Bürgerinnen und Bürgern, die Opfer einer Straftat geworden sind, steht die Stiftung Opferhilfe Niedersachsen zur Seite. In diesem Jahr hat die Stiftung ihr zehnjähriges Jubiläum gefeiert. Die elf Opferhilfebüros in Niedersachsen haben mit zahlreichen Veranstaltungen ihre Arbeit dargestellt. Schirmherrin Dunja McAllister hat unermüdlichen Einsatz gezeigt und breite öffentliche Aufmerksamkeit für diese wichtige Aufgabe erzielt. Dafür sage ich ganz ausdrücklich herzlichen Dank.
Opferschutz gilt natürlich auch für Betroffene, die nicht bzw. noch nicht Strafanzeige erstattet haben. In diesem Bereich wollen wir noch besser werden und für Opfer von Gewalt und Sexualstraftaten die Möglichkeit einer anonymen Beweissicherung schaffen. Für das Projekt „anonyme Beweissicherung“ mit zwei Facharztstellen und einer Verwaltungsstelle an den Standorten Hannover und Oldenburg stellen wir insgesamt 540 000 Euro in den Doppelhaushalt 2012/2013 ein.
Als Mitglied des Kuratoriums der Stiftung Opferhilfe freue ich mich, dass wir die Anregungen während der von der CDU-Landtagsfraktion organisierten Expertendiskussion im August jetzt umsetzen können. Denn, meine Damen und Herren, Voraussetzung für eine erfolgreiche Strafverfolgung bei Gewaltdelikten ist die schnelle Sicherung der Tatspuren. Eine Spurengewinnung erst Tage nach der Tat verhindert oft eine Verurteilung. Die Opfer, besonders häufig Frauen, sind traumatisiert. Der Täter stammt vielfach aus dem sozialen Umfeld. Eine Strafanzeige unterbleibt in vielen Fällen. Die anonyme professionelle Beweissicherung ohne die Notwendigkeit, sofort ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, kann hier Abhilfe schaffen und die Interessen der Opfer schützen.
Mit diesem Projekt schaffen wir ein niedrigschwelliges Angebot, das den Opfern konkret Hilfe und Unterstützung leistet, zeitnah und professionell objektive Beweismittel sichert und die Chancen zur Verurteilung der Täter erhöht.
Ein gestärkter Opferschutz nach außen und sichere, nach innen offene, auf den Behandlungsvollzug ausgerichtete Justizvollzugsanstalten mit hoch motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind die Kennzeichen des niedersächsischen Justizvollzuges.
Meine Damen und Herren, diesen Weg wollen wir weitergehen. Dafür steht der Haushaltsentwurf im Bereich Justizvollzug 2012/2013. Ich lade Sie ein, uns dabei zu unterstützen, und bedanke mich jetzt für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Frau Kollegin Konrath. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Herr Limburg. Sie haben das Wort!
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Bereits in den Beratungen im Rechtsausschuss ist deutlich geworden, dass in der Justizpolitik zwar Differenzen vorhanden sind, aber nicht ein solch großes Maß erreichen, dass eine Einigung der Fraktionen unmöglich erscheint. Indes stimmen wir am Ende - Herr Dr. Biester scheint das komischerweise immer wieder zu vergessen; dabei ist er schon so lange hier im Hause - gar nicht über die Einzelpläne ab, sondern über den
Gesamthaushalt. Insofern haben Sie sicherlich dafür Verständnis, dass wir eine Zustimmung nicht in Aussicht stellen können.
(Thomas Adasch [CDU]: Ihr würdet gerne zustimmen, aber dürft nicht! - Heinz Rolfes [CDU]: Ihr würdet gerne zustimmen! Können wir das einmal festhalten?)
In den Ausschussberatungen habe ich Ihnen gesagt: Beim Einzelplan 11 wäre ein Kompromiss sicherlich denkbar. Das ist doch klar. Sie sehen das auch an der Summe unserer Änderungsanträge. Es sind zwar Änderungsanträge vorhanden, aber sie haben kein besonders großes finanzielles Volumen.
Aus meiner Sicht ist es gut, dass es solche Unterschiede gibt: Demokratie lebt nicht nur vom Kompromiss, sondern auch vom Unterschied. Der wird in solchen Anträgen deutlich.
