Protocol of the Session on July 1, 2008

Lassen Sie mich an dieser Stelle auf eines hinweisen - denn das ist in der Tat ein ernstes Problem -: Das betrifft vor allem die ältere Generation in diesem Land, die mit dem, was von ihr gefordert wird, zum Teil überfordert ist. Aus vielen persönlichen Gesprächen mit Vertretern des Diakonischen Werkes, des Caritasverbandes und anderen ist mir bekannt, dass manch Ältere wirklich übervorteilt worden sind. In dieser Frage besteht Handlungsbedarf und Handlungsdruck. Wir schieben das schon viel zu lange vor uns her. Ich denke, hier sind wir gefordert, deutliche Signale auszusenden. Dafür, meine Damen und Herren, werbe ich um Ihre Unterstützung. Wenn wir erst einmal so weit gekommen sind, dann müssen wir den Bund gemeinsam zum Jagen tragen. Dann schaffen wir das.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Thümler. Sie sind genau in der Zeit geblieben. - Als nächster Redner hat sich Herr Lies von der SPD-Fraktion gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Thümler, Ihre Forderungen sind wieder einmal richtig; schon beim letzten Mal konnte ich Ihre Forderungen unterstützen. Trotzdem würde ich gern ein Zitat anführen:

„Wieder einmal schlug bei uns ein unerbetener Werbeanruf morgens im Büro auf. Es meldete sich mit Rufnummernübertragung eine Frau Dolores S. von der Agentur für die CDU in Niedersachsen

(Heiterkeit bei der SPD und bei der LINKEN). und stellte uns die Zeitschrift Magazin für Niedersachsen vor. Die Werbeanruferin versuchte nun, uns dazu zu bewegen, doch in dem Magazin eine Anzeige für läppische 2 990 Euro“ - ach, wie preiswert! - „zu schalten.“ (Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Und, haben Sie es gemacht?)

„Hierzu wollte sie nun einen Außendiensttermin mit Herrn K. vereinbaren.“

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Haben Sie die Anzeige denn nun geschaltet, oder haben Sie sie nicht geschaltet?)

- Ich glaube, sie wurde nicht geschaltet. Insofern war der Werbeanruf nicht erfolgreich.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Herr Thümler, Ihre Forderungen sind vollkommen richtig. Ich würde mir aber wünschen, dass auch die CDU in Niedersachsen - das ist nach dem 2004 erlassenen Gesetz vorgekommen - keine Werbeanrufe mehr tätigt und keine unerlaubte Telefonwerbung mehr macht.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Auf den Wunsch nach Abgabe einer Unterlassungserklärung gab es im Übrigen noch keine Antwort. Vielleicht können Sie das im Zuge der heutigen Diskussion nachholen.

(Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Wir wollten doch nur mal sehen, ob Sie bei den Sozialdemokraten bleiben wollen!)

Ich denke, das würde Ihrer Partei gut zu Gesicht stehen.

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, das Schlimme daran ist, dass dadurch in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wird, als würden wir über etwas diskutieren, was wir selber nicht ernst nehmen. Davor sollten wir uns hüten. Insofern glaube ich, dass dieser Anlass sehr ernst ist.

Welche Risiken bestehen bei Werbeanrufen? Ich denke, viele von uns haben das schon einmal erlebt: Man wird überrumpelt, übertölpelt, hat kaum Zeit, zu überlegen, oder ist mit einer Antwort relativ schnell in der Situation, eine angebotene Ware tatsächlich zu kaufen.

Ganz besonders schlimm - wir erleben das in den letzten Monaten sehr intensiv - geht es zurzeit in der Telekommunikationsbranche bzw. beim Wechsel der Telekommunikationsanbieter zu. Hier stellt sich die Frage - es ist wichtig, diese Frage inhaltlich zu klären -: Ist Telefonwerbung eigentlich grundsätzlich verboten?

