Protocol of the Session on December 8, 2011

Nur weil ich es dieses Jahr nicht zum Buß- und Bettagsgottesdienst geschafft habe, heißt das nicht, dass wir kirchenfeindlich sind, zumal Ihnen als Katholik das herzlich egal sein dürfte. Nein, es gibt bei uns keine kirchenfeindlichen Tendenzen. Zum Inhalt unseres Parteitagsbeschlusses verweise ich auf die Pressemitteilung meiner Kolleginnen Korter und Janssen-Kucz vom heutigen Tage. Darin wird er erläutert.

Ich finde aber einen anderen Aspekt problematisch. Als Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken, Herr Busemann, dürfen Sie zu diesem Thema erzählen, was Sie wollen. Als Justizminister müssen Sie weltanschaulich neutral sein. Sie sind nicht nur der Justizminister für die Christinnen und Christen in diesem Land, Sie sind auch der Justizminister für die Muslime, Sie sind der Justizminister für die Buddhisten, der Justizminister für die Atheisten. Wenn Sie im Namen des Justizministeriums eine Pressemitteilung herausgeben, dann sollte darin ein Satz wie „Wir als Christen müssen sehr aufmerksam sein“ nicht enthalten sein.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei der LINKEN - Clemens Große Macke [CDU]: Was heißt das denn?)

Ich erteile dem Kollegen Adler das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon in mehreren Reden angeklungen: Eigentlich haben wir in Niedersachsen zu viele Gefängnisse, weil wir gar nicht so viele Gefangene haben, die da hinein müssten. Das ist eine erfreuliche Entwicklung.

(Thomas Adasch [CDU]: Wo sollen wir denn welche schließen, Herr Adler?)

- Das will ich gerade sagen. - Jetzt wird ein weiteres neues Gefängnis in Rosdorf gebaut, das im Einzelplan Hochbauten vorgesehen ist. Wir haben uns natürlich die Frage gestellt, ob man nicht ein bestehendes Gefängnis umwandeln kann, um sich auf diese Weise einen Neubau zu ersparen. Das ist weniger eine politische als eine technische Frage; denn man muss gucken, was mehr kostet. Sie haben uns schließlich eine Übersicht vorgelegt - übrigens nicht im zuständigen Fachausschuss, sondern im Finanzausschuss -, aus der hervorgeht, dass der geplante Neubau in Rosdorf wohl die billigste Lösung wäre, allerdings nur, wenn man nicht genauer hinschaut.

Denn wenn man auf diese Übersicht genauer hinschaut, dann kommt heraus: Wenn man die eigentlich fällige Instandsetzung in Wolfenbüttel bei der Gelegenheit sozusagen mit erledigen würde, dann wäre die Umwandlung in Wolfenbüttel eigentlich die preiswertere Lösung. Diese ist aber aufgeschoben, obwohl alle sagen: Eigentlich müsste man in Wolfenbüttel etwas Grundlegendes tun. Aber trotzdem: Ich will an der Stelle wirklich nur Zweifel äußern.

Bei der Sicherungsverwahrung - dazu will ich aber etwas sagen - geht es wegen des Abstandsgebotes nicht nur um die Frage, ein neues Gefängnis zu bauen, sondern es geht auch um die Frage der jeweiligen Konzeption. Das Bundesverfassungsgericht fordert, dass nach einem Vollzugsplan ein individuell zugeschnittenes Therapieangebot bereitgestellt werden muss. Dabei werden eine realistische Entlassungsperspektive und Vollzugslocke

rungen gefordert. Der Vollzug darf danach nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die für die Reduzierung der Gefährlichkeit erforderlich sind. Deshalb fordert das Bundesverfassungsgericht eine Neukonzeption - ich zitiere -:

„Die Konzeption der Sicherungsverwahrung muss Vollzugslockerungen vorsehen und Vorgaben zur Entlassungsvorbereitung enthalten, wobei der Freiheitsorientierung möglichst weitgehend Rechnung zu tragen ist.“

Wir erinnern uns: Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist zustande gekommen, nachdem vorher der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der bisherigen Praxis in diesem Land einen Riegel vorgeschoben hatte. Damals hatte der Landesjustizminister Busemann noch versucht, die Lufthoheit über den Stammtischen mit der Losung zu erzielen: Ich lasse keinen raus.

