Protocol of the Session on September 17, 2008

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Kollegen Herzog das Wort. Herr Herzog, Sie haben eine Redezeit von 7:30 Minuten. Sind Sie damit einverstanden, wenn ich das erste Mal Ping mache, wenn Sie noch drei Minuten Redezeit haben, und dann noch einmal, wenn Sie nur noch eine Minute Restredezeit haben? - Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir Linken legen nur die Symbole unter den Tisch. Andere, Herr Jüttner, wischen das Thema vom Tisch.

Als ich am 6. Juni den Entschließungsantrag der Linken zum Thema Asse eingebracht habe, habe ich mit den Worten geendet:

„Das Experiment sind die Menschen, das Experiment sind wir.“

Niemand in diesem Saal wird leugnen, meine ich, dass sich dies in den vergangenen Monaten voll bestätigt hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Manches haben wir aus Akten und aus teils sehr widerstrebenden Ministerialbeamten herausbekommen; das ist gelungen, anderes nicht. Diese mussten in jeder Sitzung des fleißigen Umweltausschusses erhebliche Teile ihrer vorherigen Aussagen revidieren. Fakt ist unter dem Strich: Aus dem Probeatommülllager, Versuchsatommülllager, Forschungsatommülllager wurde durch die Abkipptechnik ein faktisches Endlager. Das ist eine zielgerichtete Metamorphose in Salamitaktik. Und der zuständige jetzige niedersächsische Umweltminister zeigte sich handlungsunfähig und grub sich irgendwo ein - der, der sonst im Blitzlichtgewitter mit der Motorsäge Schneisen schlägt und sich bei Grundsteinlegungen von Kohledreckschleudern feiern lässt. Erst zum befohlenden Rapport trat er schließlich an. Stattdessen, meine Damen und Herren, ließ er seinen Staatssekretär die politische Dekontaminationsarbeit machen, und der alterte in Wochen um Jahre.

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, der Staatssekretär sagte - hören Sie bitte zu - am 16. Juni im Umweltausschuss, die Cäsium-137-Werte seien seit vielen Jahren bekannt. Etwas später waren sie ihm seit letzter Woche bekannt. Dann hätte er sie seit 2006 kennen können. Letztendlich sage ich: Es stand schon seit 1993 in der Gefährdungsabschätzung. - Weiterhin sagte er, der Umgang mit Laugen sei im Einklang mit der Strahlenschutzverordnung erfolgt. Wir wissen, dass das nicht der Fall ist. Er sagte weiterhin: Ein Kontakt des Atommülls mit der Salzlösung sei außerordentlich unwahrscheinlich. - Wir wissen durch ein Gutachten: Genau das ist der Fall.

Das Krisenmanagement der Regierung bestand aus einem verschwundenen Minister und einem Staatssekretär am Anfang seiner Lehrzeit. Das, meine Damen und Herren, zeigt den Zustand der Atomaufsicht des Landes Niedersachsen.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Welcher Gegensatz zu der Broschüre der Regierung „Umweltgerechter Wohlstand für Generationen“! In Kapitel 12 zu Kernenergie und Entsorgung steht:

„Deshalb genießt Sicherheit höchste Priorität. Ein wesentliches Element dafür ist die unabhängige“

- unabhängige, nicht untätige! -

„staatliche Aufsicht …“

Weiter heißt es dort:

„Die Landesregierung wird die Wirksamkeit der atomrechtlichen Aufsicht kontinuierlich überprüfen …“

Meine Damen und Herren, genau das tat sie definitiv nicht. Das tat einzig und allein die Opposition in diesem Landtag.

(Beifall bei der LINKEN)

„Die Asse bringt es an den Tag“, lautet eine Parole der Initiativen vor Ort. Sie zeigt in der Tat das gesamte Dilemma der Atomwirtschaft. Die Grenzwertüberschreitungen - Cäsium, Tritium, Radon - zeigen ja nur die Spitze des Eisbergs. Ob der Personalschutz korrekt gelaufen ist? - Wer will das nach all diesen falschen Aussagen glauben?

(Glocke der Präsidentin)

Es handele sich nicht um Puddingpulver, sagte der umweltpolitische Sprecher der CDU, Herr Bäumer. Er hat Recht. Trotzdem wollten er und sein Kollege Dürr von der FDP lange nicht wahrhaben, dass Kernbrennstoffe in der Asse sind und es sich nicht eben nur um Handschuhe handelt. Die Vertreterin des Bundesministeriums für Forschung und Technologie hat zwar auch immer versucht, dieses Gefühl zu erzeugen, aber es ist nicht so.

Zur Abschätzung des Inventars zog der TÜV Stichproben, aber eben nur auf dem Papier. Der TÜV gab zu: Erfahrungsgemäß sind 1 % der Fässer falsch deklariert. - Das sind 1 250 Fässer, meine Damen und Herren. 24 oder 9 kg Plutonium? - Das ist ja alles nicht so wichtig! Die Bandbreite bei den Nukliden schwankte bezüglich der Menge um plus 100 % bis minus 50 %.

Die Lieferanten - das kann man in den Akten auch sehen - waren solche Skandalfirmen wie Nukem und TN, die schon 1988 durch entsprechende Skandale aufgefallen waren.

Meine Damen und Herren, deshalb ist es so verdammt wichtig, dass das gesamte Inventar bekannt

und bewertet wird - das nukleare und das chemische.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen das Szenario betrachten, bei dem die Hüllen der Gebinde, die teilweise schon jetzt nicht mehr existieren - laut entsprechender Betrachtung von Helmholtz werden sie in 15 Jahren weg sein -, kaputt sind und diese ganze Mumpe zusammenfließt und wir dann einen Mix aus Säuren, Zigtausenden Litern von Öl, 500 Tonnen Arsen und anderen Dingen haben. Das ist ein hoch reaktiver Giftcocktail. Darum geht es hier.

