Protocol of the Session on September 18, 2008

Der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag muss zwei Funktionen erfüllen: Er muss den EUKompromiss im Beihilfeverfahren umsetzen und - das ist aus meiner Sicht wichtiger - eine Antwort auf die Herausforderungen durch die Digitalisierung der Medienlandschaft geben. Die Digitalisierung revolutioniert die Formen und Verfahren der Kommunikation. In diesem Umfeld, das sich beständig drastisch wandelt, müssen Bestand und Fortentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleistet bleiben. Ich finde, Sie tun das Gegenteil: In Ihrem Antrag finden sich Beschränkungen und Bürokratisierungen, Sie bauen hohe Hürden auf, und Sie verbieten.

Meine Damen und Herren vor allen Dingen von der FDP, mit Liberalität hat dieser Restriktionskatalog wenig zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich möchte nur einige Punkte nennen: Programmzahlbegrenzung, Verbot von Angeboten ohne Sendebezug, Erschwerung von neuen Angeboten

und die Pflicht zur Löschung von Internetinhalten nach sieben Tagen.

Meine Damen und Herren, in der seit Monaten währenden Schlacht um Marktanteile und Werbeeinnahmen gerät zunehmend das Wichtigste aus dem Auge, nämlich die Interessen der Nutzerinnen und Nutzer des Internets.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Das Internet ist das freieste und demokratischste Medium, das derzeit existiert, weshalb autoritäre Regimes beträchtliche Schwierigkeiten damit haben und versuchen, ihre Bevölkerung davon fernzuhalten.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Frau Flauger kennt sich damit ja doch nicht aus!)

Wer das Internet nutzt, sucht nach Unterhaltung oder Informationen. Die Verbreitung von Informationen ist in besonderer Weise durch den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gedeckt;

(Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

denn dessen Programmauftrag besteht ja gerade darin, unabhängige, umfassende und frei verfügbare Angebote zur Verfügung zu stellen, und zwar für die ganze Gesellschaft und für alle Altersgruppen. Ich halte es für falsch, dass Sie versuchen, diesen Auftrag im zentralen Medium der Zukunft zu beschränken.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Vielmehr ist das Gegenteil richtig: Der öffentlichrechtliche Rundfunk muss geradezu die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, wenn er seinem Anspruch gerecht werden und alle Bürgerinnen und Bürger erreichen will; denn das Durchschnittsalter bei ARD und ZDF - dies wird Ihnen sicherlich nicht unbekannt sein - liegt bei über 50 Jahren. Es erscheint doch logisch, dass sich auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk die anderen Altersgruppen dort erschließen muss, wo sie nun einmal sind, nämlich im Internet.

Die Bestands- und Fortentwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist vom Bundesverfassungsgericht immer betont worden. Ich finde, daraus lässt sich logisch ableiten, dass die Nutzung neuer Übertragungswege und -formate nicht

beschränkt werden darf und dass das Onlineformat als dritte Säule erhalten werden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Besonders seltsam finde ich, dass die Internetauftritte nach Ihren Vorstellungen nach sieben Tagen gelöscht werden sollen. Wie soll das gehen? Ich darf Informationen im Netz zwar nutzen, aber nur sieben Tage lang? - Bei den Olympischen Spielen war das Internet ja ein großes Thema. An die chinesische Führung wurde immer wieder appelliert, das Internet zu öffnen und für ihre Bürgerinnen und Bürger freizumachen. Wenn sich der Chinese im freien Medium Internet z. B. über Staudammprojekte informieren möchte, dann hat er Pech; denn wenn er die Seiten am achten Tag anklickt, dann sind sie gelöscht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das tatsächlich ernst meinen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sehr richtig!)

