Es ist nicht hinzunehmen, dass sich im Jahr 2010 ca. 350 000 junge Menschen in sogenannten Warteschleifen in schulischen Systemen befanden, ohne dem Vorrang der dualen Ausbildung entsprechend Rechnung tragen zu können.
Ich will allerdings zum Schluss noch einen Punkt aufgreifen, ohne auf alle Maßnahmen einzugehen, die in diesem gemeinsamen Antrag richtigerweise beschlossen werden sollen. Eines scheint in der
Diskussion - Herr Schneck, Sie erwähnten es - meines Erachtens für die kommenden Jahre nicht richtig zu sein; die Linken haben es aufgegriffen. Ich meine die Frage der fehlenden Ausbildungsplätze. Meine Damen und Herren, wir haben in Niedersachsen zurzeit 63 000 Bewerber um Ausbildungsplätze. Rund 18 000 davon sind unversorgt. Wir haben aber gleichzeitig 15 000 offene Stellen. Man darf nicht unerwähnt lassen, dass es der niedersächsischen Wirtschaft in den letzten Monaten gelungen ist, im Vergleich zum letzten Jahr im Rahmen des gemeinsamen Paktes 4 900 zusätzliche Ausbildungsstellen zur Verfügung zu stellen. Das ist nicht irgendetwas.
Das, was dort an die Wand gemalt wird, hat letztendlich damit zu tun, dass sich eine große Zahl von Jugendlichen bei 348 Ausbildungsberufen, davon 150 im Handwerk, in der Frage, wohin sie gehen wollen, welche Kompetenzen sie haben und welcher Beruf zu ihnen passt, nicht ausreichend orientiert hat. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit im Bereich der Ausbildungsfähigkeit und der Berufsorientierung eine Koordinierungsstelle in Niedersachsen eingerichtet haben, um jungen Menschen frühzeitig Orientierung dahin gehend zu geben, was zu ihnen passt. Wir haben in Niedersachsen richtigerweise entschieden, frühzeitig, ab der 8. Klasse, in unseren berufsorientierenden Maßnahmen im schulischen System Kompetenzfeststellungsverfahren anzusiedeln, weil die Zahl der unversorgten Bewerber langfristig nur auf diese Weise entsprechend verkleinert werden kann.
Eines bleibt wahr - das zum Schluss -: Wir werden uns in etwa fünf bis zehn Jahren - ich meine, dass eher die Mittelfristperspektive von fünf Jahren die richtige ist - darüber unterhalten, dass nicht genügend qualifizierte Auszubildende der deutschen Wirtschaft oder den sozialen Berufen in Deutschland zur Verfügung stehen werden. Das Handwerk, die Industrie- und Handelskammern und die sozialen Berufe beginnen im Moment, in allen Schulformen darum zu werben. Von daher ist Berufsorientierung natürlich und ohne Zweifel auch ein Thema für die Gymnasien. Auch daran werden wir in Zukunft zu arbeiten haben.
Die Frage wird aber letztendlich sein, ob es uns überhaupt gelingt, in den nächsten Jahren den Fachkräftebedarf, der im Ausbildungsmarkt besteht, zu decken. Herr Schneck, das, was Sie an die Wand gemalt haben, ist in Wahrheit eine Au
genblicksituation allenfalls für die nächsten zwei Jahre, die wir vor uns haben. In den nächsten Jahren aber, Herr Schneck, wird sich die Situation genau umdrehen. Wir werden verzweifelt nach Auszubildenden für die Wirtschaft, für das Handwerk und für alle anderen Berufe suchen,
sogar dann, wenn die Zahl der Altbewerber abgebaut sein wird. Darüber sind wir uns mit den Handwerkskammern und auch den Industrie- und Handelskammern einig, die über unsere Schulpolitik in keiner Weise von einer verfehlten Schulpolitik sprechen, sondern uns ausgesprochen dafür gelobt haben, dass wir z. B. die Oberschule mit starken berufsorientierenden Elementen auf den Weg gebracht haben.
