Die beiden Chefs, die hier wieder durch Abwesenheit glänzen - so viel zur Parlamentsorientierung von Herrn Rösler, bereits zwei Tage wegen irgendeiner ganz wichtigen Tagung -, haben tatsächlich offensichtlich einfach nicht lesen können. Deshalb lese ich es Ihnen jetzt in Gänze vor. Ich habe in dem Artikel „Bewegungen entscheiden“, den ich Ihnen nur wärmstens empfehlen kann, tatsächlich geschrieben - was völlig richtig ist -:
„in der der größte Teil der Zeit und Kraft sowohl ihrer Parlamentarier als auch ihrer Mitarbeiter darauf verwendet wird, detaillierte Gesetzentwürfe auszuarbeiten - als seien sie eine Regierung im Wartestand. Das“
„ist nicht nur dummes Zeug und Zeitverschwendung. Wer so handelt, begeht ein Verbrechen gegen die begrenzten Ressourcen jeder politischen Kraft.“
Das ist so, und das bleibt so. Deshalb sind wir auch so viel in Krankenhäusern, bei Versammlungen und kriegen auch von der Situation in diesem Land mehr mit als Sie. Deshalb werden wir so weitermachen.
(Beifall bei der LINKEN - Jens Nacke [CDU]: Und deshalb haben Sie ein er- kennbares Demokratiedefizit!)
Ja, natürlich. Dazu wollte ich auch gleich kommen. Ich wollte zuerst kurz auf Herrn Danwitz eingehen. Es gibt durchaus Probleme bei den Studierenden durch den Prüfungsdruck.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will aus dem Tagesspiegel zitieren: „Blackout im Bachelor“. So überschreibt der Berliner Tagesspiegel am 24. Juni 2008 einen Bericht über den Prüfungsstress der Studierenden in den neuen Bachelorstudiengängen. Die Vielzahl der so genannten studienbegleitenden Prüfungen im Bachelorstudium bereite gerade vielen Studienanfängern Probleme. Die Nachfrage nach psychologischer Beratung habe sich seit Einführung der neuen Studiengänge deutlich erhöht.
So hat sich in der Tat vielerorts ein regelrechter Prüfungsmarathon entwickelt. Es gebe, so schreibt der Tagesspiegel, Bachelorstudiengänge mit 42 Prüfungen in sechs Semestern. Für Bernhard Kempen, den Präsidenten des Deutschen Hochschulverbandes, hat sich das Bachelorstudium somit zur Fließbandarbeit entwickelt.
Wenn das so ist, meine Damen und Herren, muss man sich natürlich die Frage stellen, ob dies den ursprünglichen Zielsetzungen der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen entspricht. So kommt u. a. die Magdeburger Volksstimme zu der Ansicht, dass die Einführung in den 46 europäischen Ländern möglicherweise nichts anderes als ein großer Flop gewesen sein könnte. Die Süddeutsche Zeitung spielt sogar den „BachelorBlues“, wie es in der Überschrift heißt, und schreibt, dass neun Jahre nach Beginn der größten Hochschulreform Europas in Deutschland der Bolognaprozess weitgehend misslungen sei.
Ob das so stimmt, muss man natürlich diskutieren. Es gibt jedoch in der Tat sehr viele Entwicklungen, die zu überprüfen sind. So empfinden beispielsweise viele Hochschullehrer die Umstellung der Studiengänge als Anordnung von oben. Doch damit nicht genug. Mit Medizin und Jura weigern sich ganze Fachrichtungen, das Studium auf Bachelor und Master umzustellen. Wir müssen uns über eines klar werden: Dennoch ist die Umstellung auf Bachelor und Master richtig. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen ganz eindeutig dazu.
Wie geschieht dieser Prozess? - Wir dürfen die Augen eben nicht vor den Problemen verschließen, die es damit gibt.
Ein Problem ist beispielsweise die Zahl der Studienabbrecher. In der neuesten Studie des Hochschulinformationsdienstes vom Mai 2008 wird dies nachgewiesen. Im neuen Bachelorstudium an den Universitäten liegt die Quote des Studienabbruchs bei den Studienanfängern der Jahre 2000 bis 2004 bei 25 %, bei den neuen Bachelorstudiengängen an den Fachhochschulen sogar bei 39 %: Über alle Hochschularten und Fächergruppen hinweg liegt die Studienabbrecherquote im Bachelorstudium also bei 30 % und bewegt sich damit auf einem deutlich höheren Niveau als die Abbruchrate insgesamt.
