Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es zwar zivilrechtlich möglich ist, hohe Ansprüche geltend zu machen, wenn ein Unternehmensleiter oder ein Vorstandsvorsitzender geschäftsschädigend tätig wird, aber weder mir persönlich noch der Öffentlichkeit entsprechende Zahlungen bekannt sind, und wir zurzeit ein relativ hohes, gigantisches, erschreckendes Versagen von gewissen wirtschaftlichen Eliten erleben, frage ich die Landesregierung, wie sie dazu steht, das von vielen Korruptionsbekämpfern geforderte Unternehmensstrafrecht einzuführen.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Briese, ich kann nur schwer analysieren, wie Sie nach Ihrer Ouvertüre zu dieser Frage gelangt sind.
Es ist doch klar, dass das Strafrecht, das wir haben, greifen muss. Wir haben ein gutes StGB für strafrechtliche Tatbestände, die im Zusammen
hang mit der Führung eines Unternehmens relevant sind. Wenn wir insoweit Lücken haben, wollen wir sie gerne schließen. Das Erfordernis, hierfür ein eigenes Unternehmensstrafrecht mit einem neuen Gesetz usw. zu schaffen, sehe ich eigentlich nicht. Wenn wir unternehmensspezifische Tatbestände brauchen, gibt es vorhandene Gesetze, in die wir sie einweben können.
Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt die letzte Zusatzfrage Herr Kollege Hagenah. Bitte schön!
Ich frage die Landesregierung, welche Transparenzvorgaben und Kontrollen nach ihrer Einschätzung im Verlaufe der aktuellen Finanzkrise gefehlt oder nicht gewirkt haben und das Wanken von immer mehr Banken und das Vergeuden von immer mehr Steuermilliarden nicht verhindern konnten.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Hagenah, Sie stellen die Frage einen Tag zu früh. Ihre Frage ist Inhalt der ersten Frage der morgigen Fragestunde.
Offenkundig hat in einigen Fällen das eigene Risikomanagement der jeweiligen Bank nicht funktioniert. Jede einzelne Bank und jedes einzelne Unternehmen ist für die eigene Liquiditätsplanung selbst zuständig. Das betrifft nicht nur Banken, sondern auch jedes andere am Markt tätige Unternehmen. Sie alle müssen eine Liquiditätssteuerung haben und Vorsorge treffen. Wer das nicht in ausreichendem Maße tut, der kann Probleme mit der Liquidität, d. h. mit der Zahlungsfähigkeit, haben. Wenn man nicht mehr zahlungsfähig ist, ist man gesetzlich dazu verpflichtet, Konkurs - heute heißt das Insolvenz - anzumelden, weil man sich sonst möglicherweise strafbar macht.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Kollege Adler von der Fraktion DIE LINKE einmal die Auffassung vertreten hat, die Staatsanwälte in Niedersachsen verfügten nicht über die erforderliche Sachkompetenz, um in Wirtschaftsstrafsachen angemessen tätig zu werden, frage ich die Landesregierung: Teilt die Landesregierung die Auffassung von Herrn Adler, dass bei der Staatsanwaltschaft keine ausreichende Sachkompetenz vorhanden wäre?
Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Busemann. Herr Minister Busemann, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Dr. Biester, ich meine mich zu erinnern, dass es in der letzten Zeit eine schriftliche Anfrage des Kollegen Adler gegeben hat, in deren Beantwortung wir dazu Stellung genommen haben. Wir haben gelegentlich auch schon im Rechtsausschuss darüber diskutiert.
Ich bin der Auffassung, dass wir in unserer Staatsanwaltschaft so viel Fachverstand insbesondere in Fragen von Finanzkriminalität und Wirtschaftskriminalität haben, dass wir von der fachlichen Seite her den Herausforderungen gewachsen sind. Im Übrigen ist ein Teil der Staatsanwälte nicht den klassischen Weg der juristischen Ausbildung gegangen. Manche waren in der Finanzverwaltung und in der Wirtschaft beschäftigt, bevor sie zu Justiz und Staatsanwaltschaft gestoßen sind. Insbesondere in unseren Staatsanwaltschaften, die auf Wirtschaftsstrafverfahren spezialisiert sind, ist also eine Menge Sachverstand gebündelt, der abgerufen werden kann. Ich meine, dass wir in der Hinsicht sehr gut aufgestellt sind.