Hierzu liegt ein Gesetzentwurf vor. Ich denke, ein wesentlicher Teil dieses Gesetzentwurfes macht deutlich, wie schwierig das ist. Es geht nämlich darum, dass der Anrufer nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Angerufenen oder dann, wenn dieser ein schlüssiges Verhalten zeigt, das seine Einwilligung deutlich macht, die Möglichkeit hat, einen solchen Werbeanruf durchzuführen. Mit „schlüssigem Verhalten“ wird darauf abgestellt, dass der Verbraucher nicht ausdrücklich ablehnt, dieses Gespräch führen zu wollen.

Ich denke, das, was Herr Thümler gerade gesagt hat, ist entscheidend: Wir müssen gemeinsam eine Initiative für mehr Schutz für die Bürgerinnen und Bürger starten. Wir müssen dabei aber auch im Blick haben, welche Institutionen eigentlich diejenigen sind, die den Bürgerinnen und Bürgern dabei helfen. Nicht nur in Niedersachsen, sondern auch

bundesweit sind das die Verbraucherschutzorganisationen.

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das sind die Organisationen, die wir brauchen, und das sind die Organisationen, an die sich die Bürgerinnen und Bürger wenden. Insofern bin ich Ihnen dankbar, dass Sie heute einen solchen Antrag zur Aktuellen Stunde eingebracht haben, wundere mich aber, dass das gerade CDU und FDP getan haben. Denn Sie haben nicht mehr 1,6 Millionen Euro, die noch im Jahre 2002 bereitgestellt wurden, sondern im Jahre 2007 nur noch 1 Million Euro für die Verbraucherschutzorganisationen, die für die Bürger die Ansprechpartner sind, zur Verfügung gestellt.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Das stimmt! Damit müssen sie auskommen!)

Inzwischen finden jährlich 320 Millionen unaufgeforderter telefonischer Werbekontakte statt. Ich finde es wichtig, dass wir dieses Thema etwas breiter fassen. Denn es handelt sich dabei nicht nur um Telefonkontakte, sondern auch um Haustürgeschäfte, Werbemails und Werbebriefe. Es gibt also eine Reihe von Problemen. Inzwischen haben viele Menschen Schwierigkeiten, aus diesen Situationen herauszukommen.

Ich möchte mich kurzfassen, weil ich nur wenig Zeit habe. Lassen Sie uns gemeinsam an diesem Thema arbeiten. Wir sollten aber vorsichtig vorgehen. Gerade im Hinblick auf die Telekommunikationsbranche ist das für viele Menschen ein sehr großes Handicap. Denn es geht um Situationen, aus denen sie nur schwer herauskommen. Lassen Sie uns daran arbeiten, aber bitte auch vernünftig über die genannten sechs Forderungen diskutieren.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Meine Damen und Herren, jetzt hat Herr Adler von der Fraktion DIE LINKE das Wort. Er hat noch 2:49 Minuten Redezeit.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verbraucherinnen und Verbraucher hängen nach wie vor in der Warteschleife. Bis auf Weiteres werden sie täglich weit über 800 000 unerwünschte Anrufe erhalten, und nur mit größten Schwierigkeiten werden sie aus den Verträgen herauskommen, die ihnen hierbei untergeschoben werden - wenn überhaupt.

Das Problem ist, dass sich die bisherigen rechtlichen Instrumentarien, die dagegen entwickelt worden sind, als stumpfes Schwert erwiesen haben. Es gibt unklare Formulierungen, die einfach nicht handhabbar sind. So heißt es in § 7 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb,