Meine Damen und Herren, wir sind nicht deshalb für einen Untersuchungsausschuss, Herr Kollege Jüttner, weil wir eine Schlammschlacht wollen, sondern wir wollen unter den Schlamm gucken, speziell unter den politischen Schlamm. Genau diese Dinge fehlen im Statusbericht natürlich.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Wir wollen wissen: Welche Gutachter waren es, die noch in Gorleben, Morsleben und Konrad involviert sind? Wir wollen wissen, was an den brisanten Einzelaussagen der Mitarbeiter dran ist. Wir wollen wissen, wer wann wirklich welche politische Verantwortung hatte. Ja, Herr Kollege Jüttner, wir wollen auch wissen, warum Sie sagen, Sie seien getäuscht worden. Wir wollen wissen, von wem und in welcher Weise Sie getäuscht worden sind. Wir wollen Ihre Arbeitsweise, die Arbeitsweise eines aktiven Atomkraftgegners, kennen lernen. Wir wollen wissen, wer vorher die Abkipptechnik genehmigt hatte. Wir wollen wissen, warum Ihre Vorgängerin Griefahn die Gefährdungsabschätzung 1993 nicht öffentlich gemacht hat, warum sie daraus keine Schlüsse gezogen hat.

(Jörg Bode [FDP]: Sie war 1998 fertig!)

- 1993. - Wer forschte mit welchen Ergebnissen? Das ist doch wichtig. Das ist auch deshalb wichtig, damit wir gemeinsam Gorleben kippen können. Das ist doch überhaupt keine Frage.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Herr Jüttner, Sie hätten an dieser Stelle der Öffentlichkeit zeigen können, dass Sie nicht nur Ihr etwas angesengtes Fell retten wollen. Wir wollen auch wissen, warum die beiden Ministerpräsidenten der SPD, Schröder und Gabriel, die Asse nicht zur aktiven Chefsache gemacht haben.

Der eine besetzte ja 1980 noch mit uns die Gorlebener Bohrstelle. Der andere hat die Asse in seinem Wahlkreis.

Meine Damen und Herren, wir haben in dieser Geschichte viele Wortradikale gehört, gerade bei CDU und FDP. Wir können die Menschen nur mitnehmen - Zitat -, wenn totale, absolute Transparenz erreicht wird. Lückenlos müssen wir die gemachten Fehler aufarbeiten. - Herr Langspecht, ich denke, Sie erkennen sich in diesen Worten wieder. Lassen Sie Ihren starken Worten doch endlich auch einmal Taten folgen! Folgen Sie unserem Antrag, anstatt wieder in Ihre Scheinwelt der Atomromantiker zurückzugleiten!

(Beifall bei der LINKEN)

Ihre Taktik ist immer dieselbe. Aber, Herr Thiele, Herr Bäumer, Frau Bertholdes-Sandrock, Sie können so oft in den Gorlebener Salzstock einfahren, wie Sie wollen, zwei Dinge erreichen Sie nicht: erstens das Bild von der Reisekanzlerin in das Bild von einer Atomexpertin zu wandeln. Schließlich hat Frau Merkel als Umweltministerin in den 1990erJahren schon gesagt: Bei der Atomenergie ist es wie beim Backen, da geht schon mal Backpulver daneben.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich möchte Sie bitten, zum Schluss zu kommen, Herr Kollege Herzog, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Eine letzte Bemerkung noch, bitte! - Zweitens werden Sie den Gorlebener Salzstock nicht gesundbeten. Fakt ist: Das Grundwasser steht auf dem Salzstock. Es gibt kein abdichtendes Deckgebirge. Fakt ist: Wie in der Asse gibt es Anhydrit- und Carnallititschichten, die sich bei Kontakt mit Wasser auflösen. Dies sind die Einfallstore zum Absaufen eines Salzstockes. Das wird in Gorleben nicht anders sein als in der Asse.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Danke schön für den Moment Geduld. Wir versuchen, die Redezeit vorne am Redepult wieder darzustellen. Aber es hat ja eben auch so gut geklappt.

Herr Kollege Bode von der FDP-Fraktion, Sie haben das Wort. Sollte die verbleibende Redezeit nicht eingeblendet werden, werde ich jeweils fünf Minuten und eine Minute vor Ende der Redezeit die Glocke betätigen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Niedersächsische Landtag hat sich im Plenum und auch im Umweltausschuss seit Juni dieses Jahres und damit auch in der eigentlich sitzungsfreien Zeit mit der problematischen Situation in dem sogenannten Forschungsbergwerk Asse beschäftigt. Diese von uns intensiv durchgeführte Aufarbeitung ist zwar ungewöhnlich, aber sie ist in vollem Umfang gerechtfertigt; denn durch die transparente und umfassende Arbeit des niedersächsischen Umweltministeriums und des Umweltausschusses sowie der beauftragten externen Gutachter sind wir heute - das hat Wolfgang Jüttner richtig festgestellt - wesentlich weiter, als wir alle es uns seinerzeit vorgestellt haben.

(Zustimmung bei der FDP)

Das Umweltministerium hat zu jedem Zeitpunkt umfassend und sofort informiert, Akten bereitgestellt und Versäumnisse oder gar Verbesserungspotenziale offensiv sowohl dem Plenum, dem Parlament, als auch der Öffentlichkeit dargestellt. Wir haben gesehen, dass dies von allen beteiligten Beamten im Ministerium mit Engagement und Fleiß - manchmal fast bis zum Umfallen - Tag und Nacht geleistet worden ist. Für diesen Arbeitseinsatz sind wir allen Beamten dankbar.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)