Dann kommt der Druck der öffentlichen Debatte. Die SPD spürt, dass das vielleicht ein interessantes Thema sein könnte. Mehr und mehr Abgeordnete springen auf den Zug der Kritiker. Die Folge: Das Vorhaben wird öffentlich zerredet und diskreditiert. Dass damit ein Schaden für die Hochschulen billigend in Kauf genommen wird, sei hier ausdrücklich unterstrichen, zumal jeder weiß, dass das NTHProjekt nur funktionieren wird, wenn alle drei Beteiligten mitziehen.
Herr Stratmann, sind Sie wirklich der Meinung, dass sich Persönlichkeiten wie Herr Seidel, der frühere Präsident der Universität, und Herr Heckmann, der frühere Vorstandsvorsitzende der Messe AG, parteipolitisch instrumentalisieren lassen, wenn sie Bedenken gegen diese Art des Gesetzentwurfs deutlich machen?
wäre deutlich geworden, wenn Sie mich noch zwei Minuten hätten reden lassen. Dass es bei Herrn Seidel und bei Herrn Heckmann Argumente gibt, die ich zur Kenntnis nehme und mit denen ich mich auseinandersetzen muss, ist völlig klar. Ich habe mit Herrn Seidel vor einigen Tagen darüber gesprochen und weiß, welche Motivlage ihn umtreibt. Das ist ein völlig normaler Vorgang.
Ich sage es noch einmal: Wir reden hier nicht über irgendein kleines unbedeutendes Projekt, sondern über eine Maßnahme, die ich als eines der Schlüsselprojekte für die Entwicklung unserer Hochschullandschaft bezeichnen würde. Dass dabei naturgemäß - aus welchen Motiven auch immer - auch andere Auffassungen formuliert werden, ist etwas völlig Normales. Das haben wir übrigens bei allen Großprojekten, die wir mit Erfolg umgesetzt haben, erlebt, von den Studienbeiträgen über die Frage der Fusion von Hochschulen bis hin zur Frage der Hochschulzulassung und dergleichen mehr. Dazu gibt es immer unterschiedliche Auffassungen. Das macht unser demokratisches Wesen aus. Wir haben uns damit auseinanderzusetzen und gute Gegenargumente zu finden. Diese haben wir hier; da bin ich mehr als selbstbewusst.
Meine Damen und Herren, jetzt komme ich zu dem, was Sie gesagt haben. Ich finde, was die parteipolitische Auseinandersetzung anbelangt, ist der Gipfel das Interview Ihrer ehemaligen Bundesbildungsministerin, der hiesigen SPD-Bundestagsabgeordneten Edelgard Bulmahn.
- Ja, sie war auch einmal Landesvorsitzende, wobei man da in Niedersachsen den Überblick verlieren kann. - Der Hauptvorwurf, den Frau Bulmahn erhebt, ist, ich würde die Autonomie der Hochschulen einschränken. Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen: Entweder kennt Frau Bulmahn den Sachverhalt nicht, oder sie ist inkompetent.
Da Frau Bulmahn und ich in vielerlei Hinsicht miteinander auch gestritten haben - Sie ist ja meine Stellvertreterin im Kuratorium der VW-Stiftung -, weiß ich aus diesen Streitigkeiten, dass sie nicht inkompetent ist, auch wenn wir in verschiedenen Fragen unterschiedliche Auffassungen haben. Das heißt, sie hat ein Interview zu einem Thema abgegeben, zu dem sie sich in keiner Weise sachkundig gemacht hat, weil sie vermutlich von Ihnen darum gebeten wurde.
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ach, auch sie lässt sich noch instrumentalisieren! So stellt sich der „kleine Stratmann“ die Welt vor!)
Meine Damen und Herren, es geht nicht um die Einschränkung der Autonomie, sondern es geht um das genaue Gegenteil, Herr Jüttner. Dies müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Künftig wird es mehr Befugnisse als weniger geben; denn ohne eigene Befugnisse, liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre die NTH gar keine Universität. Sie wäre auch nicht antragsberechtigt gegenüber der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Damit wäre eines der Primärziele der NTH-Errichtung verfehlt.
Darüber hinaus wird von Frau Bulmahn die angebliche Spaltung der Leibniz-Universität beklagt und mit dem auseinanderfallenden Berufungsrecht begründet. Auch das ist ein populistisches Argument. Das Berufungsrecht, meine Damen und Herren, wird der Leibniz-Universität, obwohl dies fast jeden Tag behauptet wird, nicht genommen, weil sie es ja gar nicht hat. Etwas, was ich nicht habe, kann mir nicht genommen werden. Die Berufungsbefugnis aufgrund der Vorschläge der Universität liegt nach wie vor beim Minister für Wissenschaft und Kultur, der sie - so verankert in dem seit 1. Januar 2007 geltenden Niedersächsischen Hochschulgesetz - auf Antrag auf die Hochschule übertragen kann. Ein kleiner Hinweis: Keine Hochschule hat bisher einen solchen Antrag gestellt, auch nicht die Universität Hannover. Über die Gründe möchte ich hier nicht weiter spekulieren. Im Zuge der Errichtung der NTH
wird diese Zuständigkeit des MWK der NTH gegeben. Ich gebe also Befugnisse ab und übertrage sie auf die Ebene der NTH. Dies ist keine Schwächung von Autonomie, sondern eine maßgebliche Stärkung von Autonomie, weil es mehr Befugnisse gibt.
