Meine Damen und Herren, wir Grünen wollten immer die Inklusion. Wir waren die treibende Kraft in Niedersachsen. Deshalb haben wir Ihnen, als konstruktiven Weg, einen Änderungsantrag vorgelegt, damit Ihr Gesetzentwurf doch noch ein gutes Gesetz werden kann.
Wenn wir heute zustimmen sollen, dann müssen Sie vor allem zwei Punkte in Ihrem Gesetz ändern: Erstens darf es keine Zwangsüberweisung auf eine Förderschule gegen den Willen der Eltern mehr geben. Zweitens muss auf die teure Doppelstruktur von inklusiver Schule und Förderschule zumindest perspektivisch verzichtet werden, damit das Gelingen der Inklusion auch mit den nötigen Ressourcen garantiert ist. Ich denke, das sind wir den Kindern schuldig. Inklusion ist kein Sparmodell.
Sollten Sie unserem Änderungsantrag nicht zustimmen, werden wir uns bei der Abstimmung über Ihren Gesetzentwurf der Stimme enthalten, weil wir wenigstens diesem ersten kleinen Schritt in Richtung Inklusion nicht entgegenstehen wollen. Wir geben Ihnen aber nicht per Zustimmung einen Freibrief dafür, dass alles fast genauso weitergeht wie bisher.
Eines muss klar sein: Nach der Landtagswahl 2013 werden wir dieses Gesetz grün nachbessern, und da werden wir auch die SPD beim Wort nehmen.
Meine Damen und Herren, es liegen zwei Wünsche auf Kurzinterventionen vor. Zunächst hat Frau Heiligenstadt für die SPD-Fraktion und dann Herrn Klare für die CDU-Fraktion das Wort, jeweils 90 Sekunden.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Ina Korter, einer Zwangsüberweisung werden wir nicht die Zustimmung erteilen. Das ist auch definitiv die falsche Vokabel. Sie gibt den Geist dieses Gesetzes ausdrücklich nicht wieder.
Natürlich wollen auch wir, genauso wie die Grünen, jegliche Abschulungen vermeiden. Dieser Ansatz war mit der derzeitigen Koalition leider nicht verhandelbar, aber er bleibt natürlich unser Ziel; das ist gar keine Frage.
Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass es hier nicht um Zwang und schon gar nicht darum geht, dass einfach so verwiesen wird. Richtig ist vielmehr: Wenn das Kindeswohl gefährdet ist und wenn zuvor alle Anforderungen an die inklusive Schule abgeprüft und untersucht worden sind, wird eine Überprüfung vorgenommen und das Wohl des Kindes oder das Wohl der anderen Kinder gegen das Recht auf die freie Schulwahl abgewogen. Ich denke, diese Güterabwägung ist durchaus im Sinne der Kinder. Das ist das Gegenteil von Zwang.
Zweiter Punkt. Die Grünen und die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen haben Eckpunkte für eine entsprechende Inklusion vorgelegt.
Diese Eckpunkte besagen u. a., dass Förderschulen nicht abgeschafft werden sollen. Wir haben mit 75 % der Förderschulen L im Grundschulbereich eine große Anzahl an Förderschulen, die in Richtung inklusive Schulen für die Schülerinnen und Schüler an allgemeinbildenden Schulen verändert werden. Ich denke, das ist ein erster Schritt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es geht mir um das gleiche Thema. Es regt mich nämlich auf, wenn man in so einer Weise über ein Gesetz redet, das überhaupt nicht das meint, was Sie da gerne hineininterpretieren wollen.
Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn das Kindeswohl gefährdet ist, wird es am Ende, nachdem alle Fördermaßnahmen durchgeführt worden sind, nachdem man ganz genau hingeguckt hat, auch die Möglichkeit geben, das Kind an einem anderen Förderort zu beschulen. Das ist doch auch der der Sinn. Wir können das Kind in einer besonderen Situation doch nicht alleine lassen. Dann muss als Ultima Ratio, als allerletzte Möglichkeit irgendwann jemand eingreifen. Nur so ist es gemeint. So ist es diskutiert worden. So ist es auch von allen Verbänden nachvollzogen worden.
Zweiter Punkt. Wir reduzieren nicht die Förderstunden. Ich habe vorhin im Detail dargestellt, wie viele Förderstunden zusätzlich für diese behinderten Kinder zur Verfügung gestellt werden, und zwar bezogen auf das Kind.
Dritter Punkt. Das Elternwahlrecht ist so umfassend, dass Eltern das nach Beratung selbst entscheiden können.
Frau Korter, Sie sind gegen alle Maßnahmen, die wir hier gemeinsam beschließen, und mäkeln ständig daran herum. Ich frage Sie: Was treibt Sie eigentlich? Ist das Ihr persönlicher Ehrgeiz, oder was ist das? An der Sache kann es jedenfalls nicht liegen.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Herr Kollege Klare, Sie brauchen sich nur daran zu erinnern, wer hier im Jahre 2009 vernünftige Gesetzentwürfe vorgelegt hat und wer hier auch einen konstruktiven Änderungsvorschlag gemacht hat. - Das zu Ihren merkwürdigen Unterstellungen zu Anfang.
Angesichts der Einlassungen von Frau Heiligenstadt, die ich eben gehört habe, habe ich allerdings erhebliche Zweifel, dass die große Koalition nach der Landtagswahl 2013 § 59 des Schulgesetzes ändern will. Das ist für mich ein Grund mehr, in Zukunft noch stärker dafür zu werben, dass die Grünen die Schulpolitik ab 2013 mitgestalten.
Noch eines, Herr Kollege Klare: Sie haben hier vom Kindeswohl gesprochen. Ich möchte den Gesetzestext, den Sie hier wer weiß wie nett kaschieren, einfach einmal vorlesen. Sie sagen, „Zwangsüberweisung“ wäre der falsche Begriff. Aber wie nennen Sie es denn, wenn die Schulbehörde auf Vorschlag der Schule gegen den Willen der Eltern ein Kind, weil das Kindeswohl es erfordert, auf eine andere Schulform verweist?
Die Schulbehörde soll nach Ihrem Gesetz, das Sie beschließen wollen, in Zukunft entscheiden, was das Kindeswohl ist. Das ist ein völliger Paradigmenwechsel! Es geht nicht darum, ein Kind von der Schule zu schicken, weil es nicht an die Schule passt, sondern es geht darum, die Schule so auszustatten, dass es funktioniert.
Das ist das Wichtige daran, und das ist der Perspektivwechsel der UN-Konvention. Aber den hat die große Koalition hier offensichtlich nicht begriffen.