Protocol of the Session on July 18, 2012

(Zurufe von der SPD)

- Das weiß ich. Das ist mir bekannt. Wir geben aber in Niedersachsen 95 Millionen Euro für Ganztagsschulen aus. Das, was Sie wollen - volle Gebundenheit -, kostet 0,5 Milliarden Euro. Das ist zurzeit schlicht nicht machbar.

Wir haben 23 000 neue Krippenplätze. Wir haben die Neuordnung der Schulinspektion auf den Weg gebracht, wir haben die Neuordnung der Lehrerfortbildung in Kompetenzzentren auf den Weg gebracht, die Lehrerausbildung wird reformiert,

GHR 300, ein Jahr länger mit einem halben Jahr Praxissemester.

Meine Damen und Herren, wir schlafen in Bildung nicht auf den Bäumen. Wir haben in Niedersachsen längst vieles auf den Weg gebracht, von dem Sie noch träumen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sehr verehrte Frau Geuter, Herr Wenzel, zwischendurch habe ich überlegt: Geht es in der Debatte eigentlich noch um Bildungspolitik oder nicht eher um Landesbanken und um die Schuldenbremse?

(Christian Dürr [FDP]: Das habe ich mich auch gefragt!)

Natürlich hat das alles indirekt etwas damit zu tun. Aber, Frau Geuter, ich habe überlegt, ob ich nicht Ihre Rede mit den vielen Fragestellungen - ich werde es nicht machen können, aber ich könnte mir vorstellen, andere würden das tun - allen Schulen zur Verfügung stelle.

(Jens Nacke [CDU]: Wir machen es! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das wäre ein Superbeitrag! Sehr gut!)

Es gibt ein chinesisches Sprichwort. Das lautet: Achte auf deine Gedanken! Sie sind der Anfang deiner Taten. - Wenn es Ihre Gedanken waren, alles über die Finanzen infrage zu stellen

(Johanne Modder [SPD]: Was macht denn Herr Möllring? - Stefan Schostok [SPD]: Wer will die Schuldenbremse 2017? - Zuruf von Frauke Heiligen- stadt [SPD])

und grundsätzlich zu sagen, wir würden ja den Landeshaushalt nicht konsolidieren und jetzt müsse man wirklich endlich einmal konsolidieren, wie, Frau Geuter, lautet denn dann Ihre Botschaft ans Land? - Heißt das konkret, Sie werden nach der Wahl sparen, Sie werden Lehrerstellen kürzen? Ist das Ihre Aussage?

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP- Zuruf von Re- nate Geuter [SPD] - Johanne Modder [SPD]: Schuldenbremse 2017! Herr Althusmann, darüber reden wir!)

Meine Damen und Herren, ich finde, die Menschen in Niedersachsen haben ein Recht und einen Anspruch darauf, vor der Wahl zu wissen, wohin es bei Ihnen nach der Wahl gehen soll.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Renate Geuter [SPD]: Genau das!)

- Genau das, und dabei werde ich Ihnen ordentlich helfen, das kann ich Ihnen sagen, Frau Geuter.

(Renate Geuter [SPD]: Da sind Sie sprachlos!)

Herr Minister, ich frage Sie, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Aller zulassen.

Sehr gern. - Sehr geschätzter Herr Kollege Aller, Sie haben mich vor Kurzem noch mit Herrn Busemann verwechselt. Das haben Sie mir gestern erzählt. Das nehme ich Ihnen persönlich übel. - Bitte!

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Herr Aller, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Ich entschuldige mich in aller Form dafür, dass ich Sie mit Herrn Busemann verwechselt habe. Aber er hat einen nachhaltigen Eindruck als Kultusminister hinterlassen; Sie bislang noch nicht.

Jetzt zu meiner Frage. Sie haben gesagt, die Bürger hätten vor der Wahl ein Recht auf Klarheit, was nach der Wahl passieren werde. Dem stimme ich zu. Aber was soll die Bevölkerung davon halten, wenn der Finanzminister andeutet, er werde Stellen im Schulsystem streichen, und die CDU heftig widerspricht? Wie interpretieren Sie das aus Sicht des Kultusministers, der ja auch CDU-Mitglied ist?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Aller, ich weiß nicht, ob es zu Ihren Zeiten so war wie bei uns, aber Herr Möllring und ich haben ein ausgesprochen gutes Verhältnis zueinander. Wir haben miteinander darüber gesprochen. Er hat lediglich eine völlig normale Sache gesagt. In Deutschland werden sich die Schülerzahlen in den nächsten 30 Jahren in etwa halbieren. Daran wird auch Niedersachsen nicht vorbeikommen. Wenn wir also in zehn bis 20 Jahren deutlich weniger Schülerinnen und Schüler haben,

soll bedarfsgerecht eingestellt werden. Das ist ein völlig normaler finanzpolitischer Vorgang.

Lieber Herr Aller, sehr verehrte Frau Geuter, mit Ihnen habe ich nur ein Problem: In diesem Parlament treten die Finanzpolitiker der SPD inzwischen so auf, als mahnten sie - zu Recht - an, der Landeshaushalt müsse konsolidiert werden, man müsse Schulden abbauen usw. Aber was sagen Ihre Bildungspolitiker im ganzen Land? - Abitur für alle, längeres gemeinsames Lernen, eine Schule für alle, Gesamtschulen für alle, mehr Lehrer, kleinere Klassen, mehr Entlastung bei weniger Belastung. - Meine Damen und Herren, Sie versprechen den Menschen vor der Wahl die Kuschelbildungsrepublik.