Wenn die NTH eine eigene hochschulübergreifende Entwicklungsplanung für die MINT-Fächer aufstellt, dann muss sie auch die Institution sein, meine Damen und Herren, die für die Denomination und Besetzung der Professorenstellen verantwortlich ist; denn das ist das wichtigste Instrument zur Realisierung einer Entwicklungsplanung, zumal wir hier immer Festlegungen auf 20 oder sogar 25 Jahre treffen. Daraus folgt: Wenn das Ministerium für Wissenschaft und Kultur das Berufungsrecht auf die NTH delegiert, um die Umsetzung der gemeinsamen Entwicklungsplanung in der Berufungspolitik zu sichern, dann ist dies eine eindeutige Stärkung.
Eine weitere Falschbehauptung von Frau Bulmahn und vielen anderen, die in den letzten Tagen durch die Presse kursierte, ist, das MWK bestimme allein die zwei externen Mitglieder des NTH-Präsidiums, und das beeinträchtige die Hochschulautonomie. Meine Damen und Herren, das ist schlichter Unfug! Auch hier ist das Gegenteil der Fall: Die externen Präsidiumsmitglieder werden im Einvernehmen mit den Hochschulpräsidenten und nach Bestätigung durch den NTH-Senat vom MWK bestellt. Die Bestellung durch das MWK - im Übrigen wie bei den Präsidiumsmitgliedern allgemein und auch bei den Hochschulratsmitgliedern - muss sein, um den Betreffenden die staatliche, d. h. demokratische Legitimation zu verleihen.
Schließlich - auch dazu will und muss ich etwas sagen - die Sitzfrage: Nur Hannover dürfe es sein. Alles andere sei falsch. Die Leibniz-Universität sei die größte Mitgliedsuniversität. Deshalb müsse der Sitz hierher. - So wird gesagt. Wenn man aber nur die relevanten Fächergruppen und Fächer betrachtet, meine Damen und Herren, ist das schon weniger klar. Danach müsste der Sitz nämlich nach Braunschweig verlagert werden. Vor Ort gebe es intensive Kooperationen - wird weiter gesagt - mit der MHH und der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Auch deshalb müsse der Sitz hierher.
Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen sehr ausdrücklich: Diese Kooperationen sind uns höchst willkommen. Wir unterstützen diese Kooperationen, wo auch immer wir das können. Das eine hat aber mit dem anderen herzlich wenig zu tun. Kooperationen und Zusammenarbeit welcher Art auch immer hier in Hannover stehen in keinem Fall infrage.
Es ist bemerkenswert, dass bei dieser Argumentation völlig unterschlagen wird, dass dort, wo wir in Niedersachsen zurzeit vermutlich mit Abstand am erfolgreichsten sind, nämlich im biomedizinischen Bereich unter Federführung der MHH, nicht nur die TiHo und die Leibniz Universität, sondern selbstverständlich auch das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig,
die TU Braunschweig und das Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin einbezogen sind. Meine Damen und Herren, hier gibt es eine Zusammenarbeit zwischen Hannover und Braunschweig. Diese Zusammenarbeit hat in den letzten Monaten und Jahren bereits dazu geführt, dass ein Erfolgsmodell entstanden ist, das weltweit Beachtung gefunden hat. In den letzten Jahren sind dort mehr als 100 Millionen Euro zusätzliche Drittmittel generiert worden. Das muss man doch einmal zur Kenntnis nehmen!
Deshalb möchte ja Boehringer kommen. Einige, die gegen die Ansiedlung von Boehringer sind, sind jetzt auch gegen dieses Thema. Ich weiß nicht, womit dies zusammenhängt.
Meine Damen und Herren, die NTH besteht aus drei gleichberechtigten Mitgliedsuniversitäten. Der wechselnde Sitz der NTH bildet dies ab. Er bildet die Gleichberechtigung der drei Universitäten ab und unterbindet damit Befürchtungen der Mitgliedsuniversitäten, die NTH sei nur ein erster Schritt zur Auflösung einer oder von zwei Universitäten.
Was glauben Sie denn, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, welche Ängste beispielsweise beim kleinsten Teilnehmer, der TU Clausthal, vorhanden sind? - Sie hat von Anfang an die Sorge gehabt, sie würde von den beiden großen majorisiert. Trotzdem haben die Clausthaler gesagt, auch deshalb, weil wir sie gleichberechtigt behandeln wollen: Für uns ist dies eine Riesenchance. Lasst uns diese Chance wahrnehmen! Lasst uns diese Chance nicht zerreden! - Für die Funktion der NTH - weil es nämlich nicht um Planstellen, Bürohochhäuser oder sonst was geht - ist die Frage des Sitzes von überhaupt keiner Bedeutung.