In Wirklichkeit fände ich es ohnehin klüger, zu versuchen, in dieser Schlacht einmal abzurüsten. Statt an Verboten zu feilen und über diese Siebentagesfrist nachzudenken, könnte man vielleicht auch einmal über das englische Modell nachdenken, bei dem öffentliche und private Sender gemeinsame Portale betreiben. Was spräche eigentlich dagegen, Beiträge von ARD und ZDF nicht nach sieben Tagen aus dem Netz zu nehmen, sondern sie auch von Verlagen für ihre Onlineportale nutzen zu lassen? Sie sind schließlich von der Allgemeinheit über Gebühren bezahlt worden. Sie verdienen aus meiner Sicht Besseres, als im Nirwana zu verschwinden. Eigentlich spricht viel dafür, sie dauerhaft auf möglichst vielen Portalen zugänglich zu machen.

(Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE] und Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Sie verweisen ja immer gerne darauf, dass das Internetangebot bei den Öffentlich-Rechtlichen zu Mehrkosten führen würde. Aber Sie wissen selbst, dass das zumindest im Moment überhaupt nicht stimmen kann. Nach der Systematik der KEF, der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, sind die Onlineangebote der Rundfunkanstalten Teil des Bestands. Zumindest bis 2012 ist die Feststellung des Bedarfs bereits erfolgt. Bis dahin kann also gar nichts passieren.

(Daniela Krause-Behrens [SPD]: So ist es!)

Sie fordern auch eine Neugestaltung des Rundfunkfinanzierungssystems. Ich finde aber - jedenfalls kann ich es Ihrem Antrag nicht entnehmen -, eine richtig klare Vorstellung, wie das gehen soll, haben auch Sie nicht.

(Roland Riese [FDP]: Das kommt gleich!)

Wir wollen eine Mediengebühr. Sie ist einfach und klar. Sie wird pro Haushalt erhoben. Es ist völlig egal, welches Gerät man nimmt, um irgendeine Sendung zu empfangen. Das ist einfach, das ist unbürokratisch und erspart übrigens auch das Schnüffeln der GEZ, was den Bürgerinnen und Bürgern gehörig auf die Nerven geht und manchmal auch tatsächlich die Grenzen überschreitet.

(Beifall bei den GRÜNEN - Daniela Krause-Behrens [SPD]: Genau!)

Frau Kollegin, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Wir finden, die Gebühr muss weiter von der KEF festgelegt werden, staatsfern und unabhängig bleiben. Wir müssen vor allen Dingen verhindern, dass wieder Ministerpräsidenten nach Gutsherrenart die Empfehlungen missachten und sich an dieser Stelle Klatschen vor Verfassungsgerichten einfangen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Riese von der FDPFraktion das Wort.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Für die Freiheit!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Schobert hat bereits darauf hingewiesen, dass Ministerpräsident Wulff am 5. Juni dieses Jahres in diesem Hause unter Beweis gestellt hat, wie ernst er das Parlament als den Ort nimmt, wo Politik gestaltet werden soll.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Genau!)

Seinerzeit hat er den Wunsch an uns gerichtet, dass die Debatte um die Fortentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vermehrt in den Parlamenten geführt wird und dass dort nicht nur das Abnicken dessen erfolgt, was zuvor in teils hektischen Verhandlungsrunden zwischen Staatskanzleien ausgehandelt wurde und in dem Augenblick, wenn es das Parlament erreicht, aus tatsächlichen Gründen nicht mehr zu ändern ist. Im Lichte des Drucks, den Deutschland durch die von der EU als Beihilfe gewertete Rundfunkgebühr erfährt, ist diese Debatte hochaktuell. Sie wird mit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht beendet sein.

Die Fraktionen der CDU und der FDP haben die Einladung des Ministerpräsidenten gerne angenommen und legen dem Landtag heute einen Antrag vor, der wesentliche Eckpunkte zur strategischen Weiterentwicklung des dualen Rundfunksystems im Licht der aktuellen Technologien enthält.

Für künftige Angebote der Öffentlich-Rechtlichen wird - so ist es der Einigungsstand zwischen der EU und Deutschland - der Dreistufentest erforderlich. In diesem Test, meine Damen und Herren, sind folgende Fragen zu prüfen:

Erstens. Ist ein zusätzliches geplantes Angebot Teil des öffentlichen Auftrags im Sinne des § 11 des Rundfunkstaatsvertrags und entspricht es den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft?