Das wird sich nicht aufrechterhalten lassen; denn das Bundesverfassungsgericht spricht von einer Freiheitsorientierung der Sicherungsverwahrung. Deshalb müssen Sie Ihre Konzeption jetzt korrigieren. Sie haben damals gesagt, Sie wollten sich nicht am Europäischen Gerichtshof orientieren, und haben auf das Bundesverfassungsgericht gewartet. Nun hat das Bundesverfassungsgericht sinngemäß dasselbe gesagt.

Das bedeutet aber auch, dass man bei der Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung, wenn man Vollzugslockerungen vornehmen muss, auch gewisse Risiken eingehen muss. Das ist gar nicht zu vermeiden.

Aber seien wir uns über eines im Klaren: Risiken gehen wir auch ein, wenn wir andere Straftäter entlassen, die nicht in Sicherungsverwahrung sind. Auch in diesem Fall besteht eine Rückfallgefahr. Sie können nicht vollständig ausschließen, dass verurteilte Straftäter rückfällig werden. Die Frage ist eigentlich nur: Wie können wir den Vollzug so organisieren, dass durch Resozialisierung dieses Risiko minimiert wird? - Darauf müssen wir, glaube ich, das Augenmerk lenken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das bedeutet, dass wir auch das Risiko des offenen Vollzugs in mehr Fällen eingehen sollten, als es bisher der Fall gewesen ist. Denn was nützt es uns, wenn wir nach dem bisherigen Vollzugsgesetz jemanden ein halbes Jahr länger im Gefängnis lassen und er anschließend unvorbereitet in die Freiheit entlassen wird? - Es ist doch viel besser,

sozusagen einen fließenden Übergang zu schaffen oder das, was in anderen Ländern auch Halbstrafe oder Halbfreiheitsentzug genannt wird, um auf diese Weise die Resozialisierung zu fördern und die Eingewöhnung in eine andere Welt zu ermöglichen. Ich denke, das sollte unser Ziel sein. In dieser Hinsicht muss noch einiges nachgearbeitet werden, übrigens auch am Vollzugsgesetz.

(Editha Lorberg [CDU]: Was ist für Sie „offener Vollzug“?)

Ich will noch etwas Allgemeines zum Einzelplan 11 sagen. Wir haben in unserem Alternativplan vorgesehen, mehr Richterstellen bereitzustellen, und stützen uns dabei auf das, was uns die Richtervertretungen sagen. Ich war ein bisschen über das erstaunt, was die Grünen dazu in ihrem Haushaltsplanentwurf vorlegen. Denn die Grünen haben tatsächlich ausgeführt - auch Herr Limburg in seiner Rede -, man brauche keine zusätzlichen Sozialrichterstellen und es seien keine weiteren Aufwüchse in dem Bereich vorgesehen.

Gleichzeitig haben Sie in Ihrem Etatentwurf den Ansatz bei der Position Entschädigungen für überlange Verfahrensdauer von 3,1 Millionen Euro um 2,6 Millionen Euro gekürzt. Da frage ich mich, wie das zusammenpasst. Wenn Sie auf der einen Seite keine zusätzlichen Sozialrichterstellen fordern und die Sozialrichter schon sagen, dass ein entsprechender Etatposten vorgesehen werden muss, weil diese Strafgelder wahrscheinlich kommen werden - auch die Landesregierung kalkuliert diese Strafgelder sozusagen schon vorsorglich ein -,

(Helge Limburg [GRÜNE]: Schauen Sie in das Gesetz!)

dann kann man doch nicht auf der anderen Seite sagen: Wir sparen diese Gelder, aber zusätzliche Sozialrichterstellen, um diese Strafgelder zu vermeiden, wollen wir nicht bereitstellen. - Das ist eine in sich widersprüchliche Position, die zeigt, dass diese Sache nicht durchdacht ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Limburg, ich finde es ein bisschen bedauerlich, dass Sie sich selbst in der Oppositionsrolle noch nicht einmal gegenüber Ihren Finanzpolitikern durchsetzen können.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ich finde auch bei Ihnen vieles bedauerlich, Herr Kollege!)

Ich hätte Ihnen, ehrlich gesagt, eine stärkere Position gewünscht; denn in der Opposition sollte man

doch das sagen, was notwendig ist, und sich nicht einem solchen Streichkonzert unterwerfen. Wie soll es denn erst werden, sollten Sie einmal in die Regierung kommen? - Dann kann es nur schlimmer werden.

(Beifall bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Das habe ich gestern auch gesagt, Herr Kollege Adler!)

Herr Dr. Biester hat gesagt: Im Bereich der Arbeitsgerichte brauchen wir gegenwärtig keine zusätzlichen Stellen, obwohl die Arbeitsrichter das fordern.

