Protocol of the Session on October 13, 2011

Würden Sie mir dann nicht recht geben, dass dieses Abkommen jetzt dazu führt, dass all die Straftäter, die ihr hinterzogenes Geld in der Schweiz haben, durch dieses Abkommen legalisiert und eben nicht unnachgiebig verfolgt werden können?

(Beifall bei den GRÜNEN - Björn Försterling [FDP]: Da hat die Steuer- erhebung doch schon stattgefunden!)

Herr Minister!

Der Sinn dieses Abkommens ist, dass wir die Steuern für das Geld, das hinterzogen worden ist, jetzt bekommen. Damit ist es abgeführt. Es wird den Steuerpflichtigen entsprechend abgezogen. In Zukunft passiert gar keine Straftat mehr, weil die Erhebung vor Ort so wie bei uns auch anonym als Abgeltungssteuer erfolgt. Wer eine Bescheinigung haben will, kann heute zu einer deutschen Bank gehen und eine Bescheinigung bekommen, dass er so und so viel als Abgeltungssteuer entrichtet hat. Das kann er mit der Steuererklärung einreichen. Das geht natürlich mit der Schweizer Bank auch so. Ich halte es aber immerhin für besser, dass jetzt alle Steuern erhoben werden.

Wir müssen allerdings noch miteinander diskutieren - meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind deshalb gerade beim Bundesfinanzministerium -, wie wir das innerstaatlich, also innerhalb Deutschlands, verteilen. Jetzt ist es ja so angelegt, dass es nur als eine Steuer, als Einkommenssteuer, abgegolten wird. Aber wir müssen natürlich sehen, dass es in der Vergangenheit Erbfälle gegeben hat und auch in der Zukunft Erbfälle geben wird. Dabei geht es ja um eine reine Landessteuer.

Deshalb müssen wir mit dem Bund noch verhandeln, dass wir aus diesem Abgeltungsbetrag entsprechende Beträge für die dann abgegoltene Erbschaftssteuer erhalten. Denn wenn das abgegolten wird, muss sich hier keiner mehr offenbaren, sodass wir dann keine Möglichkeit mehr haben, das zu nehmen. Wenn mit dem Bund eine faire Verteilung geklärt ist, werden wir dem also aller Voraussicht nach zustimmen.

An diesem Steueraufkommen - daran muss auch die SPD denken - haben dann auch die Kommunen entsprechenden Anteil. Auch dafür sind wir zuständig.

(Markus Brinkmann [SPD]: Das ist ein Lockvogelangebot!)

- Das ist doch kein Lockvogelangebot. Wir haben zwei Möglichkeiten: Entweder bestehe ich darauf, dass sich alle möglichen Leute möglichst häufig strafbar machen, ich dafür aber kein Geld bekomme, oder ich sage: „Ich möchte überhaupt nicht, dass sich Leute strafbar machen, bekomme dafür aber ein paar Milliarden Euro.“ In so einem Fall wähle ich immer die zweite Möglichkeit, nämlich Leute nicht in der Strafbarkeit zu lassen, sondern ihr Geld zu nehmen und es dem Staate zuzuführen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat zusätzliche Redezeit beantragt. Herr Klein, Sie haben 90 Sekunden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Qualitäten unseres Finanzministers als Parlamentskasper sind bekannt. Deshalb gehe ich darauf nicht näher ein.

(Beifall bei den GRÜNEN - Wider- spruch bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Klein, Sie wissen, dass das nicht parlamentarisch ist. Ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: Herr Klein, wa- rum provoziert man so etwas?)

Ich will die Zeit nutzen, darzustellen, warum die „zweitbeste“ Lösung nicht besser ist als die erste.

Es geht insbesondere darum, dass es breite internationale und europäische Bemühungen gibt, den automatischen Informationsaustausch zwischen den Ländern zu vereinbaren, der dazu führt, dass wir auch in Zukunft, wenn er durchgesetzt ist, eine vollständige Steuererhebung bei Wahrung aller Souveränitätsrechte dieses Staates, die wir bei dieser „zweitbesten“ Lösung nämlich abgeben, ermöglichen.

Es geht auch darum, darauf hinzuweisen, dass die Amerikaner eben nicht nur ein paar Einzelfälle bei der UBS aufgeklärt haben, sondern es waren einige Tausend Datensätze.

Am letzten Freitag konnten Sie bei Reuters lesen - ich zitiere -:

„Das Schweizer Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) habe elf Banken aufgefordert, Dossiers mit den Namen und weiteren Angaben zu mutmaßlichen Steuersündern bereitzustellen, berichtete der ‚TagesAnzeiger’“.

