Protocol of the Session on September 14, 2011

(Zustimmung von Ina Korter [GRÜNE])

Aber genau das, lieber Herr Klare, sind doch die relevanten Zahlen in Sachen Fachkräftemangel - nicht die Besucherzahlen einer alle zwei Jahre stattfindenden Ausbildungsmesse.

(Zustimmung von Ina Korter [GRÜNE])

Wer aus einkommensschwachen Familien kommt, hat nämlich sehr häufig überhaupt keine Chance, eine gut bezahlte Fachkraft zu werden, weil er bereits im Schulsystem scheitert. Da liegt der Handlungsbedarf - nicht in der Ausrichtung medial gut ausverkaufter Technikshows.

(Beifall bei den GRÜNEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Diese Rede haben Sie vor fünf Jahren schon einmal gehalten!)

Schon der Ausbau von Berufsorientierungskonzepten an allen weiterführenden Schulen wäre an der Stelle effizienter.

Aber vor allem brauchen wir eine Schule, die nicht schon nach der 4. Klasse festlegt, wo jemand später einmal im Berufsleben landen wird. Deshalb fordern Wirtschaftsexperten und Bildungsforscher seit Jahren eine grundsätzliche Reform des Bildungssystems, der Sie sich konsequent verweigern.

Eine weitere Baustelle, die viel stärker in den Fokus gestellt werden müsste, ist die mangelnde Präsenz von Mädchen in technikaffinen Berufen. Meine Damen und Herren, der Fachkräftemangel ist weiblich. Obwohl Mädchen in der Schule grundsätzlich besser zurechtkommen, schneiden sie im Durchschnitt bei den MINT-Fächern interessanter

weise schlechter ab. Untersuchungen haben ergeben, dass Mädchen selbst bei gleichen Kompetenzen ihre eigenen Fähigkeiten in Mathematik, Physik oder Chemie deutlich schlechter einschätzen. Das setzt sich in der Berufswahl fort. Man muss sich die Zahlen nur anschauen: Mädchen sind in technischen Berufen und Ingenieurberufen unterrepräsentiert.

Wir brauchen daher auch eine Reform der Lehramtsausbildung, die gerade in den MINT-Fächern stärker als bisher den Schwerpunkt auf Didaktik und Methodik legt. Mathe, Physik und Chemie müssen endlich geschlechterneutral unterrichtet werden, indem sie in der Aufgabenstellung stärker die Interessen und Themen von Jungen und Mädchen aufgreifen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Wir brauchen Schulen, die jenseits starrer Curricula Freiräume und Kapazitäten für kreative Projekte bekommen, in denen Schülerinnen und Schüler die Anwendung von Technik als spannende Möglichkeit zur Lösung aktueller Probleme kennenlernen.

Wir brauchen attraktivere Weiterbildungsangebote für Erzieherinnen und Lehrer, die wahrgenommen werden, weil sichergestellt ist, dass sie anschließend im Rahmen des Echtbetriebes ihre Effizienz ausleben können.

Wir brauchen schließlich eine bessere Betreuung an den Hochschulen, um die Abbrecherquote zu verringern.

Unser Fazit zur IdeenExpo: Weniger Show und stattdessen ein Bildungssystem, bei dem potenzielle Fachkräfte von morgen nicht auf der Strecke bleiben! Das sind letztlich die einzig wirksamen Instrumente gegen den Fachkräftemangel.

(Beifall bei den GRÜNEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das war die Rede von vor zwei Jahren! - Gegenruf von Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE]: Ja, das stimmt!)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE spricht nun Frau Reichwaldt.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Werden Sie auch die Rede von vor zwei Jahren halten?)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich lobe, wie gerade gewünscht, die IdeenExpo 2011 vom 27. August bis 4. September dieses Jahres.

„Ziel war“ es wieder, „Schülerinnen und Schüler aus Niedersachsen und angrenzenden Ländern für Naturwissenschaft und Technik zu begeistern. Das Interesse an Technik sollte wachsen, damit sich mehr junge Menschen für solche Berufe entscheiden. Die Veranstalter hatten“ mindestens so viele Besucherinnen und Besucher wie 2009 erwartet. Die diesjährige IdeenExpo in Hannover endete am 4. September, wieder mit einem Rekord. 310 000 Gäste besuchten Deutschlands größtes Mitmachevent für Naturwissenschaften und Technik. Rund 500 Mitmachexponate, 600 Workshops, Wissensshows, Liveexperimente und Open-Air-Konzerte - das alles bot die IdeenExpo 2011. Rekorde ohne Ende in der noch jungen Geschichte dieser Ausstellung. „Es hat hinterher schöne Zeitungsartikel gegeben. Alle Erwartungen sind übertroffen worden.“

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das, was meine Kollegin Kreszentia Flauger schon über die IdeenExpo 2009 hier vor zwei Jahren gesagt hat - haben Sie die Wiederholungen bemerkt? -, kann ohne Einschränkungen und mit Recht auch über die IdeenExpo 2011, diesem - wie es so schön im Titel zu dieser Aktuellen Stunde heißt - „größten Klassenzimmer der Welt“, gesagt werden - eine tolle Veranstaltung und ein Klassenzimmer, in dem auch tatsächlich Platz für Experimente ist.