Wissen Sie, wozu das in Baden-Württemberg geführt hat? - Ich will nur einmal den GEWLandesvorsitzenden zitieren, der unverdächtig sein dürfte, der CDU nahezustehen, wie es ja auch der niedersächsische GEW-Landesvorsitzende für sich immer wieder unter Beweis stellt. Zitat vom 10. Juli:

„Seit heute sind die 18 Seiten zum Thema Bildungspolitik im grün-roten Koalitionsvertrag nicht mehr das Papier wert, auf das sie gedruckt wurden.“

Herr Moritz sagte zu Herrn Kretschmann:

„Das ist eine bildungspolitische Bankrotterklärung zu Lasten der Jüngsten im Lande. Schüler, Eltern und Lehrkräfte hätten nicht erwartet, dass die Bildungspolitik nach dem Politikwechsel so unter die Räder kommt“.

- Ich schon.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Jens Nacke [CDU]: Das ist Frau Geuters Wahrheit! - Gegenruf von Renate Geuter [SPD]: Schulden- bremse bis 2017, das müsst ihr be- weisen!)

Meine Damen und Herren, wenn es eines letzten Beweises bedurft hätte, dass dieses Land auf Stabilität und Kontinuität setzen muss und nicht auf rot-grüne Luftblasen, die spätestens einen Tag nach der Wahl zerplatzen, dann ist es dieses Zitat.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich stelle fest, dass damit Tagesordnungspunkt 16 d erledigt ist.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 e auf:

Bundesweit mehr Flexibilität beim TurboAbitur, aber Niedersachsen bleibt stur - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/5017

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Korter für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Korter, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von CDU und FDP ist ja gerade viel in andere Bundesländer geschaut worden. Aber mit dem Thema Turbo-Abitur haben sie sich leider nicht befasst. Wahrscheinlich wissen sie auch genau, warum.

Vor neun Jahren hat die schwarz-gelbe Koalition das Turbo-Abitur in Niedersachsen eingeführt. Dabei konnte es gar nicht schnell genug gehen. Im Eiltempo haben Sie den Start durchgezogen, ohne Nachdenken und ohne Vorbereitung, allen Warnungen zum Trotz. Nicht nur Lehrerinnen und Lehrer, auch Kinderärzte und Psychologen hatten auf die hohe Belastung der Kinder hingewiesen. Aber taub gegen alle Argumente zog Schwarz-Gelb das Turbo-Abitur durch.

Taub blieb die Landesregierung auch, als nach einigen Jahren immer mehr bedrückende Berichte von Schülerinnen und Schülern kamen, und taub blieb sie noch immer, als vor einem Jahr bekannt wurde, dass fast 20 % des ersten G8-Jahrgangs, der im vergangenen Jahr, 2011, das Abitur hätte ablegen sollen, unterwegs verloren gegangen war.

Meine Damen und Herren, inzwischen zeigt sich, dass sich die Niedersächsische Landesregierung mit ihrem vom Ehrgeiz getriebenen Großversuch an Schülerinnen und Schülern wirklich vergaloppiert hat. In den G8-Gymnasien hat sich das Lernen weitgehend zu einem Fast-Food-Lernen entwickelt: ganz schnell auswendig lernen, schnell wieder ausspucken und ganz schnell vergessen. - Mit nachhaltiger Bildung hat das nichts mehr zu tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber anstatt die Probleme anzugehen, haben die CDU-Kultusminister in Niedersachsen sie ignoriert und sich bundesweit inzwischen immer weiter isoliert. Von Nord bis Süd wird über alle Parteigrenzen hinweg diskutiert, das Turbo-Abitur zumindest mit flexiblen Regelungen wieder aufzulockern und so die Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern endlich stärker zu berücksichtigen. SchleswigHolstein, Nordrhein-Westfalen und BadenWürttemberg haben den Gymnasien bereits die Möglichkeit eingeräumt, das Abitur auch wieder nach Klasse 13 anzubieten. Dort, wo die Eltern die Wahl haben, entscheiden sie sich in großer Zahl für mehr Zeit bis zum Abitur.

Sie reden ja so gern über Baden-Württemberg. Aber dann reden Sie bitte auch darüber, dass in Baden-Württemberg in den Modellschulen insgesamt 2 179 Schülerinnen und Schüler den G9-Zug besuchen, während sich nur 502 - weniger als ein Viertel - sich für den G8-Zug entschieden haben.

Anfang des Monats zeigte eine Umfrage, dass sich die Mehrheit der Bundesbürger wieder ein Abitur nach 13 Jahren wünscht. Dabei haben sich die CDU-Anhänger zu 53 % und die FDP-Anhänger sogar zu 72 % für das G9 ausgesprochen. Aber das kommt hier bei Ihnen offensichtlich nicht an.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Ihre Parteikolleginnen und Parteikollegen in den anderen Bundesländern sind offensichtlich früher aufgewacht als Sie. Sie schlafen immer noch. In Hessen hat Ministerpräsident Bouffier gerade durchgesetzt, dass ab 2013 die Gymnasien wieder selber entscheiden können, ob sie das Abitur nach Klasse 12 oder nach Klasse 13 anbieten wollen. Selbst der bayerische Ministerpräsident Seehofer gerät mehr und mehr ins Schwanken.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist doch nicht Ihr Kronzeuge!)