Trotz massiver Widerstände legt die Landesregierung heute einen Gesetzentwurf vor, dessen dilettantische Vorbereitung schon jetzt dem Projekt NTH geschadet hat. Einwände von Universitätsseite und Hochschulrat wurden ignoriert, Warnungen wurden in den Wind geschlagen und Kritiker diffamiert. So musste sich Professor Seidel - wir haben
Einwände renommierter Wissenschaftler, wie von Professor Axel Haverich, wurden als unqualifiziert abgetan, und dem Hochschulrat der Leibniz-Universität, der kritisch Stellung bezogen hatte, aber vergeblich auf eine Reaktion seitens des Ministers hoffte, wurde lapidar beschieden, es sei im Hause nicht üblich, auf Stellungnahmen zu reagieren.
Meine Damen und Herren, dass der Minister nicht verdächtig ist, ein Kommunikationsgenie zu sein, ist bekannt. Doch dieses Ausmaß von Ignoranz gegenüber zahlreichen kritischen Einwänden renommierter Wissenschaftler und Hochschulexperten ist von neuer Qualität. Während sich die FDP immerhin noch um Schadensbegrenzung bemüht, ist die CDU schlicht abgetaucht. Offenbar geht es ihr jetzt nur noch darum, einen erfolglosen Minister, der sein politisches Schicksal an die NTH geknüpft hat, durchzubringen.
In dieser Allianz droht nun eine gute Idee zum Rohrkrepierer zu werden, und die NTH ist eine gute Idee. Natürlich - das wissen auch wir, Herr Minister - ist Niedersachsen neben Baden-Württemberg das einzige Land, das sich mehr als eine voll ausgebaute technische Universität leistet.
Frau Dr. Andretta, ich darf kurz unterbrechen. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klare?
Herr Klare möchte gerne das Zitat von dem Rentner. Wir werden ihm das gleich besorgen. Das war in der HAZ.
Sie haben wieder das Zitat von dem Rentner angeführt, das ja in dieser Form, wie Sie es dargestellt haben, wirklich sehr beleidigend ist.
Ich möchte gerne zur NTH zurückkommen. Niedersachsen ist neben Baden-Württemberg das einzige Land - ich habe es erwähnt -, das sich mehr als eine voll ausgebaute technische Universität leistet. Doch selbst das reiche Baden-Württemberg leistet sich mit Karlsruhe und Stuttgart nur zwei technisch orientierte Universitäten, das arme Niedersachsen dagegen gleich drei. Drei technische Universitäten auf engem Raum, die direkte Konkurrenten im Wettbewerb um Studierende, Forschungsgelder, Wissenschaftler und knappe Landesmittel sind.
So ist es natürlich ein Gebot der Vernunft, Herr Minister, die Konkurrenz untereinander zu beenden und auf Kooperation zu setzen. Die Hochschulen haben das verstanden und gründeten das bereits erwähnte Consortium Technicum, und zwar als Initiative von unten und nicht als Ergebnis von obrigkeitsstaatlichem Zwang. Wir wissen, die Barrieren, die es zu überwinden galt, waren hoch. Man kam nur langsam voran. Die Anreize zur Kooperation waren zu gering. Deshalb - so waren sich die Hochschulen einig - sollte es eine gemeinsame Hochschulentwicklungsplanung geben, die mehr Verbindlichkeit bringt. Die Idee der NTH war also geboren. Und richtig, Herr Minister, der Impuls kam
Was ist da schiefgelaufen? Schief lief es, als der Minister in seiner Regierungserklärung vom November 2006, in der er sonst nichts vorzuweisen hatte, die Idee aufgriff und die NTH zu seinem Projekt machte. Da es Ihnen, Herr Stratmann, ja nie groß genug sein kann, musste die NTH nichts Geringeres als die niedersächsische Antwort auf die ETH Zürich sein. Das klang so schön: NTH gleich ETH; so hat zumindest das Logo schon einmal Weltniveau.
Doch weder hatte der Minister ein Konzept, noch war die NTH in eine Hochschulplanung des Landes eingebunden. Alles, was der Minister zu sagen wusste, war, dass die NTH eine trilokal arbeitsteilige Einrichtung sei, was auch immer das zu bedeuten hatte.
Heute liegt der Gesetzentwurf vor. Die Kooperation der drei Universitäten soll in der Rechtsform einer Hochschule erfolgen, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, ohne jedoch die dazugehörige staatliche Einrichtung mit Ressourcen - ein Novum. Die NTH soll also eine eigene Universität sein, allerdings ohne Studierende, ohne wissenschaftliches Personal und ohne eigenes Budget, sozusagen eine Alma Mater als eine Dame ohne Unterleib. Alles, was diese Superuni hat, ist ein Präsidium und drei Mitglieder. Präsentiert werden soll die Dame ohne Unterleib - wir haben es gehört - in einem Wanderzirkus: zwei Jahre Braunschweig, zwei Jahre Clausthal, zwei Jahre Hannover und dann das Ganze wieder von vorne. Warum dieser Wanderzirkus, meine Damen und Herren? Wir durften ja am Montag in der HAZ lesen, dass auch der Minister die Rotationsregelung nicht so gelungen findet und eigentlich Hannover als Standort wollte. Doch, klagt der Minister, die Präsidenten hätten sich nicht einigen können. Das stimmt. Die Präsidenten wollten deshalb eine Entscheidung von der Politik. Doch dazu fehlte Ihnen, Herr Minister, der Mut.
