Protocol of the Session on September 16, 2011

Meine Damen und Herren, ich darf Frau Heiligenstadt mal eben unterbrechen. - Frau Heiligenstadt, Frau Korter möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Bitte schön!

Danke schön, Frau Kollegin Heiligenstadt. Danke schön, Herr Präsident. - Frau Kollegin Heiligenstadt, wie beurteilen Sie die Tatsache, dass der hauptsächlich betroffene Minister, Justizminister Busemann, der damals Kultusminister war, an dieser Debatte gar nicht teilnimmt?

Frau Heiligenstadt, bitte!

(Zuruf von der CDU: Er ist da! - Ge- genruf von der SPD: Er sitzt nicht auf der Regierungsbank!)

Wenn Herr Busemann im Hause ist, dann scheint es ihn ja doch zu interessieren. Vielleicht verfolgt er es am Lautsprecher.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Er sitzt ir- gendwo in der Ecke und schämt sich!)

Meine Damen und Herren, die Anzahl, die Dauer und der Gesamtumfang der Verstöße erreichen eine Dimension, die in meinen Augen einzigartig ist.

(Jens Nacke [CDU]: Sagen Sie es ein drittes Mal, vielleicht wird es ja dann richtig!)

Daher handelt es sich nach meiner Auffassung um einen einzigartigen Skandal im Bildungsbereich. Die Schulen in Niedersachsen werden allerdings nach wie vor allein gelassen. Ich habe Hinweise von Schulleitungen, die sich nicht zu veröffentlichen trauen, dass sie ihre Angebote nun deutlich

zurückfahren müssen, weil die Verträge jetzt natürlich teurer sind als vorher.

Außerdem entsteht im Moment eine Vielzahl von Kettenarbeitsverträgen, die in unbefristete Arbeitsverträge umgewandelt werden müssen, weil die Betroffenen einen Anspruch darauf haben.

(Björn Försterling [FDP]: Das ist doch das, was Sie wollten!)

Sie jedoch beschwichtigen und weisen darauf hin, dass es sich bei einem Großteil der Verträge um sogenannte 400-Euro-Verträge handele, die nur eine geringe Nachzahlung nach sich ziehen und fast nicht teurer seien.

Wenn man einmal von der gesamten Problematik der Honorarverträge absieht, bleibt doch festzuhalten: Wenn Sie nun schon sozialversicherungspflichtige Arbeitsverträge - befristet oder unbefristet - an den Schulen abschließen, warum dann nicht z. B. auch bei pädagogisch ausgebildetem Personal oder zumindest pädagogisch fortgebildetem Personal? - Meine Damen und Herren, Menschen, die Vertrauen zu den Kindern aufbauen sollen, dürfen nicht in prekäre Beschäftigungsverhältnisse hineingedrückt werden, von denen keiner leben kann.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Was das für unsere Schulen bedeutet, habe ich bereits im März in diesem Hause ausgeführt. Die Schulen leiden darunter, dass sie wegen des Abschlusses befristeter Arbeitsverträge alle zwei Jahre neues Personal einstellen müssen. Sie leiden darunter, dass möglicherweise Nachzahlungen für Sozialversicherungen zu leisten sind, ohne dass sie bis heute überblicken können, was das für ihr Budget bedeutet. Sie leiden darunter, dass sie nicht genug Geld haben, um ein gutes Ganztagsangebot für ihre Schulen entwickeln zu können.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, dieser Situation setzen Sie seitens der Landesregierung die Schulen nun seit Jahren aus, und ändern tut sich faktisch nichts. Das kann es auch nicht, Herr Althusmann, wenn man Ganztagsschule zwar machen will, aber Ganztagsschule nicht finanzieren will. Das ist so, als wenn man A sagt und anschließend nicht B sagt.

(Jens Nacke [CDU]: Ich glaube, da stand jetzt „Applaus“ im Konzept!)

Was die Zahlen in der Großen Anfrage angeht, so war noch im März von 5 000 bis 7 000 Verträgen die Rede. Heute reden wir bereits über 24 000 Verträge, und das nur, weil die Staatsanwaltschaft nur für einen Zeitraum von drei Jahren ermittelt. Eigentlich ist der Zeitraum viel länger.

Das Schlimme ist: Trotz vielfältiger Hinweise aus der Deutschen Rentenversicherung, aus der Staatsanwaltschaft, aus der Landesschulbehörde und von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des MK machen Sie fröhlich weiter. Sie beantworten die Fragen in der Großen Anfrage sogar mit Sätzen wie: „Die Recherche ist zu aufwendig“, oder:

„Im Hinblick auf die Ankündigungen der Staatsanwaltschaft und der Deutschen Rentenversicherung, alle in den Schulen vorhandenen Dienstverträge hinsichtlich ihrer rechtlichen Korrektheit überprüfen zu wollen, würde dies zudem zu einer Doppelerhebung führen, die vermieden werden sollte.“

Herr Althusmann, es ist Ihre Pflicht, die Staatsanwaltschaft nicht Ihre Hausaufgaben erledigen zu lassen. Sie sind in der Verantwortung, aufzuklären

(Björn Försterling [FDP]: Das geht doch gar nicht! Was haben Sie denn für eine Auffassung von Gewaltentei- lung? - Zuruf von Minister Dr. Bernd Althusmann)

und den ermittelnden Behörden die notwendigen Auskünfte zu erteilen statt die Behörden ermitteln zu lassen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Heiligenstadt, ich möchte Sie noch einmal unterbrechen. - Herr Minister, Sie haben jederzeit die Möglichkeit, das Wort zu ergreifen, aber nicht von der Regierungsbank. - Frau Heiligenstadt, bitte!