Insofern kann ich nur begrüßen, dass der Landtag hier zu einer gemeinsamen Entschließung kommt, auch wenn er sich nicht in jedem Detail immer einig ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu diesem Tagesordnungspunkt liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Wir sind am Ende der Beratung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/4017 unverändert annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Dieser Beschlussempfehlung ist gefolgt worden.
Abschließende Beratung: Sinnvolle Veränderungen statt Kürzungen in der Arbeitsförderung - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/3750 - Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/4082 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration - Drs. 16/4059 -
Der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zielt auf eine Annahme des Antrages in einer geänderten Fassung ab.
Wir treten in die Beratung ein. Zunächst hat sich Frau Helmhold für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort, Frau Helmhold.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bündnis 90/Die Grünen verfolgt eine Arbeitsmarktpolitik, die sich an Solidarität und Inklusion orientiert. Der Gesetzentwurf der Bundesarbeitministerin zur sogenannten Instrumentenreform dagegen war und ist geprägt von den unnachgiebigen Sparvorgaben des Bundesfinanzministers in Höhe von über 7,8 Milliarden Euro. Daran hat sich leider auch nach den letzten Änderungen am Gesetz durch die Berliner Regierungsfraktionen nichts geändert. Es werden also Kürzungen umgesetzt werden müssen.
Wäre der Gesetzentwurf allerdings unverändert verabschiedet worden, hätte er gravierende, katastrophale Folgen für die niedersächsischen Jugendwerkstätten gehabt. Vor diesem Hintergrund war es ein Segen, dass die Jugendlichen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Werkstätten vor dem niedersächsischen Sozialministerium eine Protestveranstaltung organisiert haben, bei der wir alle ihren Forderungen zur Seite standen. Die Kampfordnung war erfreulicherweise sehr eindeutig: Landesinteressen gehen den Bundesinteressen an dieser Stelle vor.
Der Protest der Jugendlichen und die fraktionsübergreifende Einigkeit haben offenbar ein Gutes bewirkt: Es wurde die Kürzung der Trägerpauschalen zurückgenommen.
Auf anderen Ebenen jedoch bleibt es für die Werkstätten weiter brenzlig. In welchem Umfang werden ihnen noch AGH-Stellen zugewiesen? Wie werden sozialpädagogische und qualifizierende Anteile bei den Ein-Euro-Jobs mitfinanziert, wenn die Leistungen in der üblichen Weise von der BA über Vergabeparagrafen ausgeschrieben und an die am billigsten und meist unqualifizierten Träger vergeben werden? - Es überwiegen also leider die negativen Aspekte. In diesem Zusammenhang war und ist es
mir ein Rätsel, warum sich gerade die Bundesministerin von der Leyen diesen Protest ins Haus geholt hat, obwohl sie als Niedersächsin und ehemalige Sozialministerin hier doch gewusst haben muss, welche Bedeutung die Jugendwerdstätten für die bildungsferneren Jugendlichen haben.
Meine Damen und Herren, ich begrüße sehr, dass es uns nach langen Beratungen doch noch gelungen ist, zu einer gemeinsamen Entschließung des Landtages zur Umsetzung dieser Reform zu kommen. Es wird nicht leicht werden, unsere gemeinsamen Ziele zur zukünftigen Gestaltung der in Niedersachsen stattfindenden Arbeitsförderung umzusetzen; denn es bleibt bei der genannten Einsparsumme. Insbesondere um mehr Dezentralität in den Entscheidungen durchzusetzen, müssen wir sicherlich gemeinsam noch sehr dicke Bretter bohren.
Ich freue mich, dass die Tradition, hier im Haus in diesem Bereich gemeinsam zu agieren, heute fortgesetzt wird, und bedanke mich bei allen Beteiligten, insbesondere beim Wirtschaftsausschuss, für die am Ende konstruktive Zusammenarbeit, die zu diesem gemeinsamen Antrag geführt hat.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Die Instrumentenreform des Bundes in der Arbeitsförderung schreibt nun in das Sozialgesetzbuch, wofür sich unser Landtag schon seit Langem einsetzt. Ich greife nur drei Punkte heraus:
Erstens. Die Dezentralisierung und das Herunterzonen der Entscheidungen auf die Ebene der Jobcenter bzw. der kommunalen Träger und der Arbeitsvermittler.
