Die spannende Frage wird sein, wie Niedersachsen im Vergleich mit den anderen Bundesländern dastehen will. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass es in Bremen eine Tariftreueregelung mit
einem vergaberechtlichen Mindestlohn von 8,50 Euro gibt - das gilt aber auch in Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg -, dann muss sich die Koalition von FDP und CDU doch einmal fragen, ob es der Normalfall sein soll, dass Niedersachsen Schlusslicht in Deutschland ist, oder ob es nicht endlich an der Zeit wäre, dass wir auf den richtigen Zug aufspringen und dafür sorgen, dass wir mit einem Tariftreuegesetz in Niedersachsen im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Unternehmen wieder die Nummer eins in Deutschland werden.
Die Regelungen, die es dort gibt, gehen noch einen Schritt weiter. Die Frage, die sich beim Arbeitnehmer-Entsendegesetz stellt, ist, was wir alles aufnehmen. Niedersachsen ist das einzige Land, in dessen Landesvergabegesetz nur Bauaufträge aufgenommen sind. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist doch deutlich geworden, dass sich öffentliche Aufträge vor dem Hintergrund der Probleme, die wir bei den Löhnen und den Arbeitsbedingungen haben, nicht nur auf Bauaufträge beziehen dürfen. Wenn es schon eine Tariftreueregelung gibt, dann muss sie für alle öffentlichen Aufträge gelten, die in Niedersachsen vergeben werden, meine Damen und Herren.
Der erste Punkt ist, dass wir eine klare Regelung im Arbeitnehmer-Entsendegesetz schaffen müssen, die dafür sorgt, dass dort, wo entsprechende Tariflöhne und Mindestlöhne tariflich vereinbart werden, diese auch gelten.
Der zweite Punkt ist die Sonderstellung im Verkehrssektor, die wir einhalten müssen und die sehr wichtig ist. In diesem Bereich gibt es bereits repräsentative Tarifverträge.
Der dritte Punkt, den wir unbedingt regeln müssen, ist, dass wir vergabespezifische Mindestlöhne einführen, die dann dafür sorgen, dass in Niedersachsen kein öffentlicher Auftrag mehr vergeben wird, bei dem die Beschäftigten, die diese Aufträge ausführen, nicht mindestens 8,50 Euro bekommen.
Sie müssen doch zumindest nach der Debatte, die wir im Ausschuss nicht geführt haben und die ich mir dann an anderer Stelle zu führen gewünscht hätte, einmal den Blick nach Mecklenburg-Vorpommern richten.
- Darüber kann man streiten. Immerhin stimmen Herr Caffier und die CDU in Mecklenburg-Vorpommern zu, ein Tariftreuegesetz auf den Weg zu bringen, das dafür sorgt, dass dort ein Mindestlohn von 8,50 Euro und eine Tariftreueregelung eingeführt werden. Da frage ich mit Blick auf die CDU in Niedersachsen: Warum sind Sie nicht in der Lage, ebenfalls einen solchen Schritt zu tun?
Ich will ein Beispiel nennen, warum das gerade auch für die nicht tarifgebundenen Bereiche außerhalb des Baugewerbes richtig ist. Bei den Vergaben von Postdienstleistungen im öffentlichen Bereich muss man sich doch fragen, ob es richtig ist, dass der Steuerzahler über die Jobcenter die Löhne von Leuten aufstockt, die in öffentlichem Auftrag Postdienstleistungen übernehmen und mit 4 oder 5 Euro in der Stunde bezahlt werden. Das ist doch keine soziale Beschäftigung in unserem Land!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, wir wären gut beraten, diese Punkte jetzt konsequent zu lösen. Dabei will ich auch die Regelung aufgreifen, die Wertgrenze auf 10 000 Euro festzusetzen. Beim letzten Mal kam der Hinweis von Frau König, mit 10 000 Euro könne man nicht einmal einen Spielplatz finanzieren.
Frau König, wenn Sie einmal einen Blick auf die Stellungnahmen zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung geworfen hätten, dann hätten Sie gesehen, dass die IG BAU einfach einmal formuliert hat, wo Aufträge vergeben werden: 85 % der öffentlichen Aufträge im Baubereich liegen unter 10 000 Euro. Aber wenigstens bei den größeren Aufträgen muss doch sichergestellt werden, dass
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich eine letzte Bemerkung machen. Ich hatte gehofft, im Ausschuss über eine Bemerkung von Herrn Höttcher reden zu können. Er hat gesagt, was den Mindestlohn anbelangt, möchte er darauf hinweisen, dass es in Niedersachsen nun einmal unterschiedliche Regionen gebe, in denen bestimmte Löhne nicht gezahlt werden könnten oder in denen der Wettbewerb es einfach nicht zulasse, entsprechende Löhne zu zahlen. Herr Höttcher, ich hoffe, Sie haben verstanden: Genau deshalb haben wir diesen Gesetzentwurf eingebracht, und genau deshalb werden wir gleich zu Beginn der Legislaturperiode 2013 dafür sorgen, dass wir endlich ein Tariftreuegesetz in Niedersachsen haben.
Meine Damen und Herren, die nächste Wortmeldung, die mir vorliegt, kommt von Frau WeisserRoelle von der Fraktion DIE LINKE. Bitte schön!
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das gültige Landesvergabegesetz der schwarz-gelben Landesregierung wird den ökonomischen und auch den sozialpolitischen Notwendigkeiten überhaupt nicht gerecht. Das Gesetz beschränkt sich auf Bauaufträge und lässt Aufträge über Dienstleistungen im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs auf der Straße und der Schiene außen vor.
