Protocol of the Session on July 1, 2008

Die meisten Besitzer eines Telefons haben heute ein Telefon mit der Möglichkeit der Rufnummernanzeige. Ich sage deutlich: die meisten. Es gibt auch noch die Witwe Bolte mit dem Wählscheibentelefon von 1956. Insofern ist es nicht ganz ausreichend, die Pflicht zur Rufnummernanzeige in die Gesetze hineinzuschreiben, weil das unter Umständen an der einen oder anderen Stelle den Verbraucher nötigen würde, sich ein neues Telefon zu kaufen. Das kann, glaube ich, auf diesem gesetzlichen Wege nicht erreicht werden.

Trotzdem, wer diese Rufnummernanzeige hat, dem würde natürlich mit dem Vorschlag der FDP, dass alle Organisationen, die solche Anrufe machen, mit einer eindeutigen Vorwahl identifiziert werden können, sehr geholfen, weil er dann schon im Display sieht: Das ist eine Nummer eines solchen Callcenters; diesen Anruf will ich heute gar nicht annehmen. - Insofern könnte das eine Hilfe sein, vorausgesetzt, sowohl derjenige, der anruft, als auch derjenige, der den Anruf erhält, verfügt über ein solches modernes Telefon.

Verbraucheraufklärung ist notwendig. Sie muss sicherlich weiter verstärkt werden. Das geht u. a. über die Verbraucherzentralen, die wir in Niedersachsen haben, aber auch über die einschlägigen Seiten in Tageszeitungen, über den täglichen Verbraucherschutzhinweis im NDR, den ich selber mit großem Gewinn und Nutzen höre, und natürlich auch durch Zeitschriften, die im Handel erhältlich sind und sich mit anderen Materien beschäftigen, aber irgendwo immer noch eine kleine Verbraucherschutzseite haben.

Meine Damen und Herren, um im System zu bleiben, müssen wir natürlich an die Eigenverantwortung der Wirtschaft appellieren. Wir müssen das Instrument der Robinsonliste im Standard höher ansiedeln. Es muss nutzbar sein. Die schwarzen Schafe lesen die Robinsonliste natürlich nicht. Aber gegen die sind schon Instrumente auf dem Wege; ich habe einige davon beschrieben.

Die Bußgeldvorschrift, die, glaube ich, der Kollege Thümler hier in Erinnerung gerufen hat, wird zurzeit auf Bundesebene diskutiert. Wenn die Große Koalition das tut, was sie ankündigt, dann wird es noch vor der Sommerpause ein Gesetz geben. Wir warten darauf. Ich habe nur die Ankündigung der Eckwerte gesehen, und von den Eckwerten bis zum Gesetz ist es ja manchmal noch ein weiter

Weg, habe ich mir neulich sagen lassen. Trotzdem: Die Eckpunkte sind da. Das Instrument der Ordnungswidrigkeit - Bußgeld bis zu 50 000 Euro - gehört - das muss man dazu sagen - systematischerweise nicht ins UWG, vielleicht aber ins Telekommunikationsgesetz; da könnte man sich das vorstellen.

Meine Damen und Herren, ich nehme an, dass die meisten, die in dieser Weise angerufen werden, es nicht mit Jeremia 29, Vers 12 halten, wo es heißt:

„Und ihr werdet mich anrufen und hingehen und mich bitten, und ich will euch erhören.“

Die meisten Verbraucher werden nicht erhören wollen. Sie haben allerdings auch die Möglichkeit, aufzulegen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt hat Herr Meyer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Grüne freuen uns natürlich sehr, dass die CDU unseren Entschließungsantrag gegen Telefonterror und für mehr Verbraucherschutz gleich aufgegriffen und zum Gegenstand einer Aktuellen Stunde gemacht hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das gibt uns Gelegenheit, ausführlich über die Defizite und Versäumnisse der Landesregierung beim Verbraucherschutz zu sprechen.

Gefreut hat mich aber natürlich, dass wir bei den meisten der sieben Forderungen in unserem Antrag zu Verbesserungen im Verbraucherschutz und für einen sicheren Rechtsschutz Konsens haben. Ich habe bei fünf oder sechs Forderungen einen Haken gemacht. Was noch fehlt und was ich für sehr wichtig halte, ist die schriftliche Bestätigung von am Telefon abgeschlossenen Verträgen. Da wird man überfallen, und wenn man einmal Ja sagt statt viermal Nein, ist der Vertrag gültig, auch wenn der Anruf illegal zustande gekommen ist. Das ist eine Rechtslücke, die man schließen muss. Das würde es diesen Callcenterfirmen sehr erschweren. Ich würde mich freuen, wenn das, was im Bundesrat von Baden-Württemberg vorliegt - da wird genau das gefordert; auch NRW und Bremen fordern das in gemeinsamen Erklärungen -, auch

von der Landesregierung unterstützt würde, weil es diesem Telefonterror einen wirksamen Riegel vorschieben würde.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Wir wollen die Praxis der schwarzen Schafe der Callcenterabteilungen beenden. Das ist unlauterer Wettbewerb zu miesen Arbeitsbedingungen und Niedriglöhnen und schafft verärgerte Konsumenten. Deshalb handelt man, wenn man gegen diesen Telefonterror vorgeht, im Sinne nicht nur der Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern auch der fairen und ehrlichen Unternehmen.