Das heißt: Diese Sache geht weiter mit großem Erfolg. Genau das wäre die Alternative. Sie verbauen mit diesem Abkommen auf viele Jahrzehnte die Austrocknung von Steueroasen und die Erhebung vollständiger Steuern in diesem Land. Das genau werfe ich Ihnen vor.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe eben schon versucht, es zu erklären. Wenn wir dieses Abkommen haben, wird in Zukunft eine Abgeltungssteuer in der Schweiz gelten wie in Deutschland auch. Das heißt: Jeder Deutsche, der in der Schweiz ein Konto hat, oder jeder, der bei uns steuerpflichtig ist - er muss nicht unbedingt Deutscher sein -, wird die Steuern entsprechend abführen. Das wird verwaltungstechnisch für uns relativ einfach, weil es der Staat in einem Betrag überweist. Dann wird es auf die Länder, den Bund und die Kommunen verteilt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist dann die ermäßigte Steueroase!)

Meine Damen und Herren, Herr Klein erhält zusätzliche Redezeit: eine Minute.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich frage Sie, wie Sie die Tatsache bewerten, dass die bisherigen Abführungen der Schweiz im Zusammenhang mit der Zinsrichtlinie der EU so eingeschätzt worden sind, dass bisher

nur ein Fünftel der kalkulierten Beträge eingegangen ist.

(Aha! bei den GRÜNEN)

Das ist doch ein deutliches Zeichen, dass, wie ich gesagt habe, die Schweizer Banken bei der Verfolgung deutscher Steuersünder in der Schweiz in der Konsequenz nicht so entscheidend vorgehen, wie wir das eigentlich erwarten.

Was berechtigt Sie zu der Annahme, dass sich das bei diesem Verfahren, das überhaupt nicht überprüfbar ist - ich habe auf die geringe Anzahl von Amtshilfeersuchen, die möglich sind, hingewiesen -, anders wird? Ich denke, darauf können Sie keine Antwort geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Möllring, bitte schön!

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Er kann auf alles eine Antwort geben, nur nicht darauf!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich kann ich darauf eine Antwort geben.

Erstens gibt es keine kalkulierten Zinsausfälle und Steuerausfälle, weil wir nicht wissen, wie viel deutsches Vermögen in der Schweiz liegt. Das ist bei Anonymität eben systemimmanent. Ich kann es nicht ändern. Ich würde es auch gern wissen. Vielleicht ist es schade, aber ich kann es nicht wissen.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: So schlecht sind die Schätzungen nicht, Herr Minister!)

- Die Schätzungen haben eine derartige Bandbreite. Da können Sie das Untere glauben; da können Sie das Obere glauben. Sie können vom obersten Wert 20 % oder vom untersten Wert 20 % abziehen, und dann werden Sie auf zwei unterschiedliche Zahlen kommen.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Ein Fünftel!)

Sie können es sogar mit dem Computer genau ausrechnen. Wenn aber die Basiszahlen, die Sie in einen Computer geben, unterschiedlich sind, werden Sie unterschiedliche Ergebnisse bekommen. Das ist Adam Riese. Das ist keine Böswilligkeit von

irgendeiner Landesregierung, Bundesregierung oder Schweizer Regierung. Das ist einfach so.

In Zukunft wird alles eins zu eins als Abgeltungssteuer erfasst - wie im deutschen Steuerrecht auch. Ich habe es Ihnen gesagt: Mit dem Abkommen - Sie hätten es lesen können, weil es darin steht - unterwirft die Schweiz dies der Strafbarkeit. Es stellt einen Straftatbestand dar. Wenn das nicht an Deutschland abgeführt wird, machen sich die handelnden Personen strafbar. Das möchte ich erst einmal sehen. Wir können doch nicht unterstellen, dass sie sich von vornherein strafbar machen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, wenn Sie noch hierbleiben könnten.

Jederzeit.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Ich will zu- sätzliche Redezeit!)

Er will zusätzliche Redezeit. Danke schön, Herr Minister. Herr Wenzel, noch einmal eine Minute. Bitte!

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Das Problem an dieser Geschichte ist, dass das Rechtsempfinden der Bürgerinnen und Bürger durch ein solches Abkommen beschädigt wird, weil hier plötzlich ein rechtsfreier Raum geschaffen wird, in dem man praktisch Steuerhinterziehungen begehen kann und keine Angst haben muss, erwischt zu werden.

(Zuruf von der CDU: Das Gegenteil ist der Fall!)

Sie legalisieren hier einen solchen Raum mit diesem Gesetz.

(Christian Dürr [FDP]: Was ist Ihr Vor- schlag?)