Protocol of the Session on June 20, 2012

Der Schutz der Sonn- und Feiertage hat bei den Beratungen für uns von jeher eine ganz besondere Rolle gespielt. Der Sonntag soll ein Tag der Erbauung und der Erholung sein.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Der see- lischen Erhebung!)

Er steht unter dem besonderen Schutz von Staat und Gesellschaft.

Manche Befürchtungen, die bei den Beratungen vor einiger Zeit anklangen, sind nicht eingetreten: Es gibt keine Verödung der Innenstädte. Es gibt keine unbegrenzte Einkaufsfreiheit. Es gibt keinen

Rund-um-die-Uhr-Kommerz. Es gibt auch nicht mehr Opfer von Gewalttaten oder gar eine Zunahme von Ladendiebstählen durch veränderte Öffnungszeiten, wie es von manchen an die Wand gemalt wurde. All das ist nicht eingetreten.

(Beifall bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: Sehr richtig! Allerdings ist allmählich eine gewisse Normalität eingetreten. Dazu gehört auch die Art und Weise, wie mit den Sonntagsöffnungszeiten umgegangen wird und wie vor Ort Absprachen mit den Kirchen getroffen werden. Fakt ist, wir bekennen uns ganz klar zum Sonn- tagsschutz ohne Wenn und Aber. Sonntagsöffnun- gen müssen die Ausnahme bleiben. Zu den angesprochenen Ausflugsorten bleibt fest- zustellen: Ausflugsort ist nicht gleich Einkaufsort. Die genannten touristischen Anreize sollen der wahre Grund für die Besuche dieser Standorte sein, (Hans-Henning Adler [LINKE]: Die kann doch jeder vorweisen!)

nicht das Bestreben, möglichst viel und lange am Sonntag einkaufen zu können.

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Das ist doch blauäugig! Interessanterweise ist bereits die Allianz Nieder- sachsen - Allianz für den freien Sonntag - ange- sprochen worden. Sie hat sich zuletzt am 13. Februar 2012 zu Wort gemeldet und sich posi- tioniert. Es ging ausschließlich darum, dem arbeits- freien Sonntag einen besonderen Stellenwert zu- kommen zu lassen. Noch einmal: Wir bekennen uns dazu, tragen es mit, verteidigen es und betonen es immer wieder gern. (Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Dann stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu!)

Bei den Arbeitszeiten ist selbstverständlich einiges flexibler geworden. Die Arbeitszeitformen haben das Alltagsleben der Beschäftigten und ihrer Familien verändert. Das streitet niemand ab. Aber eines muss man auch sehen. Das gilt nicht nur für den Einzelhandel. Das gilt genauso für das produzierende Gewerbe. Das gilt für die Gastronomie. Das gilt für die Freizeitindustrie. Das gilt für Sicherheit.

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Das macht es doch nicht besser!)

Das gilt für die Energie. Das gilt für den gesamten Gesundheitsbereich.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Da muss es ja wohl sein! Aber shoppen muss man nicht immer! - Hans-Henning Ad- ler [LINKE]: Krankenhaus ist nicht zu vermeiden! - Weitere Zurufe von der LINKEN)

Deshalb sage ich Ihnen, es ist eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung festzustellen. Weil das so ist, nehmen wir das Thema der Vereinbarkeit von Beruf und Familie besonders ernst und besonders wichtig. Wir setzen deshalb nachhaltig Akzente. Wir sehen das im Fokus.

(Zuruf von Ursula Weisser-Roelle [LINKE])

- Frau Weisser-Roelle, je mehr Sie dazwischenrufen und wie Sie es artikulieren: Das macht Ihren Gesetzentwurf nicht besser.

Ich stelle fest, das geltende Ladenöffnungsgesetz hat Verkaufszeiten geschaffen, die sich bewährt haben. Vieles hat sich relativiert. Vieles ist inzwischen akzeptiert und angenommen. Für eine Verkürzung der Öffnungszeiten durch politische Festlegung, also durch weitere Gesetzesvorhaben, besteht nicht der geringste Anlass. Das belegt die Realität: Das regelt der Markt; das regelt die Gesellschaft. Neue politische Vorgaben sind nicht erforderlich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Ursula Weisser-Roelle [LIN- KE] - Hans-Henning Adler [LINKE]: Du sollst den Feiertag heiligen!)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Helmhold das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Landtag beschäftigt sich heute zum x-ten Male mit dem Thema Ladenöffnung bzw. Ladenschluss. Ausgangspunkt des Ganzen ist das Gesetz von CDU und FDP aus dem Jahr 2007.

(Christian Dürr [FDP]: Ein gutes Ge- setz!)

Damals haben Sie gegen den Widerstand von wirklich vielen - Kommunen, Kirchen, Gewerkschaften, dem kleinen und mittleren Einzelhandel, den Familienverbänden und anderen, die ich gar

nicht alle aufzählen kann - ein Gesetz beschlossen, das aus unserer Sicht nicht nur frauen- und familienfeindlich ist, sondern auch den verfassungsrechtlich gesicherten Sonntagsschutz angreift und das den kleinen und mittleren Einzelhandel gegenüber den großen Ketten benachteiligt. Deshalb musste das Gesetz ja auch bereits zwei Jahre nach seiner Verabschiedung stark nachgebessert werden. Sie erinnern sich sicherlich an die Auseinandersetzungen in der Region Braunschweig. Die damalige Ausflugsorteregelung hatte dem Outlet-Center in Wolfsburg extrem gute Geschäfte verschafft, und dagegen liefen die Orte im Umland zu Recht Sturm.