„bei einer Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung oder gegenüber sonstigen Marktteilnehmern ohne deren zumindest mutmaßliche Einwilligung“

sei „eine unzumutbare Belästigung … anzunehmen“. Das ist unzureichend. Ebenso unzureichend ist die Formulierung im BGB. Dort werden in § 312 d bestimmte Anrufer von den Sanktionen praktisch ausgeschlossen. Man muss sich nur ansehen, welche Firmen dahinterstecken. Ausdrücklich in den Ausnahmetatbestand aufgenommen wurde z. B. das Lotteriewesen. Man kann sich vorstellen, welche Lobby sich da beim Gesetzgebungsverfahren durchsetzen konnte.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen in der Tat ein Instrumentarium finden, das wirksam ist. Wirksam ist es nur, wenn es für die Verantwortlichen unwirtschaftlich wird, einen solchen Telefonterror auszuüben. Die Linke fordert eine gesetzliche Regelung, wonach telefonisch abgeschlossene Verträge erst dann in Kraft treten, wenn sie von den Verbraucherinnen und Verbrauchern schriftlich bestätigt werden. Dann ginge die Überrumpelungsstrategie der Werbefirmen nämlich nicht mehr auf.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie mich noch eines sagen: Diejenigen, die anrufen, arbeiten häufig in sogenannten Callcentern. Das sind meistens sehr schlecht bezahlte Jobs, und das ist auch eine ziemlich unwürdige Arbeit. Denn die armen Menschen, die in diesen Callcentern arbeiten müssen, müssen tagtäglich erleben, dass sie in ihrer Arbeit eigentlich nur

Misserfolge erleiden, bis auf wenige Ausnahmen. Ich denke, wir sollten dafür eintreten, dass diese Menschen in Zukunft menschenwürdige Arbeitsplätze bekommen und nicht mehr in diesen unwürdigen Callcentern arbeiten müssen.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Riese das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Adler macht es sich natürlich ein bisschen einfach, wenn er sagt, dass Verträge grundsätzlich der Schriftform bedürfen. Diejenigen von uns, die von sich aus aktiv Internet und Telefon benutzen und schon einmal mithilfe einer EMail einen Vertrag abschließen, wollen diese Form nicht.

Notwendig ist, wenn ein unverlangter Anruf, den ich wie alle Vorredner schätze wie einen Kiesel im Schuh, eingeht, dass derjenige, der mir eine Leistung anbietet, namentlich einen Vertrag mit einem Dauerschuldverhältnis, den Nachweis führt, dass dieser Vertrag wirksam zustande gekommen ist und insbesondere dass er das Recht nicht verletzt hat.

Der erwähnte § 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb sagt doch schon in der Gegenwart ganz eindeutig, dass der unverlangte Anruf unzulässig ist. Die Frage ist nur: Wie wehrt man sich dagegen? - Auch das ist im Wettbewerbsrecht einigermaßen abgebildet. Ich kann mich an eine Verbraucherschutzorganisation wenden. Die kann ein Abmahnverfahren in Gang setzen.

Wenn wir einmal ehrlich miteinander sind, müssen wir zugeben, dass diese Abmahnverfahren, insbesondere wenn sie von professionellen Abmahnvereinen betrieben werden, auch nicht immer der Weisheit letzter Schluss sind. Damit wird viel Unfug betrieben. Auch Dinge, über die an und für sich gegenseitiges Einverständnis herrscht, werden plötzlich benutzt, um Abmahngebühren durchzusetzen. Das ist ein Zustand, den wir mit Vorsicht betrachten müssen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es ist ganz eindeutig, dass die Verbraucher geschützt werden müssen, insbesondere vor den negativen Folgen von Ver

trägen, die in der Eile abgeschlossen wurden. Das heißt, das Recht zum Widerruf muss ausgebaut werden.

Die meisten Besitzer eines Telefons haben heute ein Telefon mit der Möglichkeit der Rufnummernanzeige. Ich sage deutlich: die meisten. Es gibt auch noch die Witwe Bolte mit dem Wählscheibentelefon von 1956. Insofern ist es nicht ganz ausreichend, die Pflicht zur Rufnummernanzeige in die Gesetze hineinzuschreiben, weil das unter Umständen an der einen oder anderen Stelle den Verbraucher nötigen würde, sich ein neues Telefon zu kaufen. Das kann, glaube ich, auf diesem gesetzlichen Wege nicht erreicht werden.