Das war für Herrn Wulff damals wirklich ein beispielloser Skandal. Herrn Wulffs Anklagerede gipfelte in folgendem Vorwurf:
„Unseres Erachtens ist es bedrohlich, dass man … Straftaten zugelassen hat, geduldet hat, rechtswidrige Handlungen hat geschehen lassen und der Staat zugeschaut hat. So wird das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat elementar untergraben.“
Herr Wulff, das war Ihre Wortwahl angesichts von 80 Demonstranten, 25 Traktoren, zugegebenermaßen einer Sachbeschädigung - damals war von 125 000 Euro die Rede, einer durchaus nicht kleinen Summe -
Und heute? - Angesichts der wirklich dramatischen Entwicklung in einem gegen Recht und Gesetz missbräuchlich als Atommülllager genutzten Bergwerk, angesichts von Täuschungen und Verdunkelung und einem kompletten Versagen der politisch Verantwortlichen, angesichts von noch nicht absehbaren Gefahren für Umwelt und Menschen und Milliardenkosten für die Steuerzahler schweigt der
vornehme Herr Wulff. Wo ist heute beim Thema Asse Ihre Stimme gegen rechtsfreie Räume und bedrohliche Straftaten, Untätigkeit des Staates und Wiederherstellung des Vertrauens der Bevölkerung in den Rechtsstaat?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese politische Feigheit und diese Doppelmoral sind unerträglich. Ich beantrage daher namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung über den Antrag zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Untersuchung der Vorgänge in der Asse bei Wolfenbüttel. - Herzlichen Dank.
Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, gebe ich folgenden Hinweis: Da die Uhr noch nicht repariert werden konnte, wird es fünf Minuten und dann noch einmal eine Minute vor Abschluss der Redezeit ein Ping geben, wie Sie es kennen.
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Bei aller Aufgeregtheit, lieber Herr Wenzel, sollten wir hier auch ein Stück Sachlichkeit walten lassen. Ich freue mich ja schon, dass Sie eben wenigstens erklärt haben, dass durch den Ausschuss einiges für Sie erhellt worden ist.
Meine Damen und Herren, der Umweltausschuss hat sich nach Bekanntwerden der Überschreitung des Grenzwerts von Cäsium 137 in acht Sondersitzungen eingehend mit der Asse befasst. In diesen drei Monaten haben wir eine bemerkenswerte Arbeit geleistet, die auch in den vor zwei Wochen vorgelegten Statusbericht eingeflossen ist, der hier schon hinreichend zitiert worden ist. Als Ergebnis können wir feststellen - das sage ich von unserer Seite aus auch durchaus selbstkritisch -: Es hat gravierende Defizite in der Kommunikation zwischen dem Betreiber, dem Helmholtz-Zentrum, dem Landesbergamt und dem Umweltministerium gegeben. So ist es schlicht unglaublich, dass der Betreiber 1995 erstmals das Überschreiten der
Freigrenze festgestellt hat, das MU als oberste Aufsichtsbehörde aber erst im Juli 2008, also erst 13 Jahre später, von diesem Fall erfuhr.
Des Weiteren ist festgestellt worden - das ist das zweite Fehlverhalten -, dass das Verpumpen der kontaminierten Lauge auf die 975-m-Sohle ohne die erforderliche strahlenschutzrechtliche Genehmigung erfolgt ist. Hier gibt es also, lieber Herr Wenzel, keinen rechtsfreien Raum, sondern hier sind schlichte Rechtsverstöße festgestellt worden.
Diese massiven Verfehlungen haben auch dazu geführt, dass sich das Bundesforschungsministerium, das Bundesumweltministerium und das niedersächsische Umweltministerium am 4. September darauf verständigt haben, den Betrieb der Asse vom Helmholtz-Zentrum auf das Bundesamt für Strahlenschutz zu übertragen. Dies begrüßen wir ausdrücklich.
Wir müssen jetzt nur verhindern, dass der Wechsel vom Bergrecht zum Atomrecht zu Verzögerungen führt, die wegen der akuten Einsturzgefahr des Bergwerkes in den Jahren 2014/15 irgendwann - auch dies gehört zur Wahrheit - jede Sanierung, jede machbare Lösung für die Asse am Ende unmöglich machen werden.
