Protocol of the Session on September 13, 2011

- Es ist sehr unruhig. Ich weiß, dass es noch etwas unruhiger wird, wenn ich klingele. Aber ich finde das dem Redner gegenüber immer etwas unfair. - Herzlichen Dank.

Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Schünemann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur zwei Tage nach der Kommunalwahl lässt Rot-Grün die Katze aus dem Sack: Herr

Briese, Herr Krogmann, Sie sagen hier unverblümt, dass Sie im Prinzip eine Gebietsreform von oben als Modell verfolgen - nicht mehr und nicht weniger. Vor der Kommunalwahl haben Sie noch genau das Gegenteil gesagt. Das muss man hier doch im Prinzip feststellen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Emmerich-Kopatsch?

Sehr gerne!

Frau Emmerich-Kopatsch!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister Schünemann, beim Landkreistag in Goslar hat Herr Ministerpräsident McAllister gesagt, dass man den Zukunftsvertrag verlängern wolle. Sollte die CDU noch einmal an die Regierung kommen, werde aber ab 2013 mit der Freiwilligkeit Schluss sein. Wie bewerten Sie erstens diese Aussage? Wie bewerten Sie zweitens Ihre eigene in Goslar getätigte Aussage, dass z. B. Goslar aus Ihrer Sicht nicht entschuldet werden könne - mir fehlt die Kenntnis, welche Einblicke Sie dazu haben -, wenn man nicht zur interkommunalen Zusammenarbeit bzw. zu Fusionen bereit sei. Ich habe den Zeitungsartikel extra aufgehoben.

(Johanne Modder [SPD]: Auch ich habe den!)

Ich kann ihn Ihnen zuleiten, falls Sie nicht wissen, was dort gesagt wurde.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Der Kollege Meyer und die Kollegin Tippelt beispielsweise haben noch vor wenigen Tagen für den Landkreis Holzminden erklärt, eine Fusion komme für sie niemals infrage. Jetzt, zwei Tage nach der Wahl, sagen Herr Briese und auf der anderen Seite Herr Krogmann: Wir brauchen strukturelle Gebietsreformen, weil wir es ansonsten

nicht in den Griff bekommen. - Dazu kann ich nur sagen: Ehrlichkeit ist wirklich etwas anderes!

(Beifall bei der CDU - Christian Meyer [GRÜNE] meldet sich zu Wort)

- Nein, im Moment keine weiteren Fragen. Ich will erst einmal reden. Anschließend kommen die Fragen an die Reihe.

(Zuruf von Jürgen Krogmann [SPD])

- Ich beantworte sie ja gleich. Ich möchte zunächst darstellen, wie die Ausgangsposition ausgesehen hat.

Zu Ihrer Frage. Wir haben mehrere Stufen im Bereich der kommunalen Zusammenarbeit eingeführt, nämlich erstens die Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit. Zweitens haben wir das Hesse-Gutachten in Auftrag gegeben, um zu erfahren, wo es Stabilisierungsbedarf gibt. In der dritten Phase haben wir einen Zukunftsvertrag abgeschlossen, um dann ganz konkret denjenigen Hilfestellung zu geben, die Stabilisierungsbedarf haben, also von einer interkommunale Zusammenarbeit bis hin zu freiwilligen Fusionen oder eine Entschuldungshilfe, wie wir es auch in anderen Bereichen gemacht haben. Danach ist klar: Wenn es in Regionen - mein Musterbeispiel ist immer LüchowDannenberg - tatsächlich eine Handlungsunfähigkeit und aus politischen Gründen im Kreistag eine Verweigerungshaltung geben sollte, kann es dazu kommen, dass man als Kommunalaufsicht handeln und selber etwas erreichen muss.