Im Mai 2008 haben wir Ihnen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der den gröbsten Fehler Ihres Gesetzes geheilt hätte, indem er nämlich die Sortimente „Bekleidung“ und „Schmuck“ aus den für Ausflugsorte zulässigen Regelungen herausgenommen hätte. Dem sind Sie auch gefolgt, allerdings mit dem Zugeständnis an die Ausflugsorte, die Zeiten der dort möglichen Sonntagsöffnung von vier auf acht Stunden zu verdoppeln, verbunden mit der Möglichkeit, in dieser Zeit unbegrenzt alles verkaufen zu können. Damit waren wir wiederum nicht einverstanden.

Im vergangenen Jahr haben Sie die Verfassung noch ein bisschen weiter strapaziert, indem Sie die Sonntagsruhe mit den Regelungen zum Pflanzenverkauf am Sonntag noch weiter aufgeweicht haben. Richtig verständlich wurde es nicht, warum ausgerechnet Blumen und Pflanzen ein unabdingbares Wochenendbedürfnis sind, für das man in Ausflugs- und Kurorten alles auflassen muss.

Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat 2009 in seiner Grundsatzentscheidung zum Berliner Ladenöffnungsgesetz ausdrücklich festgestellt, dass ein „bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse (‚Shopping- Interesse’) potenzieller Käufer“ keine Ausnahmen vom Schutz der Sonntagsruhe rechtfertigen würden. Insofern bleiben wir bei unseren auch in der Vergangenheit immer wieder bekräftigten Bedenken.

(Glocke der Präsidentin)

Der Antrag der Linken nimmt nun die Kritik am bestehenden Gesetz erneut auf. Wir können einiges mittragen, etwa die Begrenzung der Ladenöffnungszeiten auf vernünftige, allen zumutbare Zeiträume. Auch die Herausnahme von „Bekleidung“

und „Schmuck“ aus den Sortimenten in Kurorten usw. haben wir mehrfach gefordert.

Problematisch finde ich allerdings, dass Sie mal so eben die Ausflugsorteregelung streichen wollen. Ich glaube, dass Sie dabei nicht die gewachsene Struktur solcher Orte berücksichtigen. Im Prinzip gleicht die Einführung einer solchen neuen Regelung also einer Operation an einem lebendigen Organismus.

(Gabriela König [FDP]: An einem to- ten Organismus können Sie nicht mehr operieren!)

Wenn man das will, ist es aus unserer Sicht notwendig, das sorgfältig zu prüfen. Zumindest muss man im Ausschuss eine sehr gründliche Anhörung und Diskussion über die Auswirkungen durchführen.

(Glocke der Präsidentin)

Richtig finde ich es jedoch, die ausufernden Öffnungszeiten zu überdenken. Insbesondere die im Einzelhandel arbeitenden Frauen tragen die gesamte Last dieser Liberalisierung. Die prekären Arbeitsverhältnisse in diesem Bereich haben extrem zugenommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Christian Dürr [FDP]: Auch mein Vater war im Einzelhandel!)

Einen letzten Satz!

Ein letzter Satz: Freiheit braucht Verantwortung - das ist sozusagen das Mantra unseres Bundespräsidenten.

(Christian Dürr [FDP]: Sie meinen „Freiheit braucht Beschränkung“! Das ist etwas anderes als Verantwortung!)

Das gilt, wie ich finde, auch hier: Die Freiheit zum unbegrenzten Konsum findet ihre Grenzen da, wo sie andere unzumutbar beeinträchtigt. Unsere Verantwortung liegt darin, diese Grenze zu ziehen. Ihr Ladenöffnungsgesetz, meine Damen und Herren von CDU und FDP, wird dem Anspruch unseres Bundespräsidenten jedenfalls nicht gerecht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das war ein langer letzter Satz. Herzlichen Dank. - Nun spricht für die FDP-Fraktion Frau Kollegin König.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Linken wollen wieder einmal den Fortschritt und die individuelle Freiheit nach ihrem Gutdünken eingrenzen. Eine völlig einseitige Betrachtung wird zur Grundlage für eine Regelung, nach der sich alle anderen zu richten haben: Der böse Unternehmer zwangsverpflichtet seine Mitarbeiter, an jedem Tag bis in die Nacht hinein zu arbeiten, natürlich weit über die gesetzlich festgelegten Arbeitszeiten hinaus. Das zumindest suggeriert Ihr Entwurf.

Schließlich steht in der Begründung, die Mitarbeiter könnten nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ja, wenn sie bis 23 Uhr arbeiten müssen!)

Ähnlich wie Polizisten, Ärzte, Krankenschwestern, Schichtarbeiter, Busfahrer, Lokomotivführer, Piloten, Flugbegleiter usw. - ich könnte die Aufzählung noch lange fortsetzen -

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Das ist ein Vergleich, der nicht zulässig ist!)

müssen diese armen Menschen Tag und Nacht arbeiten. - Meine Damen und Herren, in was für einer Gesellschaft leben Sie eigentlich?

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: In ei- ner Gesellschaft, die zurzeit leider von Ihnen gestaltet wird!)

Wir fordern flexible Arbeitszeiten, damit sich Eltern Arbeit und Kindererziehung teilen können. Dazu gehört, dass man am Abend auch einmal in Ruhe einkaufen kann, wenn nämlich die Kinder schlafen. Tagsüber arbeitet man möglicherweise und widmet den Kindern die restliche Zeit. Wie schön, wenn man sich als Student am Abend oder am Sonntag etwas dazuverdienen kann.

(Lachen bei der LINKEN)

Wie entspannt ist die Kundschaft, wenn nach Arbeitsschluss nicht noch schnell in Hektik das Nötigste vor Ladenschluss zusammengeklaubt werden muss oder wenn man noch vergessene Dinge in Ruhe erledigen kann. Das gehört auch zur Kun