Protocol of the Session on July 2, 2008

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Für die FDP-Fraktion erteile ich Frau Kollegin Meißner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe hier ein rotes Heft dabei. Es ist zwar rot und nicht schwarz-gelb oder blau-gelb. Aber rot ist eine schöne Farbe.

(Beifall bei der SPD - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das finden wir auch!)

Entscheidend ist, was drin steht. Folgendes steht drin: Es sind verschiedene Optionskommunen benannt, 13 bundesweit, die besonders hervorragende Modelle im Bereich der Vermittlung von Langzeitarbeitslose in Arbeit haben. Drei von diesen 13 sind aus Niedersachsen. Erstens der Landkreis Osterholz, wo sich ein Güterverteilzentrum von Lidl angesiedelt hat und man ganz speziell dafür mit den Betroffenen, auf Eignung geprüft, dauerhafte Arbeitsplätze entwickelt hat. Das zweite Beispiel ist das Emsland, wo man EU-Kraftfahrer ausgebildet hat, mit den Führerscheinklassen C und E, weil dort die Speditionen Bedarf hatten. Das dritte Beispiel ist Osterode, wo es ein erfolgreiches Projekt für die Integration von arbeitslosen Menschen mit Behinderungen gibt.

Wir wollen, dass es mehr von diesen Beispielen geben kann. Niedersachsen hat hierbei mit 13 von 69 Optionskommunen schon erfolgreich geführt. Es ist allgemeiner Konsens, dass die Optionskommunen die Nase vorn haben. Das habe ich schon das letzte Mal gesagt. Darum brauchen wir eine Entfristung für Optionskommunen und gleichzeitig die Möglichkeit, dass noch mehr Kreise dieses Modell übernehmen können.

Der Landkreistag hat in Niedersachsen eine Befragung durchgeführt und dabei 38 Kreise angeschrieben. 33 Antworten sind eingegangen, 31 Kreise wollen die Optionen wahrnehmen, darunter auch die Region Hannover. Das zeigt, dass das ein Erfolgsmodell ist.

Allerdings wollen nicht alle Landkreise die Option, einige wollen die Arbeitsgemeinschaft wählen. Sie ist im Moment nicht verfassungsgemäß, darauf wurde hingewiesen. Darum brauchen wir eine Verfassungsänderung auf Bundesebene. Denn wir meinen, dass die Lösung darin liegt, dass die Wahlfreiheit für die Kommunen bestehen muss, wie sie besser für die Langzeitarbeitslosen tätig werden können, ob sie die Option oder die Arge wählen wollen. Dafür brauchen wir die Verfassungsänderung.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann übernimmt den Vorsitz)

Diese Wahlfreiheit würde auch einen Wettbewerb bedeuten, mit dem man erkennen könnte, welches System bessere Ergebnisse schafft. Man hätte

auch weiterhin den Bund im Boot. Das ist unbedingt erforderlich.

Ich freue mich sehr, dass wir hier in Niedersachsen mit vier Fraktionen diesen gemeinsamen Antrag erarbeitet haben und - darauf wurde schon hingewiesen - auch die Zustimmung der kommunalen Spitzenverbände haben. Darum kann man nur sagen: Niedersachsen sollte hier die Spitze der Bewegung übernehmen, beispielhaft nach vorne gehen. Ich selbst habe in meiner Partei schon sämtliche Landesparlamente und auch die Bundesebene mit diesem Antrag bedient und dafür geworben, dass sie auf der Ebene der verschiedenen Länder zeigen, dass es möglich ist, mit den kommunalen Spitzenverbänden und vier Fraktionen einig vorzugehen und einen beispielhaften Vorschlag zu machen. Ich denke, das können auch die anderen Fraktionen machen.

