Es gibt Branchen, in denen es schlicht und ergreifend keine Nachfrage mehr gäbe, wenn wir sie so knebeln wollten und auf eine spezielle Schicht setzen würden. Es gibt durchaus Unterschiede. Selbst bei uns im Land gibt es Unterschiede zwischen Ost und West und zwischen Nord und Süd. Da sollte man nicht einfach sagen: Wir machen eine Rasenmähermethode und nehmen irgendetwas an. - Vielmehr sollten wir uns wirklich den Gegebenheiten anpassen, die dort anstehen.
Jetzt möchte ich noch ganz kurz etwas zum Landesvergabegesetz sagen. Das bekommen wir demnächst noch einmal auf den Tisch. Das haben wir hier schon in etlichen Formen und Arten erlebt. Ich möchte Ihnen noch einmal sagen: Die Wertgrenze von 10 000 Euro bei einer Vergabe ist ein ausgesprochen schwieriges Kapitel.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: In unserer Kommune wurde einmal eine größere Heizungsanlage für ein öffentliches Gebäude vergeben. Das hat man ordentlich ausgeschrieben. Der Wert lag irgendwo zwischen 15 000 und 20 000 Euro. Da hat man ein italienisches Produkt genommen, und das hat eine süddeutsche Firma aufgebaut. Es hat keine fünf Jahre gedauert, dann war das Teil kaputt, die Firma auch, und Ersatzteile aus Italien waren nicht zu bekommen. Was musste diese Kommune tun? - Sie musste das ganz neu ausschreiben und die Heizung neu installieren lassen. Hätte sie auf die Nächstbietenden gehört, die aus dem Umfeld kommen, hätten diese sowohl die Wartung vernünftig übernommen als auch Ersatzteile da gehabt. Sie hätten ein Produkt genommen, das aus unserem Raum kommt und das sie überblicken können.
Auch das steht hinter diesen Dingen, wenn man die Wertgrenze für die öffentliche Vergabe bei 10 000 Euro festsetzt. Man muss sich immer darüber im Klaren sein, was man damit letztlich anstößt.
Die Situation ist sehr verzwickt, weil es auch bei Unternehmen aus dem direkten örtlichen Bereich Aspekte gibt, die wir immer wieder außen vor lassen. Kleine und mittelständische Betriebe haben sich in den letzten Jahren sehr, sehr wenig an öffentlichen Ausschreibungen beteiligt, weil ihnen der bürokratische Aufwand einfach zu groß war.
Genau um diese kleinen und mittelständischen Betriebe geht es uns in diesem Wirtschaftsbereich. Wir wollen sie weiterhin unterstützen. Die Situation, die wir im Zusammenhang mit den Konjunkturpaketen erlebt haben, als wir die Grenze noch weitaus höher gesetzt haben, war absolut positiv. Wenn wir diese 10 000 Euro, also ein Zehntel dieser Summe, wieder erreichen wollen, dann werden wir wieder viele dieser Unternehmen verprellen, weil sie sich in Zukunft wieder nicht an den Ausschreibungen werden beteiligen können. Das aber wollen wir absolut nicht!
Frau König, es gibt den Wunsch nach zwei Kurzinterventionen, zunächst von Herrn Lies und dann von Frau Weisser-Roelle. Herr Lies, bitte schön!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau König, ich meine, dass irgendwann doch auch die FDP merken müsste, dass sie die letzte kleine Gruppe, die noch existiert, ist, die der Frage Mindestlohn hinterherläuft. Sogar die CDU hat es nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch auf Bundesebene verstanden, dass der Mindestlohn nichts Verteufelbares, sondern etwas Gutes ist und dass man sich über einen vernünftigen Weg verständigen muss. Nur bei Ihnen ist das nicht angekommen. Ich glaube, das erklärt einiges, sehr geehrte Frau König.
- Ja, eben! - Es gewinnen gerade diejenigen die Ausschreibung, die die geringeren Löhne zahlen. Frau König, wenn wir erreichen wollen, dass Unternehmen aus unserer Region eine Chance haben - darin werden wir uns doch sicher einig -, dann brauchen wir den Mindestlohn und tarifliche Festlegungen. Deswegen sagen die Handwerksbetriebe das doch. Das ist dann auch fairer Wett
Nun zu dieser Verteufelung des Mindestlohns. 500 000 Menschen in Niedersachsen verdienen weniger als 8,50 Euro. Das ist für Sie der Einstieg in Arbeit?
Wenn für Sie der Einstieg in Arbeit nur noch über Sittenwidrigkeit stattfinden kann, dann ist das kein Einstieg in Arbeit, sonder Einstieg in Armut. Den aber wollen wir nicht, Frau König. Das ist der falsche Weg.
Wir wollen umgekehrt einen Mindestlohn, der in Deutschland Auswirkungen in Höhe von 7 Milliarden Euro hätte: Entlastung der Sozialsysteme und Mehreinnahmen in den Sozialversicherungssystemen. Ich verstehe nicht, dass diese Argumente bei Ihnen nicht ankommen, Frau König. Denken Sie bitte einmal darüber nach! Sie haben ja bald fünf Jahre Zeit.