Drittens. Die Verdoppelung der freien Förderung einschließlich des Beschäftigungszuschusses auf 20 % der Eingliederungsmittel.
Davon müssen wir nun in Niedersachsen kräftig Gebrauch machen. Wir müssen den Einsatz der Instrumente und auch den Finanzaufwand der sehr
Binnen Jahresfrist ist nicht nur die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um 672 000 gestiegen, sondern auch die Zahl der offenen Stellen ist innerhalb eines Jahres um fast 30 % auf jetzt 50 000 gestiegen.
Ferner hat die Zahl der jüngeren Arbeitslosen unter 25 Jahren - auch das ist in diesem Bereich ganz wichtig - um 10 % abgenommen.
Darüber hinaus verzeichnen wir in ganz Deutschland auch bei der Zahl der gemeldeten betrieblichen Ausbildungsplätze ein ganz großes Plus von 50 000 Plätzen.
Schließlich kommt jetzt noch - auch das ist ganz wichtig für unser Thema - die neue Studie der Bundesagentur zum öffentlich geförderten Arbeitsmarkt. Danach hat sich der Abgang von Langzeitarbeitslosen in den zweiten Arbeitsmarkt, also in die Ein-Euro-Jobs, halbiert. Das ist eine gewaltige Entwicklung. Dagegen nimmt die Zahl der Übergänge in den ersten Arbeitsmarkt zu. Mehr Langzeitarbeitslose finden dort reguläre Arbeit.
Genau das alles eröffnet uns die Chance der künftigen Fachkräftesicherung mithilfe passgenauer und individueller Förderung. Die Devise lautet: Weg von der künstlich geförderten Beschäftigung hin zu Weiterbildung und Qualifizierung.
Unsere Bundesarbeitsministerin setzt genau hier an und hat einen großen Betrag an Fördermitteln für diesen Bereich Qualifizierung reserviert. Das sind 3 Milliarden Euro bei zurzeit weniger als 3 Millionen Arbeitslosen. Vor sechs Jahren, also zuzeiten der rot-grünen Bundesregierung, hatten wir noch 5 Millionen Arbeitslose, aber 1 Milliarde Euro weniger für Qualifizierungsmaßnahmen.
Der zweite große Brocken ist, dass wir im Bund 3,2 Milliarden Euro für den Übergang Schule/Beruf reserviert haben. Vieles von dem, was unser gemeinsamer Antrag zum Übergang von der Schule in den Beruf fordert, lässt sich nun mithilfe dieser Mittel und der neuen Förderinstrumente umsetzen; denn das neue Instrumentenreformgesetz enthält eine Regelung, die es dort bislang nicht gab: Die Berufseinstiegsbegleitung und auch die Berufsorientierungsmaßnahmen schon im Schulbereich,
von denen der Kultusminister Bernd Althusmann gerade gesprochen hat, sind jetzt reguläre Instrumente.
Das ist ein Riesenfortschritt. Davon können wir in Niedersachsen sehr profitieren, weil wir z. B. das Schulsozialarbeiterprogramm jetzt wieder mit den Mitteln der Bundesagentur kombinieren können, wie wir es früher tun konnten, als es noch die sonstigen weiteren Leistungen gab.
Wichtig ist auch, dass die Kommunen selbst, die das wollen, Maßnahmen auf dem Feld Übergang Schule/Beruf durchführen können. Dafür trägt das Bundesarbeitsministerium Sorge. Davon konnte ich mich in Gesprächen überzeugen.
Jetzt noch ein Wort zu dem von Frau Kollegin Helmhold bereits angesprochenen öffentlich geförderten Ausbildungs- und Arbeitsmarkt: Der behält seine ergänzende Bedeutung. Die erfreuliche Nachricht ist: Die niedersächsische Spezialität Jugendwerkstätten konnten wir mit einer gemeinsamen Anstrengung retten. Ich danke allen sehr herzlich, die sich dafür mit aller Kraft eingesetzt haben.