Aber mit genauso viel Recht ist es auch zwei Jahre später wieder notwendig, ein Blick hinter diese glitzernde Showkulisse auf die niedersächsische Bildungswirklichkeit zu werfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Verstehen Sie mich nicht falsch. Die IdeenExpo ist eine tolle Möglichkeit, junge Menschen für Naturwissenschaften und Technik zu begeistern und zu motivieren. Aber dieses große Klassenzimmer allein wird nicht mehr Chemikerinnen und Chemiker in einem auch in Niedersachsen völlig unterfinanzierten Bildungssystem herbeizaubern. Da können Sie uns die Steigerung der Bildungsausgaben im Laufe Ihrer Regierungsjahre noch so oft präsentieren!

Es muss gelingen, das Interesse, das auf der IdeenExpo geweckt wird, an den Schulen am Leben zu erhalten und in die Hochschulen zu übertragen. Aber an beiden Dingen scheitert diese Landesregierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Weiterhin ist die Anzahl der Labor- und Versuchsplätze in den Schulen oft deutlich kleiner als die der Schülerinnen und Schüler. Unmöglich kann eine Lehrkraft 25 bis 30 parallel stattfindende Versuche in der Sekundarstufe I begleiten. Die Klassen sind eben weiterhin zu groß.

Für die Ausstattung der Schulen sind die Kommunen zuständig. Finanziell klamme Kommunen bedeuten zu alte Labore und zu alte Ausstattungen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Mit einem gebundenen Ganztagsangebot könnten die Angebote für das Experimentieren ausgebaut werden. Durch kleinere Lerngruppen könnten Experimente vertieft werden. Stattdessen gibt es weiterhin große Klassen und Frontalunterricht. Die Schule, die auf kleine Lerneinheiten, Tischgruppen und mehr Zeit zum Lernen setzt, die IGS Göttingen-Geismar, wird von der Landesregierung um ihr Konzept gebracht.

(Beifall bei der LINKEN)

Solange die Verhältnisse an den Schulen so mangelhaft bleiben, wird es kaum gelingen, das Interesse an den sogenannten MINT-Fächern bis zum Ende der Schulzeit wach zu halten. Und dann ist da auch noch der Lehrermangel gerade in diesen Fächern. Auch das ist kein Zufall, sondern Ergebnis der verfehlten Bildungsplanung dieser Landesregierung, beginnend mit der Lehrerausbildung an der Hochschule und fortgesetzt im zu schlecht bezahlten Vorbereitungsdienst.

(Zustimmung bei der LINKEN)

An den Hochschulen gibt es die altbekannten Probleme.

(Unruhe)

Frau Kollegin, bitte warten Sie einen Augenblick! - Es finden gerade sehr viele angeregte Gespräche statt, die dazu führen, dass unsere Besucher wahrscheinlich nicht einmal mehr Frau Reichwaldt verstehen können, sondern das, was dort an den Tischen gesprochen wird.

(Jens Nacke [CDU]: Auch ich habe meine Schwierigkeiten, Frau Reich- waldt zu verstehen!)

- Herr Kollege, diese Antwort gegenüber einem Präsidenten war jetzt nicht nötig. - Frau Reichwaldt, bitte!

An den Hochschulen gibt es die altbekannten Probleme: Abschreckende Studiengebühren, die es bald nur noch in Niedersachsen und Bayern ab dem ersten Semester gibt, übervolle Stundenpläne, die zum Bulimielernen und gerade in den Ingenieurwissenschaften zum Studienabbruch führen.

Meine Damen und Herren, nur wenn wir die soziale Selektion an den Schulen und Hochschulen durchbrechen, können wir das Interesse an der IdeenExpo konservieren. Denn derzeit erfahren zu viele Schülerinnen und Schüler immer noch, dass der Weg an die Hochschule durch ein ausgrenzendes Schulsystem, eine permanente Unterfinanzierung der Hochschulen und hohe private Kosten mit der Konsequenz eines drohenden Schuldenbergs für die Studentinnen und Studenten verbaut ist. Das muss sich ändern, damit die IdeenExpo tatsächlich ein Erfolg für Niedersachsen wird.

Gut, dass diese Landesregierung bis dahin abgewirtschaftet hat. Sonst können wir uns nur auf die nächste IdeenExpo freuen und sie hinterher wieder mit fast den gleichen Reden feiern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, nächste Rednerin ist die Kollegin Heiligenstadt von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die IdeenExpo als Technikshow in Niedersachsen - im Grunde genommen deutschlandweit - hat sich etabliert. Es sind Rekorde zu vermelden: Flächenrekord, Ausstellerrekord, Besucherrekord. Immerhin 310 000 Besucherinnen und Besucher sprechen für sich. Damit ist die IdeenExpo wohl Deutschlands größtes Mitmachevent - wie es auch Herr Klare formuliert hat; so schreibt es auch die IdeenExpo auf ihrer eigenen Homepage - für Naturwissenschaften und Technik.

Das Land Niedersachsen - wohlgemerkt: das Land Niedersachsen und nicht die CDU und die FDP - sitzt am Tisch der IdeenExpo GmbH, die von der niedersächsischen Wirtschaft, von NiedersachsenMetall, massiv mit gestützt wird. Sie finanziert das ganze Spektakel für rund 3 Millionen Euro je IdeenExpo.

(Ursula Ernst [CDU]: „Spektakel“?)

- Ja, ein Spektakel, ein positives Spektakel. Frau Ernst, das ist nichts Negatives, sondern sogar ein besonderes Ereignis.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Das lässt sich das Land Niedersachsen 2,5 Millionen Euro an ESF-Mitteln und 500 000 Euro aus eigenen Landesmitteln kosten. Ziel ist die Vermittlung von Technik und Naturwissenschaften an Schülerinnen und Schüler sowie die Vermittlung von Kontakten zwischen Unternehmen und den Fachkräften von morgen.