Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Schwarz, das ist genau das Problem: Sie bringen hier einen Antrag zum niedersächsischen Psychiatriegesetz ein. Sie fangen an, indem Sie wortreich in bestimmte Bereiche einführen, auf die sich der Antrag gar nicht bezieht, und Ihre Kurzintervention beginnen Sie mit einem Hinweis zur Sicherungsverwahrung und zum Therapieunterbringungsgesetz. Das steht in der nächsten Woche im Sozialausschuss auf der Tagesordnung. Das werden wir dort auch diskutieren. Aber dort liegt, wenn ich das richtig gesehen habe, wenigstens ein Gesetzentwurf vor. Hier aber sagen Sie: Es gibt Handlungsbedarf, und dann schauen wir einmal, wie wir mit diesem Handlungsbedarf umgehen, liebe Landesregierung. - Das sind doch zwei ganz unterschiedliche Dinge!
Das ist eine ganze Menge, die Sie sich da scheinbar noch vorgenommen haben. Ich kann schon verstehen, dass man da vielleicht mal den Überblick verliert. Wir haben den Überblick an dieser Stelle in keiner Weise verloren. Wir haben auch nicht den Überblick verloren, was in den letzten Jahren in Niedersachsen geschehen ist, Frau Schwarz. Da ist etwas geschehen! Das nehmen wir auch zur Kenntnis. Aber dann lesen Sie bitte auch einmal die Jahresberichte und legen Sie sie nebeneinander! Dort sind die Themenbereiche skizziert, in denen in den letzten Jahren viel zu
wenig passiert ist und wo Sie immer noch Zustände akzeptieren, die für uns nicht akzeptabel sind. Das ist dann vielleicht der kleine Unterschied.
Verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Brunotte, ich will Ihnen gerne bescheinigen, dass Sie den Überblick nicht verloren haben. Das liegt aber nur daran, dass Sie ihn niemals hatten - dann konnten Sie ihn auch nicht verlieren.
(Oh! bei der SPD - Petra Tiemann [SPD]: Aber Herrn Professor Spengler haben Sie zur Kenntnis genommen, Herr Riese?)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Materie, die im Psychiatriegesetz geregelt ist, ist eine vielteilige. Wir haben es mit einem Punkt zu tun. Es ist schon vielen Gesetzgebern geschehen, dass sie lernen mussten, dass eine bestehende Rechtslage beim Bundesverfassungsgericht und beim Bundesgerichtshof eingesammelt wurde und daher neu gestaltet werden muss.
Jetzt ist das ausgerechnet ein Feld, in dem nicht nur der gerade angesprochene Professor Dr. Spengler ein besonderer Experte ist, sondern in dem auch die Probleme leichter aufgezeigt sind, als die Lösungen gefunden werden.
Dabei geht es ja erstens um nichts weniger als um die Frage, wann man besser als der Patient an seiner statt wissen kann, wann eine Behandlung erforderlich ist. Das ist ein schwieriger Eingriff in die Bürgerrechte. Dabei werden natürlich insbesondere Liberale sehr nervös. Trotzdem gibt es gute Gründe im Interesse des Gemeinwohls, dass solche Zwangsbehandlungen mitunter notwendig sind. Dafür muss rechtssicher festgelegt werden, dass die Behandlung von Experten angeordnet ist und vor allen Dingen vom Richter im Vorhinein genehmigt wurde. Der Richtervorbehalt ist ein sehr wichtiger Aspekt. - Das ist der erste Komplex, der
Der zweite Komplex, den Sie hier nicht ganz unberechtigt angesprochen haben, zumal er auch im Antrag thematisiert ist, ist die Bedeutung der Prävention. In der psychiatrischen Landschaft haben wir ja dieselbe Vielfalt der Zuständigkeit verschiedenster staatlicher Ebenen und verschiedenster Körperschaften der Selbstverwaltung, wie wir sie im Gesundheitswesen insgesamt haben. Das Zusammenwirken mit starker kommunaler Beteiligung, soweit es um die örtliche Zusammenarbeit geht, ist daher im Hinblick auf die Verantwortlichkeit nicht ganz einfach zu sortieren. Hier kann das Land nur an den Rahmenbedingungen mitwirken, wird dies allerdings mit der Zielrichtung der Verstärkung der Prävention tun müssen.
Der dritte Bereich ist in dem Gesetz angelegt, wie wir es vorfinden. Das ist ein steter Gegenstand der Beratungen in der Psychiatriekommission gewesen - die ich, glaube ich, öfter besucht habe, als Sie es getan haben, Herr Brunotte -, und zwar die Frage der Besuchskommissionen.
Im Gesetz, das wir vorfinden, ist die Frage der Zuständigkeit der Besuchskommissionen einigermaßen klar dargelegt. Aber derjenige, der von einer Besuchskommission besucht wird, fragt sich nicht ganz zu Unrecht: Warum kommt die Heimaufsicht? Warum kommt der Medizinische Dienst der Krankenkassen jeweils mit zwei bis drei Fachleuten? Und warum kommt dann noch eine Besuchskommission mit leicht mal 30 Persönlichkeiten, die alle mit Kaffee, Brötchen und anderen Dingen verpflegt sein wollen und den Laden dort aufhalten?