(Aha! bei den Grünen)

Das ist etwas völlig anderes, als wenn man eine strukturelle Veränderung und eine Gebietsreform von oben haben will. Sie haben es doch in der Schublade: acht bis zehn Regionen im Land. Herr Reuter ist der Einzige, der es offen zugegeben hat. Das wollen Sie für das gesamte Land. Genau darum geht es doch.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Das ist falsch, das wissen Sie! - Ralf Briese [GRÜNE]: Also doch eine teilweise Gebietsreform!)

Zu Goslar: Natürlich ist es richtig, zu versuchen, einen Entschuldungsantrag zu stellen. Das ist auch erfolgt. Daraufhin habe ich gesagt: Es ist ambitioniert, dies ohne interkommunale Zusammenarbeit erreichen zu wollen, weil man auch noch ein gewisses Maß ein freiwilliger Leistung gewährleisten muss, damit man noch handlungs

fähig ist. Deshalb ist es sinnvoller, zumindest auch über schlankere Strukturen nachzudenken und nicht nur in Verwaltung zu investieren. Insofern hat es Sinn, zumindest in dieser Region über interkommunale Zusammenarbeit bis hin zur Fusion nachzudenken.

Aber das ist der große Unterschied: Wir geben Instrumente an die Hand, dass man direkt vor Ort für sich selber entscheiden kann, ob man eine Fusion macht oder selber so viel spart, dass man in Zukunft einen ausgeglichenen Haushalt hat. Das ist kommunale Selbstverwaltung, wie sie meiner Ansicht nach bei uns in der Verfassung festgelegt ist. Sie dagegen ticken so, dass Sie sagen: Nein, so etwas können wir nur von oben anordnen. - Das ist der große Unterschied, den wir hier im Lande zu diskutieren haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Das ist falsch, Herr Minister!)

Meine Damen und Herren, der Zukunftsvertrag sagt noch sehr viel mehr aus. Es geht nicht nur um Entschuldungshilfe. Sie haben hier einen wichtigen Faktor völlig verschwiegen. Es ist doch klar: Nicht nur durch die Zusammenlegung von Verwaltung kann eine Region nach vorne gebracht werden, sondern es muss auch versucht werden, eine Leitlinie zu finden, wie Arbeitsplätze dort in Zukunft gesichert oder sogar neue Arbeitsplätze geschaffen werden können. Das ist der große Faktor, über den wir reden. Deshalb ist es sinnvoll, dass man sich in der Region zusammensetzt - und zwar nicht nur in einer kleinen Samtgemeinde, sondern das muss man auf Landkreisebene tun - und sagt: Wir wollen in den nächsten Jahren in dieser Richtung investieren. Das ist unser Bild, wie wir Arbeitsplatze generieren und die Wirtschaft unterstützen können.

Hier besagt der Zukunftsvertrag, dass wir in diesem Falle darauf sehen wollen, Wirtschaftsförderung zu bündeln und dort zusätzliche Wirtschaftsförderung zur Verfügung zu stellen. Das ist doch der wichtige Punkt: auf der einen Seite Entschuldungshilfe, Kassenkredite runter, und auf der anderen Seite Hilfe geben, damit sie selber in Zukunft mehr Arbeitsplätze und insofern auch mehr Geld generieren können. Das ist unser Angebot für die Kommunen, nicht mehr und nicht weniger.

(Zustimmung bei der CDU)

Daher finde ich es interessant, dass Sie immer behaupten, der Zukunftsvertrag werde überhaupt

nicht angenommen. Da müssen Sie doch einmal mit Ihren eigenen Leuten vor Ort sprechen. Ich habe ja schon einige Unterschriften geleistet. Das Loblied auf den Zukunftsvertrag können Sie dort überall nachlesen.

(Johanne Modder [SPD]: Das hält sich sehr in Grenzen!)