Im Moment scheint auf der Bundesebene noch unklar zu sein, ob es mit der Verfassungsänderung wirklich klappt. Aber wir brauchen die Verfassungsänderung. Nur dann können wir Möglichkeiten anbieten, die den Menschen dauerhaft helfen. Darum stimmen Sie bitte für diesen zukunftsweisenden Antrag.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung von Uwe Schwarz [SPD])

Als Nächster hat Herr Humke-Focks von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag und den in den Punkten 1 bis 6 aufgeführten Forderung haben es uns die antragstellenden Fraktionen nicht leicht gemacht, da wir uns einer vermeintlichen Verbesserung in der Umsetzung des SGB II im Sinne der betroffenen Menschen nicht einfach verschließen wollen.

Wir stellen daher fest, dass die Antragsteller a) Leistungen aus einer Hand gewähren wollen. Dies wäre jedoch selbstverständlich auch dann möglich, wenn man dieses unsägliche Gesetz abschaffen und durch eine bedarfsgerechte Grundsicherung ersetzen würde.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Antragsteller wollen b) den Bund nicht aus seiner Verantwortung entlassen. Gut, auch wir

halten viel vom Konnexitätsprinzip - kein Widerspruch in der Frage.

Die Antragsteller wollen c) Kompetenzen auf die Ebene der Kommunen legen unter der Voraussetzung der Vergleichbarkeit der Transparenz und der Gleichbehandlung der Hartz-IV-Betroffenen in Niedersachsen. Schön, aber das sollte bei der Umsetzung eines Gesetzes eigentlich der Fall sein.

Die Fraktion DIE LINKE konnte sich dieser Vorlage aus gutem Grund nicht anschließen. Wir haben uns die Frage gestellt, welcher Art die Verbesserungen für die von Hartz IV Betroffenen sein sollen. Die Praxis in der Umsetzung dieses Armutsgesetzes sah und sieht allerdings völlig anders aus.

Erstens. Die Armut ist weiter angestiegen. Zweitens. Kinder und Alleinerziehende unterliegen einem hohen Armutsrisiko. Drittens. Es gibt kaum qualifizierte Angebote zur Förderung der Betroffenen, stattdessen wird die Repressionsschraube angezogen. Viertens. Die Anzahl der prekären Beschäftigungsverhältnisse ist deutlich angestiegen. Fünftens. Die Kosten für die Unterkunft werden von den Kommunen und den Argen gedrückt. Sechstens. Chronisch Kranke werden unzureichend versorgt. Siebtens. Die Kommunen und Argen interpretieren das SGB II in der Umsetzung von Region zu Region unterschiedlich; Rechtssicherheit ist nicht gegeben.

(Beifall bei der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, konkret: Sie haben mit den einleitenden Absätzen in aller Vehemenz die Einführung von Hartz IV gerechtfertigt und verkaufen es als zukunftsweisendes Modell im Interesse der Erwerbslosen. Das ist vor dem Hintergrund der Folgen dieses Gesetzes, die ich beschrieben habe, bei Verschärfung der Armut, eine Frechheit.

(Beifall bei der LINKEN)

2005 hat die Bundesregierung mit der Einführung von Hartz IV die Regelsätze für 1,4 Millionen Kinder zwischen 7 und 17 Jahren gesenkt. Dabei wurde der Bedarf von 13-jährigen mit dem Bedarf von Säuglingen gleichgesetzt und der Bedarf von heranwachsenden Jugendlichen mit dem von erwachsenen Haushaltsmitgliedern. Diese Absenkung der Regelsätze stellt eine Negierung des entwicklungsbedingt wachsenden Bedarfs in der Erziehung und Versorgung von Kindern dar, die die vermeintliche Kinder- und Familienfreundlichkeit, mit der sich insbesondere die Regierungsparteien verbal überbieten, demaskiert. Besonders

