Protocol of the Session on July 1, 2008

Ich habe in der letzten Sitzung schon darauf hingewiesen: Das Ergebnis der Landtagswahl in Hessen war ein anderes als das in Niedersachsen. Dem folgten auch andere parlamentarische Mehrheiten. Aber zur Situation in Hessen brauche ich nicht mehr zu sagen. Sie kennen sie genauso gut wie wir.

Aber einen Punkt möchte ich noch einmal betonen, Herr Dr. Sohn: Hier ist eben behauptet worden, uns gehe es ausschließlich darum, Bildung zur käuflichen Ware verkommen zu lassen. Ich will an dieser Stelle ausdrücklich betonen: Uns geht es darum, dass die Studentinnen und Studenten, die an niedersächsischen Hochschulen studieren, dort Bedingungen vorfinden, die so gut sind, dass sie in die Lage versetzt werden, einen schärfer gewordenen internationalen Wettbewerb zu bestehen. Das ist das entscheidende Argument.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Wenn sie es sich leisten können!)

Es geht uns auch darum, diesen Studentinnen und Studenten und auch den nachfolgenden Generationen von Studenten nicht einen Schuldenberg zu hinterlassen, den sie niemals abtragen können.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Das heißt, das Thema Bildungsinvestitionen mit dem Thema Haushaltskonsolidierung zu verknüp

fen, ist der Kern der Politik dieser Landesregierung.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Hinzuzufügen ist - auch das ist uns ja immer wieder vorgeworfen worden -: Mit dem Zukunftsvertrag, der ja auch etwas mit Studienbeiträgen zu tun hatte, wollten wir deutlich machen, dass die Einführung von Studienbeiträgen eben nicht dazu führen wird, dass sich das Land Niedersachsen aus seiner Verantwortung zurückzieht. Mit dem Zukunftsvertrag haben wir keine Kostenfalle erzeugt, sondern mit Einführung der Studienbeiträge ist auch der staatliche Zuschuss gestiegen, und zwar stellen wir im laufenden Haushaltsjahr für Hochschulen und Forschung insgesamt 300 Millionen Euro mehr zur Verfügung, als es in den Vorjahren der Fall war. Von diesen 300 Millionen Euro stammen zugegebenermaßen 85 Millionen Euro aus dem Aufkommen aus Studienbeiträgen.

Warum berichte ich das hier noch einmal? - Weil auf allen Ebenen eine ganz klare Tendenz erkennbar ist: Wenn die betroffenen Studentinnen und Studenten an der Finanzierung des Studiums beteiligt werden, dann fällt es dem Haushaltsgesetzgeber und auch der Exekutive in schwierigen finanziellen Zeiten natürlich auch viel schwerer, sich aus der Verantwortung zu ziehen, als wenn es einen solchen Beitrag nicht gäbe. Das heißt - umgekehrt -, das Zahlen der Studienbeiträge macht Sinn. Wir in Niedersachsen haben den Beweis dafür angetreten. Natürlich würde ich als zuständiger Ressortminister jede weitere Million mit Freude entgegennehmen, um sie in den Hochschulbereich zu stecken. Aber das, lieber Herr Sohn, ist mit der Forderung nach einer soliden Konsolidierung unserer Haushalte nicht in Einklang zu bringen.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Doch! Wir helfen Ihnen!)

Zum Thema Vermögensteuer ist schon alles gesagt worden.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Oh nein!)

- Doch, natürlich. Dass die Vermögensteuer vom Bundesverfassungsgericht ausgesetzt worden ist bzw. dass das Bundesverfassungsgericht ihre Aussetzung vorgegeben hat, ist völlig klar.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Aber nur, weil sie falsch gestaltet war!)

Es gab nämlich Probleme im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz. Aus einer Wiedereinführung dieser Steuer würden enorme bürokratische Aufwendungen resultieren. Das führt u. a. dazu, dass auch die Große Koalition in Berlin bisher gesagt hat: Das tun wir uns derzeit nicht an. - Der Bundesfinanzminister gehört übrigens, wie jeder weiß, der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands an.

Wenn Sie einmal in Berlin sind - das sage ich auch den Besucherinnen und Besuchern auf den Rängen; denn das ist wichtig -, dann schauen Sie sich bitte an, was die rot-rote Koalition in Berlin im Hinblick auf Konsolidierung und Kürzungen mit den dortigen Hochschulen gemacht hat. Meine Damen und Herren, das Ausmaß, in dem dort in die Haushalte der Hochschulen eingegriffen wurde, ist in der gesamten Bundesrepublik Deutschland einzigartig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Außerdem werden in Berlin höhere Kindergartengebühren als in anderen Ländern erhoben.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist linke Politik! Ganz genau! - Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Aha! Das ist ja in- teressant!)