Das Thema Gewinnabschöpfung, das damit im weitesten Sinne zu tun hat, habe ich bekanntlich besonders gewichtet. In dem Bereich wird es weitere Neueinstellungen geben usw. Wenn es sich dann einmal um einen schwierigen Fall handelt, der meistens auch noch aus dicken Akten besteht, sind wir - so arm dieses Land Niedersachsen ist, Kolleginnen und Kollegen - gleichwohl in der Lage, uns externen Sachverstand in Form von Gutachten oder auf andere Weise zusätzlich einzukaufen, um die notwendige strafrechtliche und Sachverhalts
Die jüngste Entwicklung ist stark geprägt nicht von der zunehmenden Kompliziertheit der Akten, sondern von dem zunehmenden Umfang der Akten. Es gibt insbesondere in Wirtschaftssachen umfangreiche Sachverhalte, durch die unsere Staatsanwaltschaften und in der Folge unsere Gerichte außerordentlich belastet sind. Das kann - und das tun wir auch - sukzessive die Bereitstellung entsprechender Personalressourcen nach sich ziehen. Ich meine aber, dass wir uns dessen bewusst sind und deshalb die Sache im Griff haben.
Herzlichen Dank. - Weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Punkt nicht vor. Damit können wir die Behandlung der Dringlichen Anfragen als beendet betrachten.
Jetzt hat sich zu einer persönlichen Bemerkung nach § 76 unserer Geschäftsordnung Herr Kollege Adler von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Danke schön, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Biester, Sie haben mich falsch zitiert. Ich habe nicht gesagt, dass die Staatsanwälte an sich nicht in der Lage sind, Wirtschaftsstraftaten zu verfolgen, sondern ich hatte damals bei einer Anfrage aus der Untersuchung eines Professors aus Osnabrück, dessen Name mir im Moment nicht eingefallen ist, zitiert, der die Sorge geäußert hatte, dass die Staatsanwaltschaften nicht gut genug mit Mitteln für Sachverständigenkosten etc. ausgestattet sind. Es geht darum, sozusagen die Fähigkeiten der Staatsanwaltschaften in diesem Bereich zu verbessern. So eine plumpe Aussage wie die, die Sie mir unterstellt haben, habe ich nicht getätigt.
Erste Beratung: Faire Arbeitsbedingungen für Leiharbeitskräfte Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/503
Zur Einbringung spricht von der SPD-Fraktion Herr Kollege Schminke. Sie haben sich zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Grundsätzlich muss Leiharbeit nicht unanständig sein. Aber unanständige Leiharbeit hat in Deutschland leider dramatisch zugenommen. Das ist eine Feststellung.
Wir Sozialdemokraten wollen klare Regeln, wir wollen Fairness und gleiches Geld für gleiche Arbeit am gleichen Ort, meine Damen und Herren. Wenn wir die Leiharbeit als Brücke zur Stammbelegschaft zulassen wollen, dann nur noch fair und nicht mehr prekär. Das müssen wir durchsetzen. Deshalb auch dieser Antrag!
Meine Damen und Herren, mit der Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes war neben einer verbesserten Flexibilität für die Unternehmen eigentlich auch eine Brücke für die Leiharbeiter zum Übergang in den ersten Arbeitsmarkt beabsichtigt. Das, was allerdings von vielen Unternehmen daraus gemacht wurde, ist in der Tat nicht anders als mit reiner Willkür zum Nachteil der abhängig Beschäftigten zu bezeichnen.