Kein Unterschied zwischen den Fraktionen besteht ausdrücklich bei der grundsätzlichen Anerkennung der Bedeutung der Justiz für unser Gemeinwesen. Wir reden bei der Justiz - ich bin froh, dass meine Vorrednerinnen und Vorredner das schon mehrfach deutlich gemacht haben - eben nicht nur von den in der Öffentlichkeit bekannten Richterinnen und Richtern, den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, sondern auch vom Justizverwaltungsdienst, vom Rechtspflegedienst, von der Amtsanwaltschaft, vom Justizvollzug, von den Justizhelferinnen und Justizhelfern, vom Wachtmeisterdienst - Herr Kollege Brunotte hat zu Recht den AJSD angesprochen -, von den Anlaufstellen der Straffälligenhilfe und nicht zuletzt von den vielen Ehrenamtlichen, die es eben auch im Bereich der Justiz gibt und die dort wichtige Arbeit leisten. Bei all jenen möchte ich mich, auch im Namen der Grünen-Fraktion, ausdrücklich für ihre gute Arbeit bedanken.
Zum einen beantragen wir zahlreiche Kürzungen. Das mag auf den ersten Blick radikal aussehen. Aber wenn Sie sich die tatsächlich erwartbaren Ausgaben in den Bereichen anschauen und das mit den veranschlagten Ausgaben vergleichen, dann sehen Sie, dass an vielen Stellen - nicht an allen; das gebe ich zu - der Ansatz der Landesregierung deutlich zu hoch ist und wir das lediglich
Wofür wollen wir Grüne mehr Geld ausgeben? - Wie schon in den vergangenen Jahren beantragen wir, Landesmittel zur Unterstützung von Mediationsverfahren einzusetzen. Ich denke da vor allem an Waage Hannover e. V. Aber natürlich müssten solche Projekte der außergerichtlichen Streitbeilegung in möglichst vielen Städten im Land ermöglicht werden.
Mediation kann z. B. in familienrechtlichen Streitigkeiten Konflikte oft besser lösen als der normale Gang vor Gericht. Die Arbeit von Vereinen wie Waage Hannover wird hochgeschätzt, auch und gerade in den Reihen der klassischen Justiz. Dann ist es doch ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren, wenn die Finanzierung solcher Mediationsprojekte immer wieder auf wackligen Beinen steht und wenn es vom Wohnort der Menschen abhängt, ob sie Zugang zur außergerichtlichen Streitbeilegung haben oder nicht. Hier müssen Sie endlich handeln, Herr Justizminister Busemann! Mediation darf nicht nur verbal gelobt werden, Mediation muss auch mit echten Haushaltsansätzen ausreichend unterlegt werden.
Wir fordern mehr Zuwendungen für den TäterOpfer-Ausgleich, der ein weiteres Instrument ist, um jenseits klassischer Justiz viel zum gesellschaftlichen Frieden und zur Konfliktbewältigung beizutragen, aber eben auch ausreichend finanziert werden muss. Ich erkenne an, dass die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen in den letzten Jahren die Anstrengungen im Bereich des Täter-Opfer-Ausgleichs verstärkt haben, auch finanziell. Aber aus meiner Sicht reicht das nicht aus: Es muss eine Lösung für eine gerechte Verteilung der Gelder an die Träger des Täter-OpferAusgleichs gefunden werden, die die jeweiligen regionalen Besonderheiten berücksichtigt. Das geht natürlich leichter, wenn der Topf, wie von uns beantragt, insgesamt vergrößert wird.
Wir fordern mehr Unterstützung für Wohnraum- und Beschäftigungsprojekte für Straffällige. Nicht nur eine gute Entlassungsvorbereitung während der Haft, sondern auch ein sicheres Umfeld unmittelbar nach der Haftentlassung sind wichtige Faktoren, um die Rückfallgefahr bei Straftätern zu vermindern.
Im Bereich des Personals haben CDU und FDP einige Stellenhebungen - das ist schon angesprochen worden -, u. a. beim Eingangsamt der Wachtmeister, beschlossen. Auch die Zulagen für die Amtsanwälte werden kommen. Wir begrüßen beide Maßnahmen ausdrücklich. Die Opposition hatte dies in den vergangenen Jahren angemahnt. Wir freuen uns, dass sie jetzt Realität werden.
Allerdings tun Sie aus unserer Sicht nicht genug für den Justizverwaltungsdienst. Die Ausschöpfung der Stellenobergrenzenverordnung bleibt aus. Da Sie einen Doppelhaushalt beschließen, meine Damen und Herren, und zwar gegen unsere Kritik, ist damit - um in Herrn Busemanns katholischem Jargon zu bleiben - die Messe für den Justizverwaltungsdienst und auch für den Richterdienst wohl gelesen.