Aus diesem Grund haben wir gleich nach unserem Einzug in den Landtag 2008 und dann noch einmal 2010 Vorschläge zur Novellierung dieses Gesetzes gemacht. Wir setzen uns nach wie vor dafür ein, dass öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die einen gesetzlich verankerten Mindestlohn zahlen, die sich tariftreu verhalten, die ausbilden, die sich an sozialen und Umweltstandards ausrichten und - das ist ganz wichtig - die nach den verbindlichen Normen der Internationalen Arbeitsorganisation Kinderarbeit ausdrücklich ausschließen.
Weiterhin sollen Vergaben ab einem Auftragswert von 10 000 Euro in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen. Wir finden, das sind alles sehr wichtige Punkte.
Aber CDU und FDP waren weder bei unseren beiden Gesetzentwürfen noch bei dem Gesetzentwurf der SPD bereit, über diese wichtigen Punkte, die die Situation von Menschen und die Arbeitsbedingungen betreffen, überhaupt zu diskutieren. Der Punkt mit den verschiedenen Blumensorten war ihnen viel wichtiger. Es ist bedauerlich, welche Prioritäten man da setzt.
Meine Damen und Herren, all die Punkte, die ich eben genannt habe, finden sich in dem Gesetzentwurf der SPD wieder. Darum unterstützen wir diesen Gesetzentwurf grundsätzlich. - Ich betone „grundsätzlich“, weil es Ausnahmen gibt, auf die ich noch zu sprechen kommen werde. - Wir freuen uns, dass jetzt auch die SPD einen Mindestlohn verankern will, obwohl sie vor einem Jahr wegen genau dieser Forderung unserem Entwurf nicht zugestimmt hat. Es ist schön, dass wir Denkanstöße geben konnten und dass Sie, liebe Kollegen von der SPD, dazugelernt haben.
Aber, meine Damen und Herren, im Gegensatz zur SPD fordern wir einen Mindestlohn, der oberhalb der Armutsgrenze liegt. Wir halten daher nicht mehr 8,50 Euro als gesetzlichen Mindestlohn für angebracht, sondern 10 Euro.
Wir stützen uns dabei auf die Erfahrungen der OECD. Laut OECD-Definition liegt die Niedriglohnschwelle bei zwei Dritteln des sogenannten Bruttomedianstundenlohnes. Dieser beträgt einem aktuellen Report des Instituts Arbeit und Qualifikation zufolge derzeit 9,50 Euro. Ein Mindestlohn von 8,50 Euro wäre demnach im Bereich des Armutslohnes angesiedelt. Das lehnt die Linke entschieden ab.
Übrigens werden auch in den Gewerkschaften Rufe nach einer Untergrenze von 10 Euro immer lauter. Unter anderem fordert das die IG BAU.
Ein weiterer Aspekt, warum wir einen Mindestlohn unterhalb der Armutsgrenze ablehnen, ist: Niedrige Löhne bedeuten weniger Beiträge zu den Rentenkassen und erhöhen das Risiko zukünftiger Altersarmut.
Meine Damen und Herren, die Rentenreformen von SPD und Grünen sowie von CDU und SPD lassen obendrein das Niveau der gesetzlichen Renten langfristig dramatisch sinken. Die Kürzungen sollen durch mehr private Vorsorge ausgeglichen werden. Doch wer wenig verdient, hat dazu keine wirkliche Chance. So potenziert sich das Risiko von Altersarmut.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Herr Schminke im Mai diesen Gesetzentwurf einbrachte, dachte ich schon: Herr Schminke, trauen Sie den Tarifparteien eigentlich nichts mehr zu? Bislang hat es eigentlich letztendlich immer ganz gut geklappt, wenn die Tarifparteien eine vernünftige Absprache getroffen haben: über Löhne, über Arbeitszeiten, über all diese Dinge.
Ich traue den Tarifparteien zu, das in Zukunft genau so gut zu machen. Ich bin der Meinung, dass wir hier im Parlament nicht all die Kenntnisse haben, die die Tarifparteien haben. Deswegen bin ich immer sehr vorsichtig und sehr skeptisch, wenn wir hier gesetzlich etwas regeln sollen, was beispielsweise aus unseren oder aus Ihren Reihen kommt.
Auf der anderen Seite gehen Sie immer auf prekäre Arbeitszeiten ein. Ich bin mittlerweile ziemlich sauer darüber, dass Sie einfach außer Acht lassen, dass es bei uns noch Menschen gibt, die in den zweiten und von dort in den ersten Arbeitsmarkt gelangen. Wenn wir anfangen, die einfach auszugrenzen und zu sagen: „Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn, koste es, was es wolle“, dann, finde ich, ist das wirklich eine absolut schwierige Situation gegenüber den Menschen, die im Moment noch keine Arbeit haben, die wir aber gerne in den Arbeitsmarkt integrieren wollen.
Es gibt Branchen, in denen es schlicht und ergreifend keine Nachfrage mehr gäbe, wenn wir sie so knebeln wollten und auf eine spezielle Schicht setzen würden. Es gibt durchaus Unterschiede. Selbst bei uns im Land gibt es Unterschiede zwischen Ost und West und zwischen Nord und Süd. Da sollte man nicht einfach sagen: Wir machen eine Rasenmähermethode und nehmen irgendetwas an. - Vielmehr sollten wir uns wirklich den Gegebenheiten anpassen, die dort anstehen.