Schönen Dank, Herr Präsident. - Frau König, ich weiß, dass es zwecklos ist, Ihnen noch einmal die Vorzüge des Mindestlohns zu erklären. Ihre Darstellung kann man aber nicht so stehen lassen, weil sie realitätsfern ist. Sie sprechen davon, dass Gewerkschaften mit Unternehmen vernünftige Löhne aushandeln können. Das ist auch richtig und ist auch gut so. Das brauchen Sie gerade mir nicht zu sagen. Sie vergessen aber, dass mittlerweile nur noch weniger als 50 % der Unternehmen tarifgebunden sind, weil Unternehmer aus diesem Verbund ausgestiegen sind.
Was sollen die Mitarbeiter dieser Unternehmen denn machen? - Sie verdienen dann nur Geld unterhalb der Armutsgrenze. Ich habe es vorhin ausgeführt: Weniger als 10 Euro sind unterhalb der Armutsgrenze. - Wenn Sie sagen, dass das ein vernünftiger Einstieg sei und man nicht alles gleichzeitig machen könne, dann ist das diesen Menschen gegenüber zynisch, die arbeiten und für sich sorgen wollen. Es ist unerträglich, dass Sie dies so darstellen.
Herr Lies hat es gerade ausgeführt: Mindestlohn schützt gerade kleine Unternehmen, weil der Wettbewerb der gleiche ist. Noch etwas: Mindestlohn bedeutet, wie schon das Wort sagt, die Untergrenze. Natürlich können Unternehmen, ob tarifgebunden oder nicht tarifgebunden, ihren Arbeitnehmern auch höhere Löhne zahlen. Aber unterhalb von 10 Euro oder 8,50 Euro, wie es die SPD sieht, ist die absolute Armutsgrenze. Kein Mensch, der arbeitet, sollte unter diesem Stundenlohn arbeiten müssen, sondern er sollte immer von seiner Arbeit leben können. Darum fordern wir nach wie vor 10 Euro.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich meine, eines ist hier wirklich absolut falsch herübergekommen: Ein tariflicher Mindestlohn ist von uns noch nie in Abrede gestellt worden.
Ein tariflicher Mindestlohn ist ein ganz wichtiges Kriterium. Ihm stehen wir völlig offen gegenüber, und wir unterstützen ihn auf allen Ebenen. Es hat auch nie etwas anderes gegeben.
Ein gesetzlicher Mindestlohn aber - das hat Frau Weisser-Roelle eben sehr gut dargestellt - ist im Prinzip eine dauernde Verhandlungsbasis: Der eine will 8,50 Euro, und der Nächste sagt, dass 10 Euro eigentlich noch zu wenig seien, weil da und dort schon 9,50 Euro berechnet werde. - Wir sind doch hier nicht auf einem Basar!
Im Übrigen möchte ich eines noch klarstellen: Wir müssen doch davon ausgehen, dass jemand, der arbeitslos ist, immer noch schlechtergestellt ist als jemand, der vielleicht 7,50 Euro kriegt
oder in irgendeiner Form diese 8,50 Euro nicht kriegt. Warum sind denn so viele Unternehmen in diesen Bereichen aus der Tarifautonomie ausgestiegen? - Weil sie anderenfalls wahrscheinlich überhaupt nicht mehr existent gewesen wären. Das ist doch das Problem, mit dem wir uns hier auseinandersetzen müssen! Gucken Sie sich doch einmal einige Rubriken an!
Ich bin absolut nicht der Meinung, dass es schön ist, wenn man in diesen Bereichen aus der Tarifautonomie aussteigen muss. Es ist manchen aber einfach nicht mehr möglich, ihr Unternehmen dementsprechend zu führen, wenn sie immer auf alles eingehen müssen;
Denn Tarife werden oftmals insbesondere für große Unternehmen gemacht und werden letztendlich auf kleine heruntergebrochen. Das ist schwierig.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Gott sei Dank müssen wir uns das nicht mehr lange anhören.)
Meine Damen und Herren, für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich nun Herrn Hagenah das Wort. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Haus weiß, dass unsere Fraktion den Gesetzentwurf der SPD in dieser Frage inhaltlich in vollem Umfang unterstützt. Wir haben das in vielen Debatten gezeigt.
Ich meine aber, dass der Beitrag von Frau König und die übrigen aktiven Handlungen dieser Landesregierung Anlass genug sind, darüber nachzudenken, worin der Antrieb bei FDP und CDU liegt,
Niedersachsen unter den Bundesländern einen Sonderweg in Deutschland gehen zu lassen, wobei Deutschland im europäischen Kanon in den letzten zehn Jahren in Konkurrenz zu den Nachbarländern eigentlich eine Wettbewerbssituation erreicht hat, die mittlerweile zu einer echten Belastung für Europa und den wirtschaftlichen Zusammenhalt in der Europäischen Union geworden ist. Das sollte uns an dieser Stelle zu denken geben.