Damit bin ich bei meinem nächsten Stichwort. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass Ihnen die versammelte Wissenschaft in Deutschland und alle, die sich, in welcher Form auch immer, mit diesem Thema befassen, zum Thema Abschreckung sagen werden: Die Einführung von Studienbeiträgen hat nur sehr wenig mit der Bildungsmobilität zu tun; dabei geht es um die Frage, wie groß der Anteil der Kinder aus bildungsfernen Schichten ist, der eine Universität besucht.

Es ist doch kein Zufall, dass ausgerechnet in den Ländern, in denen es Studienbeiträge gibt - das gilt auch für unsere europäischen Nachbarländer, z. B. für die skandinavischen Länder -, eine viel höhere Bildungsmobilität vorherrscht als in Deutschland, obwohl an unseren Hochschulen über 30 Jahre lang Gebührenfreiheit herrschte. Die Gebührenfreiheit hat keinen Beitrag dazu geleistet, die Bildungsmobilität zu verbessern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Das ist Quatsch!)

Die Wissenschaftler können Ihnen auch sagen, womit das zusammenhängt. Das hat seine Ursachen im Kindergarten- und im Schulbereich. Es ist

richtig - Kollege Nacke hat darauf hingewiesen -, dass Niedersachsen das Bundesland in Deutschland ist, das sich mit allem Nachdruck um die frühkindliche Bildung und um eine Verbesserung der Situation in unseren Kindergärten kümmert,

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Was? Bei der frühkindlichen Bildung sind wir doch Schlusslicht!)

um im Ergebnis dafür Sorge tragen zu können, dass auch die Kinder, die sich das unter normalen Umständen nicht leisten könnten, studieren können. Meine Damen und Herren, das ist das Thema.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Bei der früh- kindlichen Bildung sind Sie Schluss- licht!)

- Ihnen, lieber Herr Jüttner, will ich von einer interessanten Debatte berichten, die wir im Rahmen der Kultusministerkonferenz geführt haben. Uns wurde, wie Sie wissen, der Bildungsbericht vorgelegt. Bevor wir überhaupt seine Inhalte zur Kenntnis nehmen konnten, meldete sich die Kollegin Stange aus Sachsen zu Wort - sie war einmal stellvertretende Vorsitzende der GEW - und verwies auf diesen Zusammenhang.

Daraufhin haben die anwesenden Wissenschaftler, die den Bildungsbericht für uns angefertigt haben, ausgeführt - das können Sie im Protokoll nachlesen -: In keiner Befragung unter Studenten kam man zu dem Ergebnis, dass der Umstand, ob Studienbeiträge erhoben werden oder nicht, Einfluss auf die Entscheidung für einen bestimmten Studienort oder Studiengang hatte. Dafür gebe es letztlich ganz andere Gründe, beispielsweise die Standortnähe oder die Qualität.

Ich habe bereits beim letzten Mal auf Folgendes hingewiesen: Die Universitäten, denen die höchste Qualität unterstellt wird, haben auch bei den Anfängerzahlen den größten Zuwachs. Wir sind stolz darauf, dass der Zuwachs bei den Anfängerzahlen in Niedersachsen doppelt so hoch ist wie im Bundesdurchschnitt. In Göttingen beträgt er 25 %, in Niedersachsen insgesamt 9 %. In Niedersachsen ist der Zuwachs bei den Anfängerzahlen übrigens auch höher als im beitragsfreien Rheinland-Pfalz, das sozialdemokratisch dominiert ist.

Noch eine letzte Bemerkung. Liebe Frau Lesemann, Sie haben vorhin gesagt, bei den Fachhochschulen sei es im Jahr 2007 zu einem Minus

von 11 % gekommen. Die richtige Zahl lautet: plus 16,5 %.

(Ursula Körtner [CDU]: So gehen die mit Zahlen um!)

Ich möchte Sie bitten, etwas seriöser mit den Zahlen umzugehen.