Die Zeitarbeitsbranche boomt. 2,4 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten im Rahmen von Zeitarbeit. Allein diese Zahl belegt, wie lukrativ das Geschäft ist. Wir müssen einschreiten, weil es jetzt höchste Zeit ist, die Reißleine zu ziehen; denn immer öfter werden gut bezahlte Arbeitsplätze in schlecht bezahlte Arbeitsplätze umgewandelt. Weniger Schutz, weniger Lohn, weniger Urlaub, kein Weihnachtsgeld, keine Fort- und Weiterbildung, schlechtere Arbeitsbedingungen insgesamt, und am Ende des Arbeitslebens folgt dann auch noch weniger Rente - das, meine Damen und Herren, ist die Realität, mit der Leiharbeitnehmer zu kämpfen haben. Dieser Kreislauf ist fatal. Daher müssen wir das schnellstens ändern.
Ich habe Ihnen in der 3. Plenarsitzung berichtet, dass hier im Hause Fliesenleger tätig waren, die nicht ordnungsgemäß bezahlt wurden. Ich will Ihnen heute noch einen weiteren Tatbestand mit auf den Weg geben, der mich ebenfalls erzürnt.
Das hat zwar nichts mit Leiharbeit zu tun, ist aber ähnlich prekär und nicht in Ordnung. Ich finde es skandalös, dass hier im Portikus, im Eingangsbereich des Hauses, Leute von der Firma Plural eingesetzt werden, die nicht einmal für Frauen und Männer getrennte Umkleiden zur Verfügung haben; vielmehr muss alles in einem Raum stattfinden. Sie haben mir auch erklärt, dass es dort keine Möglichkeit gibt, sich einen Kaffee zu kochen. Heißes Wasser und ähnliche Dinge gibt es dort auch nicht. Die Arbeitsstättenverordnung sagt an anderer Stelle ganz deutlich, was eigentlich erforderlich ist. Ich meine, das muss hier im Landtag geändert werden. Das wollte ich hier an dieser Stelle auch einmal einbringen.
(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN - David McAllister [CDU]: Was sagt denn Herr Möhrmann dazu? - Weitere Zurufe von der CDU)
Nun wieder zurück zum Thema. Wir freuen uns über rückläufige Arbeitslosenzahlen, und Ihre Frau Merkel brüstet sich mit 550 000 neuen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten innerhalb nur eines Jahres.
Leider sagt unsere Bundeskanzlerin nicht, dass fast jeder zweite neue Job auch ein Leiharbeiterjob ist. Das ist ein Skandal für sich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Druck auf die Stammbelegschaften steigt, je mehr Leiharbeiter eingesetzt werden. Löhne werden massiv gedrückt, und der Kündigungsschutz wird ausgehöhlt. Hier werden ganze Belegschaften gespalten. Interessenvertretung ist kaum noch möglich. Das ist die andere Wahrheit, und das ist die Kehrseite, die sich hinter dem Erfolgsmodell Leiharbeit auch verbirgt, meine Damen und Herren.
Wir lernen daraus: Nicht alles ist so toll, wie es auf den ersten Blick wirkt. Daher lohnt es sich, auch einmal die Statistiken zu bemühen; denn hier wird
sehr schnell klar, wie dramatisch gut bezahlte Arbeit auf der einen Seite zurückgefahren worden ist und auf der anderen Seite im gleichen Maße schlecht bezahlte Arbeit zugenommen hat. Die Zahlen sind eindeutig: Mehr als 800 000 Beschäftigte verdingen sich in Deutschland bereits heute als Leiharbeiter. Allein mehr als 78 000 Personen in Niedersachsen und Bremen - etwa ein Drittel der Leiharbeiter - sind im Dienstleistungsbereich beschäftigt.
Im Schiffbau wird unsere führende Position in Europa leichtfertig aufs Spiel gesetzt, weil von rund 32 000 Arbeitnehmern inzwischen nur noch 20 500 Arbeitnehmer fest angestellt sind. Bei der Hamburger Nordwerft, bei Blohm + Voss Repair oder ConMar liegt die Quote bereits bei über 30 % - mit weiter steigender Tendenz, meine Damen und Herren.
Gerne bringe ich Ihnen auch andere Beispiele; denn davon gibt es leider mehr als genug. Die IG Metall spricht Klartext - so wie ich.