Zweitens. Trägt das neue Angebot in qualitativer Hinsicht zum publizistischen Wettbewerb bei? Hat es möglicherweise negative Auswirkungen auf bereits vorhandene Angebote?

Drittens. Welcher finanzielle Aufwand ist mit dem neuen zusätzlichen Angebot verbunden? - Dieser finanzielle Aufwand kann ja im öffentlich-rechtlichen System nur durch die Umlage finanziert werden.

Die EU-Kommission bezweifelt, dass die Programmbeiräte nach § 32 des Rundfunkstaatsvertrages die geeigneten Organe zur Überwachung der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags sein können. Diese Gremien legen nämlich die Programmleitlinien fest und überwachen, ob diese befolgt werden. Durch diese Aufgabe sind sie nach Auffassung der Kommission bereits Teil des Systems. Daher fehlt es am Vieraugenprinzip des unabhängigen Kontrollorgans, wie wir es etwa in

der schon erwähnten KEF für den Gebührenbedarf eingerichtet finden.

Meine Damen und Herren, bezüglich der vielen schönen Aktivitäten, die sich zwischen Anbieter und Nachfrager auf elektronischem Wege entwickeln können - vulgo Telemedien -, lässt sich im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf Internetseiten schon einiges finden, was kaum Grundversorgung sein dürfte. Denn dort gibt es außer Gewinnspielen und Kochrezepten auch Partnerbörsen und weitere Angebote, die allenfalls einem sehr stark erweiterten Kulturbegriff zuzurechnen sein könnten und bei denen sich in der Gegenwart der öffentlichrechtliche Rundfunk in den Wettbewerb zur Privatwirtschaft begibt. Dieser Wettbewerb hat aber angesichts der garantierten Einnahmen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von vornherein ungleichmäßige Voraussetzungen. Die ÖffentlichRechtlichen sind dort vornherein bevorteilt. Der Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks täte es deswegen gut, wenn die Trennlinien zum Sponsoring und zur Werbung viel strenger als bisher gezogen werden würden. Wenn die spätabendliche Sportsendung vom stimmungsvollen Kürzestfilm einer bekannten Biermarke eingeleitet wird, dann verwischt sich beim Betrachter die Grenze zur Werbung.

Meine Damen und Herren, wohl jeder Kollege hier im Landtag hat bereits Gespräche mit Bürgern geführt, die sich über die Methoden der GEZ beschweren.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Kollegin- nen auch!)

Diese Mitarbeiterinnen sind nämlich damit beschäftigt, auf Provisionsbasis die Zahl der Gebührenzahlerinnen zu steigern, und bedienen sich im Umgang mit den Menschen manchmal Methoden, die berechtigter Kritik unterliegen.

In den Ausschüssen des Landtages haben wir regelmäßig Petitionen von Menschen zu behandeln, die nicht verstehen können, dass sie in ihrer selten benutzten Ferienwohnung für einen noch seltener genutzten Zweitfernseher dennoch die geräteabhängige Gebühr zahlen müssen. Die Gebühr für neuartige Empfangsgeräte ist ein Ärgernis für Kleinunternehmer, die ihren internetfähigen Computer im Betrieb einfach nur zur Arbeit verwenden wollen.

Der Betreiber eines Sonnenstudios ist besser beraten, die Schalter für die Lautsprecher nicht in einer einzelnen Bräunungskabine vorzuhalten, weil da

durch nach gerichtlicher Feststellung die Kunden selbst darüber entscheiden, ob sie Radio hören wollen, wodurch der Lautsprecher zur gesonderten Hörstelle wird, wodurch die Gebührenpflicht ausgelöst wird.

Das gegenwärtig vorhandene, aufwendige und vielfach als ungerecht empfundene Gebührensystem ist veraltet und hat mit technischen Entwicklungen nicht Schritt gehalten. Dies ist die Zeit, das System zu überwinden