Sie können mir vielleicht vorwerfen, ich hätte jetzt nur Beispiele auf Bundesebene oder aus anderen Ländern zitiert und hätte nichts zu Niedersachsen gesagt. Dem ist aber nicht so; denn auch wir haben da entsprechende Probleme. Wir hören täglich von den Betroffenen an unseren Hochschulen von diesen Problemen. Der Gesetzentwurf der Linken legt durchaus den Finger in die richtige Wunde,
Die Studierenden im Bereich der Lehrerausbildung an der Universität Hildesheim haben sich beispielsweise an uns gewandt und darauf hingewiesen, dass die Übergangsregelungen vom Bachelor zum Master an ihrer Hochschule mit 2,5 viel zu statisch gehandhabt würden und nicht zu halten seien, weil zu Beginn ihres Studiums kein Studierender darüber informiert worden sei, dass es eine solche Hürde überhaupt geben würde. An der Universität Hannover ist dies im Studiengang Bachelor of Science in Technical Education, also ehemals Lehrer für berufsbildende Schulen, genauso. Im Fach Holztechnik studieren gerade einmal noch 18, und nur 7 von diesen werden den erforderlichen Schnitt von 2,5 für den Masterstudiengang schaffen. Doch für die Übriggebliebenen gibt es mit diesem Bachelor überhaupt keine Berufe außerhalb der Schule.
Meine Damen und Herren, was sagt einer der ranghöchsten Vertreter des Wissenschaftsministeriums dazu? - In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 3. Juni 2008 gibt es einen Bericht über eine Tagung in Cadenabbia in Italien. Dort hat
Staatssekretär Lange aus dem Wissenschaftsministerium gesagt, dass hinsichtlich der Umstellung auf Bachelor und Master in Niedersachsen alles ganz prima laufe.
Und wenn die Reform nicht klappe, dann seien die Universitäten schuld; denn man habe sie ja in die Autonomie entlassen. Die Zeiten der Steuerung von oben seien längst vorbei.
Meine Damen und Herren, wer wie diese Landesregierung so unverantwortlich an diese Umstellung geht, wer nur sagt: „Wir haben die vielen Zahlen erreicht“, wer alles ganz prima findet, der ist nicht nur auf einem Auge blind, der will die Wahrheit gar nicht sehen.
Es kann nicht angehen, dass diese Umstellung, die natürlich richtig ist, auf Teufel komm raus einfach so durchgezogen wird, wohl wissend, dass dies auf Kosten der Studierenden und der Hochschulen läuft und dass die Karre gegen die Wand gefahren wird. Wir müssen in diesem Reformprozess die Unwuchten beseitigen. Wir müssen hier eine Revision in die Wege leiten. Dazu möchte ich für die SPD-Fraktion einige Aspekte aufzeigen:
Erstens. Die Umsetzung des Bachelor-MasterProzesses in Deutschland und vor allen Dingen auch in Niedersachsen muss einer gründlichen Überprüfung unterzogen werden. Die Unwuchten und Probleme müssen thematisiert und abgeschafft werden.
Zweitens. Dazu gehört vor allem die Reduzierung der massiven Anzahl von Prüfungen, die alle Beteiligten einem enormen Druck aussetzen.
Drittens ist in vielen Bereichen die angestrebte Polyvalenz des Bachelorabschlusses nicht gegeben. Dies gilt insbesondere auch im Lehramtsbereich. Viele Studierende sind aufgrund stark reglementierender Studienordnungen nicht in der Lage, über den Tellerrand ihres Faches hinauszugucken. So ist eine Revision einer Reihe von Studienordnungen angesagt.
Viertens. Die enorme Arbeitsbelastung der Studierenden steht in eklatantem Widerspruch zu der Tatsache, dass mehr als 60 % der Studierenden zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts noch arbeiten müssen, wie die 18. Sozialerhebung des Studentenwerks nachweist. Dazu ist die BAföGErhöhung ein wichtiger und richtiger Schritt gewe
Fünftens. Es muss eine klare Regelung zum Übergang vom Bachelor zum Master geben. Hier ist das Chaos, das derzeit an den niedersächsischen Hochschulen herrscht, ein Problem.
Natürlich ist es ohne Zweifel gesamtgesellschaftlich notwendig, die Quantitäten für das Masterstudium zu steuern. Deswegen ist, wie es die Linken fordern, eine völlige Freigabe des Masterstudiums nicht richtig.
Es ist notwendig, deutlich zu machen, dass der Gesetzentwurf der Linken nicht vorwärtsweisend ist, auch wenn er auf ein richtiges Problem hinweist. Dies ist ein typisch populistischer Antrag der Linken.
Meine Damen und Herren, eine Revision der Umstellung auf Bachelor und Master ist durchaus notwendig.
Wir fordern die Regierung auf: Stellen Sie sich der Wahrheit, und gehen Sie daran, den BolognaProzess im Interesse der Hochschulen und der Studierenden positiv umzugestalten.
Danke schön, Herr Wulf. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Frau Dr. Heinen-Kljajić zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Perli, ich kann ja verstehen, dass man als Student, wenn man schon im Parlament sitzt, auch einmal seinem Frust über unzureichende Studienbedingungen Luft machen will. Sie sind unzureichend; daran gibt es nichts zu deuteln. Aber mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben Sie sich, finde ich, ziemlich vergaloppiert.
Es ist ja richtig, dass sich die Studienbedingungen in einzelnen Bachelor- und Masterstudiengängen verschlechtert haben. Aber das liegt nicht an der Studienstruktur, sondern an der Unterfinanzierung