- Dann müssen Sie sich das einmal genau anschauen. Ich kann Ihnen einen Pressespiegel vorbeibringen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Dann müssen Sie sich anschauen, wie es aussieht, wenn man vor Ort wirklich eine Chance hat, sich selber aus dem Sumpf herauszuziehen. Die Stadt Bad Gandersheim wurde hier häufiger genannt. Das ist wirklich ein Musterbeispiel. Vorher war das eine völlig zerstrittene kommunalpolitische Landschaft, wo der Bürgermeister abgewählt wird usw. Ob das gerechtfertigt ist, ist gar nicht mein Punkt. Aber dann hat man dort die Chance gesehen, selber zu gestalten. Man hat sich zusammengerauft und geschaut, wo man tatsächlich etwas ändern kann. Man hat sogar dargestellt, wie man die Domfestspiele dort in Zukunft über eine Stiftung usw. absichern kann. Und plötzlich ist auch die Verschuldung so in den Griff zu bekommen, dass man mit Hilfe des Landes vor Ort wieder gestalten kann. Man ist bereit, darüber hinaus z. B. mit Kreiensen Fusionsverhandlungen zu führen.

Daran sehen Sie, dass die Verantwortlichen vor Ort sehr viel klüger sind, als Sie sie darstellen. Die Kommunalpolitiker, die jetzt gewählt worden sind, werden den Zukunftsvertrag annehmen und ihn als Gestaltungsmöglichkeit für ihre Zukunft sehen. Da können Sie ganz sicher sein und brauchen nicht dagegen zu reden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es wird immer so wunderschön dargestellt, wir nähmen anderen Kommunen etwas weg, weil wir das Entschuldungsprogramm des Zukunftsvertrages zu 50 % aus dem kommunalen Finanzausgleich mitfinanzieren. Anders als Sie liefern wir die Gegenfinanzierung immer gleich mit. Durch die Erhöhung der Grunderwerbsteuer ist dieser Teil im kommunalen Finanzausgleich schon insgesamt kompensiert worden.

Sie müssen sich die Urteile des Staatsgerichtshofs zum kommunalen Finanzausgleich durchlesen, auch zu dem Punkt Kassenkredite. Im Urteil des Staatsgerichtshofs steht, dass der Abbau der Kas

senkredite eine gemeinsame Aufgabe des Landes und der Kommunen insgesamt ist. Das heißt, wir machen genau das, was uns der Staatsgerichtshof vorgeschrieben hat. Dagegen versuchen Sie Stimmung zu machen. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.

Der Vorteil davon, dass die Kommunen entschuldet sind und in Zukunft ausgeglichene Haushalte haben werden, ist, dass sie nicht mehr am Tropf der Bedarfszuweisungen hängen und die Kommunen nicht mehr belasten. Wir machen es anders als Sie: Wir legen Wert darauf, dass sie nachhaltig entschuldet sind. Damals, im Jahr 2000, haben Sie nur Geld in den Harz gegeben und nach vier Jahren eine höhere Verschuldung gehabt als vorher.

(Fritz Güntzler [CDU]: So war es!)

Das ist mit uns nicht zu machen. Wir machen vernünftige Politik und sind Partner der Kommunen. Das haben Sie gesehen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Herr Minister. - Nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung hat Herr Meyer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen um zusätzliche Redezeit gebeten. Herr Meyer, Sie haben zwei Minuten.

(Jens Nacke [CDU]: Was soll denn dabei herauskommen? Es geht doch gar nicht um Hühner!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich gemeldet, um die Unterstellung des Innenministers zurückzuweisen, der mich und die Kollegin Tippelt namentlich genannt hat. Er hat behauptet, SPD und Grüne würden, was den Landkreis Holzminden angeht, auf jeden Fall eine Gebietsreform von oben machen. Ich verweise hierzu auf den schriftlichen Bericht von Herrn Hiebing zum Gesetz, der uns allen vorliegt. Daraus zitiere ich:

„Das Ausschussmitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erläuterte im federführenden Ausschuss, dass für seine Fraktion eine ‚Kommunalreform von oben’ nicht in Frage komme.“

So weit die Stellungnahme der Fraktion.

(Beifall bei den GRÜNEN)