Sie haben in Ihrer Pressemitteilung so mysteriös Stellenhebungen im Richterbereich angekündigt. Wenn Sie Überprüfungen vornehmen wollen, deutet das darauf hin, dass Ihnen bereits klar ist, dass Sie Nachtragshaushalte beschließen werden und Sie im Prinzip schon jetzt mit den Beratungen dazu anfangen. Dann wäre es sauberer gewesen, meine Damen und Herren, das dem Parlament von Anfang an so mitzuteilen.
Wir Grüne werden jedenfalls an den im kommenden Jahr notwendig werdenden Nachtragshaushaltsberatungen teilnehmen und schauen und überprüfen, welche Stellenhebungen noch möglich und finanzierbar sind, im Justizverwaltungsdienst, aber auch in der niedersächsischen Richterschaft, die wir mit unserem Antrag in diesem Jahr nicht berücksichtigen.
Meine Damen und Herren, bisher ging es überwiegend um kleinere Änderungen. Der größte Hammer im Justizbereich lauert aber meiner Meinung nach nicht im Einzelplan 11, sondern im Einzelplan 20. Sie alle - Herr McAllister hat es getan; Sie in Ihren Haushaltsreden gerade auch - lassen sich dafür abfeiern, dass Sie in Rosdorf endlich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts umsetzen wollen und einen Neubau für die Sicherungsverwahrten anstreben. So weit, so richtig. Natürlich unterstützen wir diesen Neubau.
Aber, meine Damen und Herren, woher soll denn das Geld kommen? - Nach den bisherigen Auskünften des Justizministeriums sollen die Millionen für diesen Neubau komplett aus dem Baubereich
des Justizressorts herausgeschnitten werden. Mit anderen Worten bedeutet das: Sie spielen hier die Sicherungsverwahrten gegen die vielen kleinen Gerichte und die Justizvollzugsanstalten im Land aus, die dann alle bei den Nachbesserungen und kleineren Neuarbeiten sparen müssen, und das alles durchgedrückt von einem Finanzminister, der sich nicht scheut, hier im Landtag zu den offensivsten Verfechtern eines neuen Landtagsprunkbaus zu gehören.
Das ist wirklich schäbig. Das geht so nicht. Sie, Herr Busemann, hätten sich in dem Bereich gegen Ihren Kabinettskollegen durchsetzen müssen.
Ich will jetzt auf einige einzelne Aspekte eingehen, die auch angesprochen worden sind. Zum einen fordern wir - auch das ist angesprochen worden - ein Landesprogramm für Demokratie und Menschenrechte gegen Rechtsextremismus. Wir hatten den Antrag hier im Plenum. Sie haben ihn mit Ihrer eigenen Mehrheit lapidar abgelehnt, ohne eigene Vorschläge in diesem Bereich zu machen. Es ist vollkommen klar, dass ich damals nicht ahnen konnte, welches Ausmaß die Bedrohung durch Rechte annehmen würde. Ich bin, ehrlich gesagt, über das Ausmaß geschockt. Gleichwohl zeigt es doch, dass es notwendig ist, nicht nur gegen Rechtsterrorismus vorzugehen, sondern natürlich auch die Ideologie, die dahinter stehenden Gedanken, offensiv zu bekämpfen und dem entgegenzutreten. Darum fordern wir dieses Landesprogramm, das auch eine Antidiskriminierungsstelle auf Landesebene umfassen würde.
Ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn ich mir die Äußerungen der Kollegin Jahns im August-Plenum vergegenwärtige, als sie davon gesprochen hat - ich weiß nicht, ob es nur ein Versprecher war; sie ist, glaube ich, nicht im Saal -, dass wir mit unserer Kritik den Verfassungsschutz diskriminierten, dann habe ich das Gefühl, dass die Kollegin den Begriff „Diskriminierung“ überhaupt nicht verstanden hat. Die Diskriminierung einer Landesbehörde, meine Damen und Herren, ist schon denklogisch überhaupt nicht möglich. Landesbehörden diskriminieren in Einzelfällen; das kommt leider vor. Aber eine Behörde, die staatliche Gewalt ausübt, kann nicht diskriminiert werden. Ich würde Sie schon bitten, sich intensiver mit diesem Thema zu beschäftigen, weil es ein wichtiges Thema ist und wir meinen, dass das Land in diesem Bereich gefordert ist.