Bei den Arbeitsgerichten hängt das immer mit Folgendem zusammen - das ist eine Konjunkturfrage -: Sobald die Arbeitslosigkeit steigt, wächst die Zahl der Arbeitsgerichtsprozesse, weil es hauptsächlich um Kündigungsschutzklagen geht.

Nun muss man sich natürlich die gegenwärtige Konjunkturlage anschauen. Wir haben im Jahr 2011 einen Aufschwung erlebt. Aber wir machen für die Jahre 2012 und 2013 den Haushalt, und für diese Jahre ist damit zu rechnen, dass aufgrund der sinkenden Industrieproduktion - die Zahlen liegen vor - die Zahl der Kündigungsschutzprozesse wieder steigen wird. Dann wird die Anzahl der bisherigen Arbeitsrichterstellen eben nicht ausreichen.

Zu den Sozialrichterstellen will ich noch einmal die Zahlen nennen. Die Sozialrichter schieben gegenwärtig einen Berg von 50 000 Fällen vor sich her. Sie haben gesagt: Na gut, wir fangen jetzt an, diesen Berg abzubauen. - Aber es sind gerade 500 Fälle, die sie von diesem Berg abbauen. 40 000 Fälle kommen neu hinzu. Wenn dann die 40 000 Fälle abgearbeitet sind, ist noch eine Spitze von 500 Fällen da, die sie gerade schaffen. Das reicht nicht aus. Deshalb sind in dem Bereich zusätzliche Stellen erforderlich.

Zur Stärkung des Justizdienstes fordern auch wir die Abschaffung des einfachen Dienstes.

Um noch eine Schlussbemerkung zu machen: Wichtig ist für uns auch, dass die Beratungskostenhilfe erhalten bleibt. Wir sagen außerdem: Finger weg von der Prozesskostenhilfe! Der Zugang zur Justiz darf nicht vom Geldbeutel abhängig sein.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ich erteile dem Kollegen Herrn Professor Dr. Zielke das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich im Namen der FDP an die Bediensteten der Justiz in allen ihren Branchen einen herzlichen Dank für ihren Einsatz und ihr Engagement für unseren Rechtsstaat aussprechen, die sie manchmal auch unter nicht optimalen Bedingungen erbringen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der Dank geht ebenso an ihre Interessenvertreter, die mit uns Parlamentariern in einem offenen, immer konstruktiven Dialog stehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Was den Stellenhaushalt angeht: Wir sind uns mit den Bediensteten einig, dass viele Vorschläge für Verbesserungen sinnvoll und richtig wären, auch über all das hinaus, was wir in diesem Haushalt zusätzlich zum Bestehenden auf den Weg bringen. Auch wir sehen, dass die Arbeitsverdichtung in der Justiz ganz andere Anforderungen stellt, als das vor 10 oder 20 Jahren der Fall war. Der hohe Krankenstand in Teilen der Justiz muss uns in der Tat besorgt machen. Der Bewertungsmaßstab PEBB§Y 1,0 war und ist sinnvoll, aber er muss den aktuellen Erfordernissen angepasst werden.

Nicht alles, was sinnvoll wäre, lässt sich jedoch auch schnell verwirklichen. Unser Ziel, die Neuverschuldung Niedersachsens zu senken - auch vor dem Hintergrund der Schuldenbremse -, dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren. Aber die Beschäftigten der Justiz wissen eben auch, dass auf diese Regierungskoalition aus CDU und FDP Verlass war und Verlass ist.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Wir haben zu Beginn der Legislaturperiode eine schrittweise jährliche Umsetzung von Strukturverbesserungen im Justizbereich festgelegt, und wir haben Wort gehalten. Wir haben dieses Konzept Jahr für Jahr durchgehalten, auch nach der Rezession. Auch im Haushalt 2012/2013 setzen wir die geplanten Verbesserungen ohne Abstriche fort. Insgesamt 488 Stellenhebungen: Ich meine, das kann sich sehen lassen.

Ganz besonders wichtig war uns die Anhebung der Eingangsämter von A 3 nach A 5. Endlich wird

auch die Angleichung der Besoldung von Rechtspflegern und von Amtsanwälten realisiert.

(Zustimmung von Elisabeth Heister- Neumann [CDU])

Vernunft, Verlässlichkeit und Politik für die Menschen: Das sind die Attribute, die diese Koalition ausmachen. Das wissen die Menschen in Niedersachsen, und das werden sie durch ihren Stimmzettel bei der nächsten Landtagswahl honorieren.