Zusammenfassend möchte ich Folgendes sagen: Die NTH ist der richtige Weg, wenn sie von den Beteiligten gewollt wird und wenn die gemeinsame Entwicklungsplanung arbeitsteilig von unten nach oben erfolgt. Die NTH ist eben keine von der Lan
desregierung verordnete Maßnahme, obwohl wir dieses Projekt mit Nachdruck - dies sage ich auch für mich ganz persönlich - unterstützen. Sie beruht vielmehr auf einer Initiative der Mitgliedsuniversitäten, die von uns die politische und gesetzliche Absicherung dieses Schlüsselprojektes erwarten.
Übrigens ist ein vergleichbares Projekt, das sich an unserem orientiert hat, nämlich das Vorhaben meines sehr geschätzten Kollegen Zöllner in Berlin, deshalb gescheitert, weil Herr Zöllner versucht hat, von oben aufzuoktroyieren. Das kann nicht funktionieren. Deshalb haben wir von Anfang an diesen Weg zugelassen und haben ihn unterstützt.
Herr Barke hat jetzt gesagt, er habe sich vom Staatssekretär sozusagen das Versprechen abnehmen lassen müssen, dieses Projekt zu unterstützen. Ich kenne meinen Staatssekretär sehr genau und weiß - auch wenn er bei Kardinal Ratzinger Dogmatik studiert hat; bei den Katholiken ist das mit der Abnahme der Versprechen ja so eine Sache -, dass er das niemals tun würde, weil das nicht seinen Charaktereigenschaften entspricht. Im Übrigen würde ich Herrn Barke fragen: Warum hat er sich das Versprechen überhaupt abnehmen lassen, wenn er von der Sache nicht so überzeugt ist?
Weiter: SPD und Grüne haben vor der öffentlichen Diskussion der letzten drei Wochen zur NTH die Meinung vertreten, dass die Errichtung der NTH der richtige Weg zur Verbesserung der Zusammenarbeit der drei Mitgliedsuniversitäten sei. Ich bin gespannt darauf, ob Sie dabei bleiben.
Mit der NTH wird es uns, meine Damen und Herren, auch gelingen, zu einem viel interessanteren Partner für die Wirtschaft zu werden. Dies zeigt beispielsweise das Projekt „neue Bohrverfahren in der Geothermie“, das wir im Rahmen eines Forschungsverbund an der Clausthaler und Braunschweiger Universität in Vorbereitung haben, das wir zusammen mit der Firma Baker Hughes in Celle entwickeln, oder das Niedersächsische Zentrum für Fahrzeugtechnik in Braunschweig. Dass die Wirtschaft das erkannt hat, zeigt u. a. folgende Aussage - ich zitiere -:
„Leistungsfähige Hochschulen sind ein Segen für die Unternehmen in unserer Region. Die NTH wird auf jeden Fall die Chance verbessern, attraktiver zu werden. Sie darf nicht vertan werden.“
Jetzt dürfen Sie einmal raten, wer das, was ich zitiert habe, gesagt hat. Das war der Personalvorstand der Salzgitter AG, der ehemalige Chef der Staatskanzlei, Hans-Peter Schneider
- Peter-Jürgen Schneider -, der bei Ihnen, glaube ich, auch einmal stellvertretender Fraktionsvorsitzender war.
Meine Damen und Herren, das alles sollte doch Grund genug dafür sein, das Projekt in den parlamentarischen Beratungen konstruktiv und konsensorientiert anzugehen. Lassen Sie doch parteipolitische Abgrenzungsmanöver bei diesem wichtigen Thema außen vor. Wir reden hier nicht über etwas, was tagespolitisch zu entscheiden ist, sondern was über viele Legislaturperioden hinweg wirkt.
Meine Damen und Herren, schon Seneca hat gesagt: Fortschritt besteht im Wesentlichen darin, dass man fortschreitet.
Nach dem bisherigen Beratungsverlauf zeichnet sich ab, dass wir roundabout zweieinhalb Stunden im Rückstand sind. Meine Bitte geht an die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen, sich darüber zu verständigen, wie mit dem Rest der für heute vorgesehenen Tagesordnungspunkte verfahren werden soll, welche Tagesordnungspunkte gegebenenfalls morgen beraten werden sollen oder wie es weiter laufen soll.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, meine Fraktion bleibt bei dem Projekt NTH. Wir kritisieren, was Sie aus dem Projekt gemacht haben.
Trotz massiver Widerstände legt die Landesregierung heute einen Gesetzentwurf vor, dessen dilettantische Vorbereitung schon jetzt dem Projekt NTH geschadet hat. Einwände von Universitätsseite und Hochschulrat wurden ignoriert, Warnungen wurden in den Wind geschlagen und Kritiker diffamiert. So musste sich Professor Seidel - wir haben