(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und Zustimmung bei den Grünen - Zu- ruf von der SPD: Wie üblich!)
Statt eine klare Entscheidung für einen Standort zu treffen - es gibt gute Argumente für Hannover, es gibt gute Argumente für Braunschweig -, schlägt der Minister mit dem Rotationsprinzip nach Alphabet einen Kompromiss vor, der Niedersachsen zum
Gespött werden lässt. Jetzt, wo es Streit gibt, schieben Sie, Herr Minister, die Verantwortung den Hochschulen in die Schuhe.
Sie lassen mitteilen, Sie seien ja nur Moderator. Eigentlich, Herr Minister, war das Ihre politische Bankrotterklärung.
Meine Damen und Herren, die SPD will die NTH - eine NTH, in der die Stärken der beteiligten Universitäten durch eine gemeinsame Hochschulentwicklungsplanung ausgebaut und in der Ressourcen gebündelt werden. Damit die NTH für den Hochschulstandort Niedersachsen eine Erfolgsgeschichte werden kann, müssen die gröbsten handwerklichen Fehler des Gesetzentwurfs im Beratungsverfahren korrigiert werden.
Erstens. Das Berufungsrecht muss bei den Hochschulen bleiben. Das im Gesetz vorgesehene gespaltene Berufungsrecht führt zu dem Problem, dass es an den Mitgliedsuniversitäten zukünftig zwei Klassen von Professoren geben wird: Professoren, berufen von der NTH, und Professoren, berufen von der Mitgliedsuniversität. - Für die Leibniz-Universität bedeutet dies - das hat nicht nur Frau Bulmahn gesagt, Herr Minister -, dass ein tiefer mentaler Riss mitten durch die Universität gehen wird. Also: Berufungen im Einvernehmen mit dem NTH-Präsidium: ja. - Verlagerung des Berufungsrechts an die NTH: nein.
Zweitens. Die Kompetenzabgrenzung zwischen den NTH-Universitäten und der NTH muss klar geregelt sein. Die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit, dass das NTH-Präsidium selbst dann einen Universitätspräsidenten überstimmen kann, wenn diese Mehrheitsentscheidung in den Haushalt der überstimmten Universität eingreift, ist nicht hinnehmbar. Diese Regelung stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die verfassungsrechtlich verbürgte Autonomie der betroffenen Universität dar.
ist und den Hochschulgremien verwehrt wird, durch Wahl oder Abwahl des NTH-Präsidiums Einfluss nehmen zu können.
Drittens. Die NTH darf kein Wanderzirkus sein. Sie braucht einen festen Sitz. Nur so können sich eine Identität nach innen und ein Profil nach außen entwickeln.
Da sich die Hochschulen in dieser Frage erwartungsgemäß nicht einigen können, obliegt es, Herr McAllister - so steht es im Gesetz -, dem Minister, den NTH-Sitz festzulegen. Wenn dieser Minister es nicht kann: Ich mache es gerne!
(David McAllister [CDU]: Welchen Sitz schlagen Sie denn vor? - Karl-Heinz Klare [CDU]: Vielleicht hält er sich ja daran! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Ich denke, Ihr wollt regieren!)
Die im Gesetz geregelte Kooperation in Form einer Körperschaft des öffentlichen Rechts weist gravierende Mängel auf. Eine Bildungs- und Forschungseinrichtung ohne eigene Ressourcen, ohne eigenes Personal und ohne eigene Studierende ist keine Hochschule.
Nein, ich möchte zum Ende kommen. - Die NTH in der vorgelegten Form ist bloße Anscheinserweckung, ein reiner Etikettenschwindel, der jedem sofort auffällt.
Für die eigentliche Zielsetzung, nämlich ein erfolgreiches Auftreten im Rahmen des Exzellenzwettbewerbs, ist dies keinesfalls zielführend. Die NTH in der jetzigen Form ist weder Fisch noch Fleisch. Aus diesem Zwiespalt führen nur zwei grundsätzlich denkbare Wege hinaus: Entweder entscheidet sich das Land für die Errichtung einer eigenständigen Volluniversität, am besten als selbstständige Stiftungsuniversität mit eigenem Haushalt, eigenem Personal und eigenen Studierenden unter wesentlicher Mitwirkung von zwei oder drei Hochschulkooperationspartnern, oder - der andere Weg - das Land bekennt sich dazu, dass die Durchsetzung