Herr Dr. Biester hat die Abschiebehaft angesprochen. Dazu erst einmal eines: Wir Grüne fordern gemeinsam mit der SPD in einem Antrag die Abschaffung der Abschiebehaft. Wir haben das nicht haushaltswirksam für 2012 eingestellt, weil das so kurzfristig nicht realistisch ist und weil wir aus den Verträgen in Langenhagen nicht so schnell herauskommen. Aber natürlich kann man auch in diesem Bereich Geld einsparen.
Vor allem ist es aber ein Bereich - da möchte ich Herrn Dr. Biester ausdrücklich widersprechen -, in dem wir ein großes Problem mit der Rechtstaatlichkeit haben. Ich muss mich schon sehr wundern, dass Sie die Richterschaft so pauschal in Schutz nehmen. Ich habe hier vor zwei Tagen zwar von zehn Fehlurteilen gesprochen, aber meine Kollegin Polat hat mich zu Recht korrigiert: Es sind zehn Urteile, die von höchsten deutschen Gerichten aufgehoben worden sind. Da die Landesregierung keine Statistik führt - das haben wir ausdrücklich abgefragt -, müssen wir uns auf die Statistiken verlassen, die wir haben. Da haben wir z. B. die Statistik des Rechtsanwalts Peter Fahlbusch aus Hannover, der auf eine viel höhere Zahl rechtswidriger Haftentscheidungen kommt. Ich finde schon, dass sich dann die Richterschaft mit der Frage auseinandersetzen muss, wie so etwas passieren kann, wie es dazu kommt, dass sie immer wieder rechtswidrig Menschen die Freiheit entzieht.
Noch ein letzter Punkt. Herr Dr. Biester, Sie sprechen die BGH-Rechtsprechung an. Sie wissen doch viel besser als ich - Sie haben viel mehr Erfahrung -, dass eine solche BGH-Entscheidung nicht plötzlich im luftleeren Raum entsteht oder vom Himmel fällt und die gesamte Justiz überrascht. Es gab schon vorher Entscheidungen von Oberlandesgerichten. Es gab natürlich im Schrifttum Meinungen dazu. Tun Sie dann nicht so, als müssten die niedersächsischen Amtsgerichte davon vollkommen überrascht sein!
Nein, wir haben zu viel rechtswidrige Abschiebehaft. Wir meinen: Wir haben das lange genug mit angeschaut. Jetzt müssen wir zum radikalen Schritt kommen und die Abschiebehaft in diesem Land vollkommen abschaffen.
Die Sozialrichterschaft ist bereits angesprochen worden. Natürlich freuen wir uns darüber, dass die Stellen erhalten bleiben. Wir sehen das auch als
absolut notwendig an, weil wir immer noch einen hohen Bestand an Verfahren haben und den erst einmal abbauen müssen. Aber Sie haben recht: Neue Stellen sind in der jetzigen Situation nicht zwingend geboten.
Das Haftraummediensystem in Wolfenbüttel ist angesprochen worden. Frau Kollegin Konrath, da teile ich natürlich das Lob. Ich muss aber sagen: Ich wundere mich schon ein bisschen darüber, dass es sich hier immer noch um ein Pilotprojekt handelt. Auf der einen Seite haben wir innovative Mitarbeiter im niedersächsischen Justizvollzug, die quasi über die normale Arbeitszeit hinaus einen tollen Job machen und dieses Projekt entwickeln. Es bleibt aber auf der anderen Seite dabei, dass das System noch immer nur in Wolfenbüttel besteht. Ich finde, auch in anderen Haftanstalten sollte so etwas möglich sein.
Ein Letztes noch, meine Damen und Herren - auch wenn es nicht direkt mit dem Haushalt zu tun hat; aber aus aktuellem Anlass will ich es ansprechen -: Uns hat gestern eine Pressemitteilung des Justizministers erreicht - sie ist über den Presseverteiler des Justizministeriums gegangen -, in der er einen Beschluss der Grünen zum Religionsunterricht kritisiert und den Grünen kirchenfeindliche Tendenzen vorwirft.
Nur weil ich es dieses Jahr nicht zum Buß- und Bettagsgottesdienst geschafft habe, heißt das nicht, dass wir kirchenfeindlich sind, zumal Ihnen als Katholik das herzlich egal sein dürfte. Nein, es gibt bei uns keine kirchenfeindlichen Tendenzen. Zum Inhalt unseres Parteitagsbeschlusses verweise ich auf die Pressemitteilung meiner Kolleginnen Korter und Janssen-Kucz vom heutigen Tage. Darin wird er erläutert.