Dass das an der Front nicht nur, gelinde gesagt, für Überraschung, sondern mitunter auch für Verdrießlichkeit sorgt, kann ich zunächst einmal verstehen. Man muss das aus der Wirklichkeit der Träger - ich spreche hier vor allen Dingen von den Heimen, weniger von den Landeskrankenhäusern und ihren Nachfolgern - betrachten. Das ist in Abstimmung mit anderen Gruppen, die diese Heime besuchen, durchaus verbesserungswürdig. Es muss noch einmal klargestellt werden, dass es einen guten Grund dafür gibt. Die Besuchskommissionen leisten ganz hervorragende Arbeit. Aber im Hinblick auf die Belastung derjenigen, die besucht werden, muss sicherlich noch einmal nachgesteuert werden. Ich glaube, die Wege - - -
Meine Damen und Herren, es liegen zwei Wortmeldungen für Kurzinterventionen vor. Zunächst hat der Herr Kollege Brunotte von der SPD-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Riese, wir sind uns in der grundsätzlichen Einschätzung des Handlungsbedarfs einig. Wenn ich davon ausgehe, dass eine Landesregierung regiert, frage ich mich aber: Was haben Sie in den letzten 18 Monaten gemacht?
Nun zur zweiten Frage: Ich bin schon etwas irritiert, dass der Vorsitzende des Sozialausschusses, dem der Psychiatrieausschuss angegliedert ist, seinen Psychiatrieausschuss, der als Besuchskommission unterwegs ist, als „Brötchenkommission“ verschreit. Wir haben eine andere Definition der wertvollen Aufgabe der Besuchskommission. Ich glaube kaum, dass es denen, die im Auftrag des Landes und somit auch des Sozialausschusses unterwegs sind, darum geht, den Heimbetreibern bei Brötchen und Kaffee auf die Nerven zu gehen. Ihnen geht es vielmehr darum, eine sinnvolle Arbeit im Auftrag einer vernünftigen psychiatrischen Krankenversorgung, die für die Rechte der Patientinnen und Patienten eintritt, zu machen. Deshalb sollten sie nicht als „Brötchenkommission“ abqualifiziert werden.
Von der Fraktion DIE LINKE erhält Frau Kollegin Reichwaldt das Wort. Frau Reichwaldt, auch Sie haben anderthalb Minuten Redezeit zur Verfügung. Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Riese, Sie bestätigen die Vorbehalte, die ich habe, immer wieder. Ich denke manchmal, nun sind wir fast auf einer Linie, und im Grunde haben wir den gleichen Ansatz und sehen, dass eine Änderung des Gesetzes dringend notwendig ist. Aber dann geht es wieder los.
Ich habe Sie schon in der Psychiatriekommission gesehen. Sie wissen, dass es seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wirklich ein riesengroßes Problem für Ärzte und Behandelnde ist, was mit den Menschen, die sie behandeln müssen, geschieht oder nicht. Ihnen sind zum Teil die Hände gebunden. Die Menschen, die dort sind, leiden. Es gibt keine vernünftigen Handlungsanweisungen. Also: Wir brauchen ein neues Gesetz.
Das Zweite: Wie kommen Sie dazu - das sind die Erfahrungen, die wir in der Besuchskommission in der Regel mit drei bis fünf Teilnehmenden machen -, diese in der Weise zu verunglimpfen und zu sagen, sie erwarteten Kaffee und Brötchen? Das ist wirklich völlig indiskutabel!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es lohnt sich sehr, nicht alleine mit der Psychiatriekommission und dem Vorsitzenden, sondern bisweilen auch einmal mit der anderen Seite ausführliche Gespräche zu führen. Der alte Grundsatz lautet: Man sollte auch einmal die andere Seite hören.
An dieser Stelle weise ich erneut Vorwürfe zurück. Ich habe die Arbeit der Besuchskommission nicht abqualifiziert, nicht angegriffen, sondern ich habe sie ausdrücklich gelobt und habe auf den organisatorischen Umstand hingewiesen - Sie können sich
draußen in der Welt erkundigen -, dass sich das tatsächlich so darstellt. Da kommt der Anruf: Wir kommen mit soundso viel Leuten - es sind manchmal mehr als fünf -, und wir möchten bitte Brötchen und Kaffee. - In einem Heim, das seine Bewohner zu betreuen hat, ist das ein nicht unbeträchtlicher Aufwand, der Personal bindet. Niemand ist in diesem Saal, der eine Vorstellung davon hat, was die Arbeit der Besuchskommission auf der anderen Seite, bei den Besuchten, für Arbeit und Geldmittel bindet.
Das sind Dinge, mit denen man sich durchaus einmal beschäftigen kann. Die zuvor erwähnten Heime, namentlich die Heime, die von einer Vielzahl von Kommissionen mit unterschiedlichem Hintergrund aufgesucht werden, brauchen an dieser Stelle auch ein bisschen Verständnis, und das muss zusammengeführt werden. Das ist in dem derzeit geltenden Gesetz nicht optimal ausgestaltet, und insofern könnte nachgesteuert werden.
Noch einmal: Die Arbeit der Besuchskommission ist gut und gerade im Sinne der Bürgerrechte eine wichtige Sache. Aber die Frage, wie man das organisiert, darf durchaus erörtert werden.
Danke schön. - Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Der Antrag soll an den Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration überwiesen werden. Höre ich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Ich sehe auch keinen Widerspruch. Somit haben Sie so beschlossen.
Erste Beratung: Modernisierung der Lehrerbildung in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/5055
Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jedem in diesem Hohen Hause war angesichts der ersten PISA-Ergebnisse zur Qualität der deutschen Schulen zur Jahrtausendwende klar, dass es Veränderungen in der bundesdeutschen und niedersächsischen Bildungspolitik geben musste. Deswegen haben wir hier in diesem Landtag in den letzten Jahren viele Schlachten um die jeweils richtige Bildungspolitik geschlagen. Daran habe auch ich mich immer gerne beteiligt.