Meine Damen und Herren, im Zuge der Aufklärung wurde aber auch eines deutlich: Das Kardinalproblem der Asse liegt in den seit 1988 festgestellten Laugenzuflüssen von 12 m³ am Tag und der damit verbundenen Kontamination mit Cäsium aus den eingelagerten korrodierenden Fässern. Hier - auch dies gehört dazu, und hier pflichte ich Ihnen bei, lieber Herr Jüttner - sind alle Bundes- und Landesregierungen in den letzten 40 Jahren ihrer Verantwortung nicht hinreichend nachgekommen.
Dies gilt vor allem für Frau Griefahn. Ich denke hier nur an das 1991 in Auftrag gegebene Gutachten zur Gefahrenabschätzung. Es gilt aber auch für Herrn Trittin, in dessen Amtszeit die Mittel für die Asse, wie wir wissen, sogar noch gekürzt worden sind.
Das gilt natürlich auch für Sie, Herr Jüttner, wobei man auch schon einmal darauf hinweisen darf, dass sich der Sitzungsverlauf im Ausschuss meistens nicht Ihren vorbereiteten Presseerklärungen
Sie haben allerdings unseren vollen Respekt, Herr Jüttner, wenn Sie Ihre Versäumnisse öffentlich einräumen, dass Sie in Ihrer Amtszeit nämlich nicht dafür gesorgt hätten, dass die Asse nach Atomrecht behandelt worden sei. Sie hatten damals noch die Zeit, die dafür heute kaum noch da ist.
Was 1978 betrifft, lieber Herr Jüttner, da liegen Sie möglicherweise völlig verkehrt. Damals ging es schlicht und ergreifend darum, dass der damalige Ministerpräsident größten Wert darauf gelegt hat, dass ein öffentliches Planfeststellungsverfahren durchgeführt wird. Das wurde ihm damals von der Bundesregierung verwehrt. Deswegen hat er gesagt, dass er da nicht mitmacht, eine bergrechtliche Genehmigung reiche nicht aus. - So war der Sachverhalt.
So viel Selbstkritik, Herr Jüttner, die Sie geübt haben - das erkennen wir durchaus an -, hätten wir natürlich auch gerne vom Bundesumweltminister erwartet.
(David McAllister [CDU]: Wohl wahr! - Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Von Frau Schavan haben wir nichts ge- hört!)
- Augenblick! - Dort war genau das Gegenteil der Fall. Ich erinnere nur an seinen unseligen Ausspruch in Bayern - oberflächlich, wie wir ihn ja kennen -, als er schlichtweg erklärte, dass in drei Bergwerke Niedersachsens radioaktiv verseuchtes Wasser verbracht worden sei. Er wollte damit ganz gezielt den Eindruck erwecken, dass hier etwas Rechtswidriges passiert.
Genauso ungeheuerlich ist Ihre Behauptung, Herr Wenzel, hier seien Laugen verpanscht worden. Im Laufe aller Sitzungen hat es nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür gegeben, dass hier irgendwelche Grenzwerte überschritten worden sind.
Sie wissen genau, dass der TÜV geprüft hat, dass Rückstellproben geprüft worden sind und dass bislang überhaupt kein Anhaltspunkt dafür erkennbar ist, dass hierbei rechtswidrig gehandelt worden ist. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Menschen haben
um ihr Dorf. Es ist einfach ein ganz dolles Ding, dass die Leute mit solchen infamen Äußerungen verunsichert und in Panik versetzt werden.
Die Aufklärungsergebnisse liegen vor. Wir brauchen von Ihrer Seite schlichtweg mehr Ehrlichkeit und Sachlichkeit.
Wir sollten jetzt gemeinsam nach vorne sehen, einen von den besten Wissenschaftlern begleiteten Optionenvergleich machen und dann im Interesse der örtlichen Bevölkerung ein technisch machbares Lösungskonzept umsetzen.