Herr Althusmann, Sie sind in der Verantwortung, dem Parlament gegenüber die Fragen zu beantworten, damit wir wissen, was z. B. an haushaltswirksamen Auswirkungen in den kommenden Jahren auf uns zukommen wird. Es ist Ihre Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Ganztagsschulen in Niedersachsen endlich auf rechtlich einwandfreie Füße gestellt werden.

Herr Althusmann, dass Sie da mit dem Rücken ganz schön an der Wand stehen, wurde dadurch deutlich, dass Sie in Ihrem Redebeitrag ausschließlich Angriffe auf einzelne Personen in der Opposition gefahren haben und Beispiele aus anderen Bundesländern zitieren, die nicht in Ordnung sind. So ist die Situation der Honorarkräfte in Hamburg eine ganz andere als in Niedersachsen; denn Hamburgs Ganztagsschulen sind - im Gegensatz zu denen in Niedersachsen - richtig ausgestattet. Sie werden mit der Situation der Ganztagsschulen in Niedersachsen noch richtig Probleme bekommen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE spricht nun Herr Kollege Adler. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Antwort der Landesregierung ist der Versuch unternommen worden, das ganze System der Abgrenzung von Arbeitsverträgen und Dienstverträgen als unglaublich kompliziert darzustellen, als etwas, was juristisch schwierig sei, was man nur im Einzelfall beurteilen könnte usw. Auf diese Weise wurden Nebelkerzen geworfen. Im Grunde ist der Sachverhalt völlig einfach.

Eine abhängige Beschäftigung liegt vor, wenn eine Weisungsgebundenheit besteht, wenn der jeweilige Beschäftigte seine Arbeitszeit nicht selbst festsetzen kann und wenn die Tätigkeit üblicherweise von Arbeitnehmern ausgeübt wird. Das ist der ganz einfache juristische Sachverhalt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Diesen einfachen juristischen Sachverhalt hätten alle Minister, die hier angesprochen worden sind, in einem kurzen Merkblatt allen Schulleitern übergeben können. Dann wäre der Sachverhalt klar gewesen.

(Björn Försterling [FDP]: Das ist doch gemacht worden!)

Dann wäre auch deutlich geworden, dass die meisten, die dort als pädagogische Mitarbeiter beschäftigt sind, im Grunde Arbeitsverträge haben und dass es unzulässig ist, das als sogenannte Honorarverträge darzustellen, um auf diese Weise Sozialversicherungsbeiträge zu sparen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Werfen von Nebelkerzen wird hoch interessant, wenn man sich einmal die Antwort auf die Fragen 9 und 10 anschaut. Dort steht folgender Satz, den Sie sich wirklich einmal auf der Zunge zergehen lassen müssen:

„Das Direktionsrecht des Arbeitgebers ist daher von der schulrechtlichen Weisungsbefugnis der Schulleitung im Rahmen der Gesamtverantwortung für den Schulbetrieb zu unterscheiden.“

Tolle Rabulistik. Diese Ausrede will ich für Sie jetzt auf die Privatwirtschaft übertragen und Ihnen einmal sagen, wie man dort diese Ausrede formulieren würde. Dort würde es dann heißen: Das Direktionsrecht des Arbeitgebers ist von der aktienrechtlichen Verantwortung des Vorstandes für das Unternehmen abzugrenzen. - Was soll das? - In jedem Fall geht es darum, sich einfach nur um den Sachverhalt herumzumogeln, dass ein Direktionsrecht da ist und dass das Ausüben des Direktionsrechts ein Indiz dafür ist, dass eine abhängige Beschäftigung und damit eine Sozialversicherungspflicht bestehen.

(Beifall bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: So ist das!)

Welche Zielsetzung diese ganze rechtswidrige Praxis hat, ist in der Antwort auf Frage 20 deutlich geworden. Dort steht:

„Bis 2010 wurde die Ausstattung des Ganztagsbereiches mit Lehrkräften, pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern … als ausreichend angesehen.“

Als ausreichend angesehen - das ist meiner Ansicht nach ein Geständnis. Sie wollten so wenig Geld wie möglich ausgeben und haben das Recht tausendfach gebrochen. Erzählen Sie mir doch nicht, dass die Juristen in Ihrem Hause nicht gewusst hätten, was da passiert.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Nun noch einige Anmerkungen zu den Auswirkungen auf die Budgets der Schulen. Sie müssen nachzahlen. Die Budgetausstattung der Schulen reicht natürlich nicht. Dann reicht auch das nicht, was Sie in der Antwort auf die Frage 27 dazu erklärt haben. Dort haben Sie nämlich gesagt: Grundsätzlich kommen die Schulen mit ihren Bud

gets aus. Notfalls müssen sie einen Antrag stellen, und dann kriegen sie noch ein bisschen Geld dazu. - Das ist nicht ganz überzeugend. Ich will Ihnen einmal vorhalten, was die Landesschulbehörde dem Kultusministerium in ihrem Schreiben vom 4. April 2011 mitgeteilt hat. Ich zitiere jetzt Nr. 6 dieses Schreibens:

„Tarifgebundene Arbeitsverträge kosten in vielen Fällen mehr Geld als Honorarverträge. Ihrer Empfehlung entsprechend“

- also der Empfehlung des Ministers -