Ich denke, die Argumente sind immer und immer wieder ausgetauscht worden. Lassen Sie uns diese Diskussion doch jetzt bitte auch auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse vorantreiben, damit wir in Niedersachsen u. a. zu einem wirklich vorbildlichen Stipendienmodell kommen, an dem sich andere Länder orientieren können. Das ist das Ziel, das ich gerne mit Ihnen zusammen realisieren würde. Ich würde mich freuen, wenn Sie dabei konstruktiv mitwirken würden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Adler von der Fraktion DIE LINKE hat sich zu Tagesordnungspunkt 8 zu Wort gemeldet. Die Redezeit der Landesregierung wurde überschritten. Ich erteile Ihnen nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung inklusive Ihrer Restredezeit von 28 Sekunden zwei Minuten Redezeit. - Bitte schön, Herr Adler!

Danke schön. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dieser Debatte wurde im Hinblick auf unseren Gegenfinanzierungsvorschlag der Vermögensteuer schweres Geschütz ins Feld geführt. Es hieß, das seien Vorschläge von Kommunisten, und Sie von der Regierungskoalition sprachen von einem Systemwechsel hin zur Planwirtschaft.

Ich will nur einmal daran erinnern, dass es in der Bundesrepublik Deutschland jahrzehntelang eine Vermögensteuer gegeben hat, dass sie im Grundgesetz ausdrücklich erwähnt ist, nämlich bei der Regelung der Gesetzgebungskompetenzen, und dass das Bundesverfassungsgericht, Herr Stratmann, die Vermögensteuer lediglich so, wie sie ausgestaltet war, für verfassungswidrig erklärt hat; denn es gab eine Ungleichbehandlung bzw. Privilegierung des Immobilienbesitzes. Niemand kann den Gesetzgeber aber daran hindern, die Vermögensteuer so auszugestalten, dass dabei der Gleichheitsgrundsatz beachtet und keine spezifische Eigentumsform privilegiert wird. So weit zur Vermögensteuer.

Jetzt noch zu dem, was Sie, Herr Stratmann, in Bezug auf Berlin gesagt haben - ich will nicht auf alles eingehen, sondern nur auf eines -: Bei der Höhe der Kindergartengebühren, die man in Berlin eingeführt hat, wird sehr stark nach dem Einkommen der Eltern differenziert. Was Sie gesagt haben, gilt nur für die reichsten Eltern in Berlin. Insofern mögen Sie recht haben. Wahrscheinlich haben Sie ja nur diese im Blick.

(Christian Dürr [FDP]: Aber trotzdem sind sie hoch!)

- Nein, sie sind sehr differenziert. Für die unteren Einkommensgruppen sind sie nicht gestiegen.

(Astrid Vockert [CDU]: Was haben Sie denn vorher versprochen? - Jens Na- cke [CDU]: In Niedersachsen wird es gebührenfrei!)

Drittens, Herr Stratmann, will ich noch etwas zu der Frage sagen, ob eine Volkswirtschaft sich Studiengebühren leisten kann oder nicht. Sie sind jünger als ich. Als Sie Jura studiert haben, haben Sie mit Sicherheit keine Studiengebühren gezahlt. Auch ich habe keine Studiengebühren gezahlt. Wäre jemand in meiner Generation - ich zähle mich zu den 68ern - auf die Idee gekommen, Studiengebühren einzuführen, weiß ich nicht, was dann an den Hochschulen los gewesen wäre. Ich kann Ihnen nur so viel sagen: Es gibt wahrscheinlich einen Zusammenhang zwischen der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft und der Möglichkeit, Studiengebühren einzuführen. Damals kannte ich Studiengebühren nur aus Entwicklungsländern. Wenn unsere Volkswirtschaft gewachsen ist - das Bruttoinlandsprodukt ist doch höher als damals, als Sie und ich studiert haben -, dann muss doch die Volkswirtschaft in der Lage sein, mit ihrem Gesamtprodukt ein gebührenfreies Studium zu ermöglichen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wie das organisatorisch gemacht wird, das ist eine Frage der Umverteilung. Dazu stehen uns die Instrumentarien des Steuerrechts zur Verfügung.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Dr. Andretta, Sie bekommen zwei Minuten zusätzliche Redezeit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Stratmann, wir werden in der Frage der Studiengebühren nicht zueinanderfinden. Ich finde es schon sehr verwegen, dass Sie hier heute ein Stipendiensystem fordern. Wir erinnern uns alle: Die Studiengebühren wurden hier in einer Nacht-undNebel-Aktion 2005 im Rahmen des Haushaltsbegleitgesetzes eingeführt.

(Christian Dürr [FDP]: Quatsch! Da waren Sie doch dabei!)