Es wurde angesprochen: Mindestens so wichtig wie rechtliche Verbesserungen, über die wir uns hoffentlich bald einig werden, ist eine gute Verbraucherberatung in Niedersachsen. Da hat Ihnen der Verbraucherschutzbericht 2008, der seit dieser Woche vorliegt, gerade ein ganz schlechtes Zeugnis ausgestellt. Niedersachsen ist in den letzten zwei Jahren im Ländervergleich um weitere drei Plätze abgerutscht. Bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Verbraucherberatung liegt das Flächenland Niedersachsen an vorletzter Stelle aller Bundesländer. Acht von 28 Verbraucherberatungsstellen, zu denen man gehen kann, um sich gegen Telefonterror zu wenden, sind in Ihrer Regierungszeit geschlossen worden. Die Mittel wurden - das wurde schon gesagt - von 1,6 Millionen Euro auf 1 Million Euro gekürzt. Dafür sind CDU und FDP verantwortlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

In der Summe - das wurde mal so schön gesagt - gibt das Land nur 18 Cent pro Kopf und Jahr für den Verbraucherschutz aus. Das ist weniger als für eine Kugel Eis. Damit liegt Niedersachsen weit unter dem Durchschnitt der Bundesländer.

Wir brauchen also zweierlei: Zum einen müssen wir den Rechtsschutz wirklich verbessern, ein klares Widerrufsrecht für den Verbraucher in allen Fällen schaffen, den Verbraucher auch als eigenständigen Anspruchsberechtigten sehen, der auch selbständig klagen kann und nicht nur auf die Verbraucherverbände angewiesen ist, und wir müssen zum anderen zukünftig die Rufnummerunterdrückung verbieten und mit einem Bußgeld bewehren; wir müssen die gesetzlichen Grundlagen so anpassen, dass es einer schriftlichen Bestätigung des Verbrauchers bedarf, und wir müssen auch dazu kommen, dass abgeschöpfte Gewinne

dann dem Verbraucherschutz zugute kommen können, dass es bei Unternehmen, wenn sie grob fahrlässig handeln, strengere Maßstäbe gibt.

Ich will als Letztes noch einmal sagen, wie weit die Missstände schon sind. Es gibt 60 Millionen Werbeanrufe in einem Vierteljahr, 800 000 Anrufe pro Tag; das sind 800 000 Belästigungen, 800 000 Störungen der Privatsphäre.

Die Verbraucherzentrale hat am 20. Juni 2008 eine Pressemitteilung herausgegeben und hat vor falschen Verbraucherschützern gewarnt. Es gibt da einen „Verein“, der nennt sich „Bundesverband Verbraucherservice - Sektion gegen Werbebelästigung“; der ruft die Leute an und sagt: Sie können bei uns für 99 Euro im Jahr Mitglied werden, und dann schützen wir Sie wirksam gegen Werbeanrufe. So weit kommt es also schon, dass sich da Firmen als Verbraucherschützer aufspielen!

Ich möchte mit dem Hinweis schließen, dass die Verbraucherzentrale dazu gesagt hat - sie warnt natürlich vor diesen Abzockern, die mit dem Problem Schindluder treiben -:

„Lästige Telefonwerbung mit untergeschobenen Verträgen ist derzeit kaum zu unterbinden. Die Verbraucherzentralen fordern deswegen schon seit längerem den Gesetzgeber dazu auf, hier endlich regulierend tätig zu werden und diesen unseriösen Telefonwerbern das Handwerk zu legen.“

Wenn wir hier auf der Grundlage unseres Antrags mit allen Fraktionen zu einem Konsens kommen, im Bundesrat die entsprechenden Initiativen zu unterstützen und auch die Bundesregierung dazu zu bringen, am besten noch vor der Sommerpause ein wirklich wirksames Gesetz vorzulegen, dann werden viele Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen nicht nur ruhiger schlafen, weniger gestört sein, sondern wir würden auch etwas für die ehrlichen Unternehmen in Niedersachsen tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, jetzt hat sich Herr Minister Busemann zu Wort gemeldet. - Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, dass wir in dieser Frage, was den Hand

lungsbedarf anbelangt, doch einen gewissen Grundkonsens haben. Es geht vor allem gegen schwarze Schafe. Deshalb erlaube ich mir den Hinweis, dass es auch weiße Schafe in der Branche gibt, und es gibt eine durchaus erlaubte Telefonwerbung.

