Protocol of the Session on March 23, 2012

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An dieser Stelle passt die Frage eigentlich ganz wunderbar. Am 26. Januar war in den Northeimer

Neuesten Nachrichten unter der Überschrift - ich zitiere, Herr Präsident - „Land verlangt für Entschuldungshilfe Aufgabe der Selbstständigkeit“ - so war die Überschrift - zu lesen - ich zitiere weiter -:

„Das Land hat den Antrag auf Entschuldung der Gemeinde Kalefeld abgelehnt. Das Geld gibt es nur, wenn die Kommune mit einer Nachbargemeinde fusioniert.“

Die freiwilligen Leistungen dieser Kommune sind bereits auf unter 3 % reduziert worden, und der Bürgermeister vermutet, dass der Entschuldungstopf des Landes wohl leer sei.

„Jetzt müssen die Bedingungen verschärft werden. Die Gemeinde Kalefeld soll, koste es, was es wolle, woanders beitreten.“

So der Bericht der Northeimer Neuesten Nachrichten. Vor dem Hintergrund frage ich: Wie hat das Land die Kriterien für die Inanspruchnahme der Entschuldungshilfe verändert, wenn die Kommunen jetzt gezwungen werden, Fusionen vorzunehmen, bevor Finanzhilfe gezahlt wird?

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben keine Kriterien verändert. In Kalefeld ist es so - das ist mir gerade berichtet worden -, dass ein Haushaltsausgleich ohne Entschuldungshilfe erreicht werden konnte und insofern eine Entschuldungshilfe überhaupt nicht geboten ist. Wenn sie nicht benötigt wird, können wir sie natürlich auch nicht auszahlen.

Allgemein kann ich Ihnen darstellen: Wenn eine Kommune die Kriterien nicht erfüllt und keine nachhaltige Haushaltskonsolidierung erreicht werden kann, dann gibt es auch keine Entschuldungshilfe. Dies entfällt allerdings, wenn die Gemeinde mit einer anderen fusioniert. Dann schaut man sich natürlich das neue Konstrukt insgesamt an. Insofern sind die Kriterien so, dass es dann leichter ist, eine Entschuldungshilfe zu erreichen. Das war immer so und ist gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden festgelegt worden.

(Beifall bei der CDU)

Frau Kollegin Behrens stellt die nächste Zusatzfrage.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eine Frage zum Thema Nachhaltigkeit des Zukunftsvertrages stellen. Vor dem Hintergrund, dass Sie, Herr Minister Schünemann, eben richtigerweise gesagt haben, die Nachhaltigkeit des Zukunftsvertrages und die Nachhaltigkeit von ausgeglichenen Haushalten von fusionierten Gemeinden und Samtgemeinden sei sehr wichtig, und vor dem Hintergrund, dass Sie der Samtgemeinde Land Wursten und der Gemeinde Nordholz, die neu fusioniert sind, eine 100-prozentige Entschuldungshilfe haben zukommen lassen, und vor dem Hintergrund, - - -

Darf ich unterbrechen? - „Vor dem Hintergrund“ setzen wir bitte nicht als Serienmodell ein. Das habe ich schon mehrfach betont, und ich bitte Sie, sich auf die Frage zu konzentrieren.

Die Serie wird gleich beendet.

- - - dass diese neue Gemeinde keinen ausgeglichen Haushalt wird aufstellen können, weil sie sehr von Tourismus geprägt ist - Sie kennen die Problematik -, frage ich Sie: Wie wollen Sie die Nachhaltigkeit von Zukunftsverträgen dauerhaft sichern, wenn keine Gemeinden erzeugt werden, die einen ausgeglichenen Haushalt aufstellen können? Sie werden in zehn Jahren an der gleichen Stelle sein, an der Sie heute sind. Wo ist die Nachhaltigkeit des Zukunftsvertrages?

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich ist nicht zu 100 % eine Entschuldungshilfe gegeben worden, sondern es wurde im Vorgriff eine kapitalisierte Bedarfszuweisung genehmigt.

(Aha! bei der SPD)

In diesem Fall liegt eine Sondersituation vor, weil es hier eine doppelte Fusion gab. Gemeinden haben sich von einer Samtgemeinde zu einer Einheitsgemeinde und dann weiter zusammengeschlossen. Insofern ist das eine Sondersituation gewesen, die von der Kommission so gewürdigt wurde, dass in diesem Fall eine Entschuldungshilfe gewährt wurde.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege Hagenah stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass sich die Landesregierung ganz offensichtlich einen ganz schlanken Fuß macht, nach dem Motto „Jetzt Rosinenpickerei mit Freiwilligkeit und viel Geld für die First Mover“ - - -

Herr Kollege, keine Bewertung! Stellen Sie jetzt bitte die Frage!

Herr Präsident! Vor dem Hintergrund, dass sich die Landesregierung im Augenblick einen schlanken Fuß macht, indem sie da, wo es einfache Lösungen mit halb verschuldeten Gemeinden gibt, Rosinenpickerei betreibt,

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Heinz Rolfes [CDU]: Unver- schämtheit! - Jörg Hillmer [CDU]: Das ist falsch!)

und nur für die Zeit nach der Wahl, wenn eine andere Regierung das ausbaden muss, offensichtlich mit Zwangsmaßnahmen droht, - - -

(Clemens Große Macke [CDU]: Was soll das denn!)