dringlich ist es im Sinne einer aufrichtigen Familienunterstützung, den Wachstumsbedarf wieder anzuerkennen. Das heißt konkret: 13-Jährige müssen wieder 20 % mehr bekommen als unter 7-Jährige; und 14- bis 17-Jährige müssen wieder 90 % statt 80 % des Eckregelsatzes bekommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit dem hier vorliegenden Antrag streuen Sie der Öffentlichkeit Sand in die Augen, indem Sie suggerieren, dass mit der von mir beschriebenen Zielsetzung Ihres Antrags die Probleme im Umgang mit dem SGB II gelöst werden würden und eine passgenaue Vermittlung - davon wird ja auch immer gerne gesprochen - für Leistungsbezieher in Arbeit organisiert werden könne. Das ist völliger Unsinn. Arbeit zu schaffen ist für die LINKE nicht damit gleichzusetzen, dass die Anzahl der Leiharbeiter und der Menschen mit einem Midi-Job weiter ansteigt. Darüber hinaus ist es ein Skandal, dass es allein in Niedersachsen über 120 000 erwerbstätige Leistungsempfänger gibt, die sich nur mit Transferleistungen über Wasser halten können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich appelliere hier und jetzt an Sie, endlich auf Landes- und Bundesebene tätig zu werden, damit diese Armut per Gesetz abgeschafft wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Genau an diesem Punkt sitzt der gordische Knoten, den auch Herr Dr. Matthiesen angesprochen hat. Er kann nur durch die Abschaffung von Hartz IV durchschlagen werden und nicht durch die Tricks aus Ihrem Antrag.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich appelliere aber auch besonders an die hier im Saal vertretenen Betriebsräte, Gewerkschaftsfunktionäre und Repräsentanten von Wohlfahrtsverbänden, sich auf die Position der erwähnten Organisationen zu besinnen und diesem Antrag nicht zuzustimmen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Einige haben den Saal verlassen, das ist bezeichnend. Andere sind sitzen geblieben. Sie müssen sich darauf besinnen, durch wen und durch wessen Arbeit Sie in den Landtag eingezogen sind. Stellen Sie sich diese Frage, und verspielen Sie in diesem Punkt nicht Ihre Glaubwürdigkeit. Sorgen Sie dafür, dass Hartz IV abgeschafft wird. Der

Antrag, der uns heute präsentiert worden ist, führt nicht zur Abschaffung von Hartz IV, sondern zementiert Hartz IV.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, es liegen drei Kurzinterventionen vor. Zunächst Frau Helmhold, dann Herr Dr. Matthiesen und dann Frau Meißner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Humke-Focks, es ist ein bisschen schwierig, eine Argumentation nachzuvollziehen, die sozusagen - aus Ihrer Sicht - das Strukturelement in den Vordergrund stellt. Darum geht es heute nicht. Es geht darum, dass wir uns mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu beschäftigen haben, in dem festgestellt wird, dass die bisherige Organisationsform der Arbeitsgemeinschaften nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Deshalb sind wir aufgefordert, zu handeln.

Wir diskutieren heute nicht - das können wir an anderer Stelle tun - über Mindestlöhne oder über ein Progressivmodell für Sozialabgaben. Wir diskutieren auch nicht darüber, ob die Höhe der Regelsätze angemessen ist. All das, was Sie aufgezählt haben, ist diskussionswürdig. Da bin ich mit Ihnen einer Meinung. Aber das sind nicht die Themen der heutigen Diskussion. Deswegen finde ich es nicht redlich, dass Sie sich weigern, etwas zu beschließen, das jetzt insbesondere für die Arbeitssuchenden erforderlich ist.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

Herr Humke-Focks, Sie wollen sofort antworten? - Bitte!

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das geht nicht! - Gegenruf von Patrick-Marc Humke-Focks [LINKE]: Das ging vor- hin auch! - Gegenruf von Heinz Rolfes [CDU]: Das durfte Frau Körtner ges- tern auch nicht!)

- Herr Humke-Focks, Sie können nur einmal auf alle drei Kurzinterventionen erwidern.

(Patrick-Marc Humke-Focks [LINKE]: Das wurde heute schon anders prak- tiziert!)

- Das kann sein, aber die Geschäftsordnung ist in diesem Punkt eindeutig.

Jetzt hat Herr Dr. Matthiesen das Wort.