Betreuung der Studierenden, vor allem in überlaufenen Fächern, und zusätzliches wissenschaftliches Personal finanziert werden. Man kann Mittel zur Senkung von Studienabbrecherquoten und zur Abfederung der Umstellung auf die Bachelor- und Masterstudiengänge bereitstellen.
Hierzu gehört auch die Einbeziehung der Studierenden bei der Entwicklung von Reformen. Auch die hochschuldidaktische Weiterbildung muss an den niedersächsischen Hochschulen stärker und verpflichtend verankert werden.
Denn wir wissen: Exzellente Hochschulen brauchen nicht nur eine exzellente Forschung, sondern auch eine ebenso exzellente Lehre. Dafür werden wir uns starkmachen.
Entgegen den vollmundigen Versprechungen dieser Landesregierung gibt es keine Stipendienprogramme für Begabte aus einkommensschwachen Familien. Drei Jahre hat der Berg gekreißt, herausgekommen ist lediglich eine Arbeitsgruppe. Versprochen wurden von der Landesregierung Stipendien für ehrenamtlich Tätige, für überdurchschnittlich gute oder aus kinderreichen Familien stammende Studierende. Offenbar ist Wissenschaftsminister Stratmann das Eingeständnis peinlich, dass er beim Finanzminister nur 1 Million Euro für Stipendien hat lockermachen können. Angesichts von 140 000 Studierenden im Land ist das lächerlich wenig. Selbst wenn, wie angekündigt, die Universitäten und die Wirtschaft dieselbe Summe lockermachen, könnten am Ende nur 9 000 Studenten im Land von den Gebühren befreit werden. Ob Wirtschaft und Universitäten für die Stipendien zahlen, ist aber immer noch unklar. Wenn aber auch die Universitäten für die Stipen
dien zahlen sollten, dann kämen indirekt die Studierenden für die Stipendien ihrer Kommilitonen auf. Das ist doch völlig absurd.