Herr Kollege, wenn jetzt keine konkrete Frage kommt, entziehe ich Ihnen das Wort.

- - - frage ich die Landesregierung, wie viele Verhandlungen mit Kommunen bereits wegen zu hoher Verschuldung der Kommunen - weil sie mit den Angeboten der Landesregierung einen ausgegli

chenen Haushalt nicht darstellen konnten - gescheitert und damit auf die Zukunft für die sogenannten Zwangsmaßnahmen vertagt sind.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Fritz Güntzler [CDU]: Das ist dort, wo die Grünen die Macht haben!)

Herr Minister, bitte!

Wir machen uns überhaupt keinen schlanken Fuß. Rosinenpickerei können wir nicht betreiben, weil das Angebot für alle diejenigen gilt, die die Kriterien erfüllen. Insofern ist es rein die Aufgabe der Kommunen zu entscheiden, ob sie dieses Angebot annehmen oder nicht. Ich kann überhaupt nicht sehen, dass eine Landesregierung dabei Rosinenpickerei betreibt. Dieses Angebot grenzt keinen aus, sondern sie können sich bemühen, die Kriterien zu erfüllen.

Ich habe eben nachgefragt. Mir ist nicht bekannt, dass Anträge gescheitert sind. Womöglich sind diese Anträge nicht gestellt worden. Das kann der Fall sein. Wir sind noch in Verhandlungen. Bis zum 31. März 2013 hat man, wenn man einen Antrag gestellt hat, Zeit, um die Voraussetzungen zu erfüllen. Insofern kann ich Ihnen nicht sagen, dass Anträge bereits endgültig gescheitert sind. Die Möglichkeit, diesen Vertrag auszunutzen, besteht ja noch.

(Beifall bei der CDU)

Die nächste Zusatzfrage stellt die Kollegin Emmerich-Kopatsch.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Herr Minister, Sie haben eben davon gesprochen, dass bei dem Zukunftsvertrag Verbesserungen für Bürgerinnen und Bürger erwirkt werden müssen, gleiche Chancen für alle Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Das ist zunächst lobenswert.

Ich frage bezogen auf das Beispiel der Samtgemeinde Oberharz. Die Realsteuern liegen dort inzwischen im großstädtischen Bereich. Es gibt die Annahme, man müsse Kindergärten privatisieren und die Gewerbesteuer auf hohe Sätze anheben,

um die Anforderungen der Landesregierung zu erfüllen. Ich frage die Landesregierung:

Erstens. Beschleunigen solche Standortnachteile nicht den Bevölkerungsschwund und -rückgang?

Zweitens. Worin genau liegen am Beispiel der Samtgemeinde Oberharz die Vorteile für Bürgerinnen und Bürger, für Studentinnen und Studenten sowie für junge Familien und Kinder, wenn alles teurer ist als anderswo?

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Herr Minister, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat in keiner Weise Vorschriften gemacht, dass Steuern in dem Stil, den Sie angedeutet haben, erhöht werden müssten, sondern diese Entscheidung muss direkt vor Ort getroffen werden.

Wir schauen natürlich, dass die Hebesätze vergleichbar mit denen anderen Städten gleicher Größenordnung sind. Das ist die Grundvoraussetzung. Wenn sie niedriger sind, haben sie überhaupt keine Chance, an diesem Verfahren teilzunehmen. Aber wir schreiben nicht vor, dass Hebesätze noch weiter angehoben werden müssen. Das ist etwas, was vor Ort diskutiert wird. Ich habe gerade gehört, dass das vor Ort noch nicht entschieden ist, sondern bisher nur diskutiert wird.

Insgesamt ist es richtig, dass man Kriterien erfüllen muss und dass es durchaus schmerzhafte Einschnitte sind, wenn man eine Entschuldung vornimmt. Aber schauen Sie sich doch die Alternative an: Macht man es nicht, dann sind sie spätestens in fünf Jahren und allerspätestens in zehn Jahren völlig handlungsunfähig und haben überhaupt keine Chance mehr. Das heißt, dann müssen sie irgendwann alle freiwilligen Leistungen streichen. Das macht keinen Sinn.

Es gibt tolle Beispiele. Mein Musterbeispiel ist Bad Gandersheim. Mir wurde immer gesagt: „Diese Gemeinde ist ausfinanziert, was Konsolidierung betrifft, geht da überhaupt nichts mehr.“ - In einem Kraftakt haben sie es dann erreicht, die freiwilligen Leistungen tatsächlich herunterzudrücken. Trotzdem haben sie das kulturelle Angebot erhalten. Es gibt bürgerschaftliches Engagement, um z. B. Freibäder zu erhalten. Wenn ich mir anschaue, wie

viele Ideen und wie viel Engagement nicht nur von den Kommunalvertretern, sondern auch von den Bürgerinnen und Bürgern durch diesen Zukunftsvertrag freigesetzt wird, dann kann ich Ihnen nur sagen, dass dort, wo dieser Prozess eingeleitet wurde, auf Dauer eine Finanzierung von freiwilligen Leistungen sichergestellt ist.

Trotzdem ist es notwendig, Sparmaßnahmen durchzusetzen. Anders wird es nie gelingen. Man muss kreativ sein. Deshalb führen wir das in einem transparenten Prozess durch, in dem man sich anschauen kann, wie andere Gemeinden es geschafft haben.