(Unruhe)

Das ist ein Teil unserer Marktwirtschaft, die sonst nicht so funktionieren würde, wenn es das nicht gäbe. Auch die politischen Parteien haben das ja entdeckt. Nun hatte ich selber von der „Dolores“ der CDU keinen Anruf, aber ich denke, die anderen Parteien haben auch so etwas wie eine „Dolores“ oder wie auch immer.

(Zurufe)

- Bei Ihnen nicht? - Die hat ja bei Ihnen auch nicht angerufen, nicht? - Sei es drum!

Meine Damen und Herren, einig sind wir uns darin: Jedwede Form einer unerlaubten Telefonwerbung oder eines Telefonterrors ist unerwünscht, muss unterbunden werden. Es gibt kaum jemanden, der im privaten Bereich nicht schon mal genervt, gestört, gelinkt worden und sauer ist und sich fragt: Wie war das denn möglich, und an wen muss man sich hier halten?

Ich wäre eigentlich auch dagegen, es so sehr stark auf Verbraucherschutz und die Frage, wie da die Mittelbewilligung ist, usw. zu reduzieren. Es ist fast schon mehr, es ist eine Sache von Bürgerschutz, dass wir uns solchen unerlaubten Machenschaften entgegenstellen. Darauf kann man sich durchaus verständigen.

Für die Regierung will ich ganz deutlich sagen, dass wir der Auffassung sind, dass unerbetene Telefonwerbung und die Rufnummerunterdrückung mit empfindlichen Bußgeldern zu ahnden sind. Hier fiel eben das Wort „Straftat“, Herr Kollege Meyer. In den Straftatbestand wollen wir es nicht führen, aber in den Bußgeldtatbestand, und dann wollen wir auch mit empfindlichen Bußgeldern dagegen vorgehen.

Auf dieser Linie haben wir uns als Justizministerium auch in dem vorbereitenden Gesetzgebungsverfahren des Bundesjustizministeriums eingelassen. Der Referentenentwurf liegt dort auf dem Tisch. Wir haben uns auch in dieser Richtung geäußert.

Nun muss man so ein bisschen aufpassen. Wenn in der Kernfrage irgendwo Einigkeit ist, dann stellt sich trotzdem die Frage: Wie weit kann man ge

hen, droht auch die Gefahr einer gesetzlichen Überregulierung, hat es am Ende auch negative Auswirkungen auf unser Wirtschaftsleben, auf unsere privaten Abläufe, wo man dann sagt, ganz so wollten wir das auch nicht haben?

Ich gebe Ihnen mal drei Beispiele, die dann auch für die spätere Debatte - Donnerstag kommt hier ja noch einmal das gleiche Thema zur Sprache; aber auch für die Debatte im Ausschuss - zum Nachdenken anregen.

Erster Punkt: Wir werden nicht jedem Kleinunternehmer in Deutschland zumuten wollen, dass ihn jeder unzufriedene Kunde mit der Behauptung, er betreibe an irgendeinem Punkt unzulässige Werbung, verklagen kann. Dahin könnten wir nämlich kommen, wenn es etwa ein Klagerecht nach dem UWG für jeden Verbraucher gäbe. Das ist ja die Vorstellung im Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Zweiter Punkt: Ebenso wenig, meine Damen und Herren, werden alle Ausnahmen vom Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 312 d Abs. 4 BGB ohne Weiteres gestrichen werden können. Denn ansonsten - praktisches Beispiel - könnten Sie auch eine Pizza, nach Ihren Wünschen garniert, am Telefon bestellen, sie verzehren oder auch zu Hause schlecht werden lassen und anschließend die Bestellung binnen zwei Wochen widerrufen und Ihr Geld zurückverlangen. - Ich denke, es leuchtet ein, die Streichung solcher Ausnahmen will wohlüberlegt sein.

Noch ein dritter Punkt: Eine sicherlich nicht gewünschte Bevormundung des Verbrauchers könnte auch drohen, wollte man für alle Verträge, die aus Anrufen von Unternehmern resultieren, pauschal eine schriftliche Bestätigung des Verbrauchers fordern. Ein kleines Beispiel hierfür: Sie sehen meinetwegen auf der Infa bei einem Aussteller von Gartendekoration eine schöne Figur für Ihren Gartenteich; sie ist ein bisschen sperrig. Die Begleitung zieht dann auch weiter. Also lassen Sie Ihre Visitenkarte dort und erbitten einen Anruf für Montag. Der Hersteller ruft an, und Sie einigen sich - Herr Briese möglicherweise - auf die Zusendung eines tönernen grünen Zierfrosches für Ihren Teich für 25 Euro.

(Heiterkeit)

Vor der Lieferung müssten Sie das allerdings schriftlich bestätigen, damit der Vertragsschluss wirksam wird, und der Verkäufer müsste Sie noch schriftlich über Ihr Fernabsatzwiderrufsrecht beleh

ren und abwarten, bis diese Frist abgelaufen ist, ehe er liefert.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Der ist doch erwünscht gewesen, der Frosch!)